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Oliver Reitz

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Stromrebellen aus dem Schwarzwald elektrisieren die Energiewende

„Ich bin davon überzeugt, dass wir die Transformation schaffen“, sagt Armin Komenda zur notwendigen Energiewende. Was es braucht seien Optimismus und Mut zu einer dezentralen bürgergetragenen erneuerbaren Energieversorgung. Zweiflern und Bedenkenträgern widersprechen die Stromrebellen der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG schon seit Jahren mit erfolgreichem Beispiel. Kürzlich diskutierte Vorstand Armin Komenda, ein Absolvent der Hochschule Pforzheim, mit Mitgliedern von Rotary Pforzheim über das Thema. Jetzt macht er seinen Standpunkt im Interview mit WirtschaftsKraft deutlich.
Wind und Photovoltaik sind für die Energieerzeugung der nahen Zukunft die bedeutendsten Technologien, meint EWS-Vorstand Armin Komenda. ©BerndSchumacher/Composing:GerdLache

Von Gerd Lache | 19.02.2023

Armin Komendas Kernbotschaft beim Rotary Club Pforzheim lautete: „Indem jeder einzelne sich bewusst wird über seinen eigenen Energieverbrauch und über die Möglichkeiten, selbst Energie zu erzeugen“, könnten die notwendigen Veränderungen realisiert werden. Engagierte Bürgerinnen und Bürger finden seiner Ansicht nach passende Lösungen für ihre Region. Zusammen mit einer weiteren Technologieentwicklung werde die Transformation gelingen.

Herr Komenda, die EWS Elektrizitätswerke Schönau eG sind aus einer Bürger-rebellischen Bewegung nach dem Tschernobyl-Reaktor-Unfall 1986 entstanden. Wie viel Rebellion steckt heute noch in der inzwischen  gesellschaftlich etablierten Genossenschaft?

Eine Genossenschaft mit mittlerweile rund 12.500 Mitgliedern verlangt natürlich eine gewisse Solidität im Verwaltungsablauf und das Einhalten von Regularien, wie unsere Satzung. Das hat zunächst wenig mit Rebellion zu tun. Unsere Grundwerte sind aber immer noch dieselben: Wir setzen uns gegen Atomkraft und für eine Erneuerbare, sozial gerechte, sowie dezentrale und bürgereigene Energiewirtschaft ein. Inzwischen sind viele Projekte und Geschäftsfelder entstanden, die diese Ziele unterstützen. Das erfordert eine nachhaltige wirtschaftliche Basis, um notwendige Investitionen bestreiten zu können – Gewinnerzielung ja, aber nicht Gewinnmaximierung. Im Zentrum steht wie bei jeder Genossenschaft die Förderung der Mitglieder.

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VIDEO: Wie wurden Sie zu Vorkämpfern der Energiewende? – Mit Sebastian und Ursula Sladek. ©DieWeltGestalten

Wodurch unterscheiden sich die EWS durch andere Anbieter?

Was uns von etablierten Anbietern unterscheidet, ist die dezentrale und bürgereigene Energieerzeugung und hier rebellieren wir zusammen mit unseren Mitstreitern gegen Entwicklungen, die dem entgegen stehen. Sei es im politischen Berlin, in sozialen Netzwerken, diversen Studien oder der Information und Kommunikation vor Ort. In Zeiten, wo Europa in ein Atomzeitalter zurückzufallen droht, möchten wir zu jeder Zeit fundiert dagegen halten und zeigen, dass es geht mit der Energiewende.

Wie fundiert ist diese Behauptung?

Es gibt dazu verschiedene Studien, etwa zum Potenzial kleiner PV-Anlagen auf Dächern oder die Erdgasstudie 2021. So haben wir im Vorfeld der Bundestagswahl in Berlin eine neue Studie vorgestellt, die aufzeigt, wie klimaschädlich Erdgas tatsächlich ist und die Wege für einen konsequenten Erdgasausstieg weist.

Dazu bedarf es Investitionen und Aufklärung.

Mit unserer „sonnencent“-Förderung, die jeder Kunde über seinen Strom- und Gaspreis mitfinanziert, unterstützen wir Kundinnen und Kunden bei der Investition in eigene regenerative Erzeugungsanlagen. Weiterhin werden Vereine und Organisationen unterstützt, die Energiewende und den Klimaschutz auf allen Ebenen der Gesellschaft voranbringen. Aber auch die Energieberatung bei Kunden wird gefördert. Im Jahr 2022 standen hierfür fast 2,3 Millionen Euro zur Verfügung. Und im Jahr 2021 haben wir in Freiburg unseren EWS-Store eröffnet.

Was ist unter dem EWS-Store zu verstehen?

Ein lebendiger Ort an dem verschiedene Akteure zusammenkommen können und an dem wir neben dem Tagesgeschäft verschiedene Veranstaltungen anbieten, um Menschen für ein Engagement für die Energiewende zu begeistern. So hatten wir beispielsweise einen Vortrag des Balkonsolarvereins. Diese Rebellenkraftwerke bieten auch für Mieter die Möglichkeit, einen Teil ihrer Stromversorgung selbst zu übernehmen. Also nicht wie so oft große Investitionen am Bürger vorbei, sondern hautnah und in der Mitte unserer Gesellschaft. Ein Geschäftsfeld, das wir gerade aufbauen, unterstützt einen flexibleres Strommarkt-Design, wo insbesondere Produzenten und Konsumenten (Prosumer) näher zusammenrücken können.


©TeckwerkeBürgerenergie

Hintergrund: Was ist ein Balkonsolargerät?

Balkonsolargeräte oder Stecker-PV bestehen in der Regel aus einem oder zwei Solarpanels und einem kleinen Wechselrichter. Sobald Sonne auf das Solarpanel fällt, erzeugt es Strom. Der Wechselrichter wandelt diese Energie in den normalen Haushaltsstrom um. Über eine (Außen-) Steckdose wird dieser Strom dann ins Hausnetz eingespeist. Dort dient er dazu, den Bedarf der eigenen Geräte, etwa Kühlschrank, Router oder Toaster abzudecken. Was nicht benötigt wird, geht dann über den Zähler ins Stromnetz. Braucht man mehr Strom als erzeugt wird, holen sich die Geräte den Strom wie bisher über das Stromnetz.

Online-Webinare zu Balkonsolargeräten, Anmeldung HIER


Herr Komenda, die die Gaspreise fallen, niemand muss frieren. Können wir die Versorgungskrise abhaken?

Die Bundesregierung hat alle Anstrengungen unternommen, um die Versorgung aufrecht zu erhalten. Im Nachhinein kann man sagen, das war eine sinnvolle, aber auch teure Angelegenheit. Kern unseres Problems ist aber die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und damit die unzureichende Versorgung aus Erneuerbaren Energiequellen. Mitunter haben Anpassungen in der EEG-Gesetzgebung der vergangenen zehn Jahren verhindert, dass wir heute nicht deutlich mehr Anteil Erneuerbare Energien haben und damit unabhängiger in der Versorgung von Wärme, Strom und Mobilität sind.

©SatyaPrem/Composing:GerdLache

Faith Birol, Vorsitzender der internationalen Energieagentur, blickt sorgenvoll auf den nächsten Winter. Birol lobt zwar den Ausbau von Wind- und Solarkraft, kritisiert aber den deutschen Atomausstieg. Sollten in dieser besonderen Krisenlage die Laufzeiten der Reaktoren als Gas-Kompensation über den April hinaus nicht doch verlängert werden?

Atomenergie bleibt eine teure, unflexible und gefährliche Hochrisikotechnologie. Ebenso wie bei Gas sind wir beim Brennstoff Uran in einer Abhängigkeitssituation. Anders als Gas lassen sich Atomkraftwerke bei der Stromerzeugung zudem nur sehr schwerfällig in der Erzeugungsmenge anpassen. Kurzfristige Engpässe können damit nicht durch ein schnelles Hochfahren überbrückt werden, während die Strommengen durchaus in der Lage sind, ein Verstopfen der Stromleitungen vor Ort zu bewirken und damit regional Erneuerbare Anlagen zum Drosseln oder Abschalten zwingen.

Mit Blick auf den Eigenstrombedarf zur Aufrechterhaltung des Kraftwerkbetriebs und die Versorgungssicherheit, das haben wir und sehen wir in Frankreich, ist von Laufzeitverlängerungen Abstand zu nehmen. Atomenergie hatte 2022 einen Anteil von 6,5 Prozent an der Bruttostromerzeugung, Erdgas etwa 13 Prozent.

Abschließend bleibt zu sagen, wir haben in erster Linie ein Wärmeversorgungsproblem bei Gas und nicht ein Problem mit Stromunterversorgung – da hilft uns die Atomenergie nicht. Auch im Jahr 2022 haben wir knapp 26 TWh Strom exportiert.

(Anmerkung der Redaktion: 1 Terrawattsunde, TWh, entspricht 1 Milliarde Kilowattstunden, kWh oder 1 Billion Wattstunden.)

©RalphLindner/Composing:GerdLache

Dass für die EWS die Verlängerung der Atomkraftwerke ein No-go ist, erscheint aufgrund der Entstehungsgeschichte immanent. Haben Sie dann Verständnis für den RWE-Konzern, der eine begrenzte Zeit mit Braunkohle aus Lützerath – dort, wo jüngst die Proteste stattfanden –zusätzlich den Energiebedarf abdecken will?

Ob es dem RWE-Konzern dabei tatsächlich um die Versorgungssicherheit von Bürger:Innen geht wage ich nicht zu beurteilen. Studien belegen, dass die Braunkohle unter Lützerath zur Versorgungssicherheit nicht notwendig ist. Fakt ist, dass ein Unternehmensmodell wie das der RWE in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgt. Wenn man sich die Vergangenheit im Rahmen des Abbaus und der Kohleverstromung anschaut, die erhaltenen Entschädigungen beim Kohleausstieg und jetzt eben das Geschäft mit der Lützerather Braunkohle, fällt es schwer, von Verständnis und Versorgungssicherheit zu sprechen. In der Historie der Störfälle von RWE, ich denke da zum Beispiel an den Störfall 2005 in Biblis wo defekte Armaturen des Notkühlsystems nicht repariert wurden, wurde in erster Linie nicht an die Menschen und die Umweltauswirkungen gedacht.

Aber selbst Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hat sich mit Lützerath auf einen Kompromiss eingelassen.

Ich habe in gewisser Weise Verständnis mit dem Wirtschaftsminister, der in ungewissen Zeiten eine Interessensabwägung machen musste. Einerseits die Notwendigkeit, die Versorgung zu sichern. Und andererseits mit einem Rucksack voller Altlasten seiner Vorgänger eines zu schwachen Ausbaus Erneuerbarer Energien und hoher Abhängigkeit eines Gaslieferanten, Russland, umzugehen.

Fiktive Annahme: Die Regierung verkündet, dass ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch ökologisch unbedenkliche Energiegewinnung eingesetzt werden dürfe. Welchen Zeithorizont bräuchte es, um Deutschland komplett auf eine umweltschonende Energieerzeugung umzustellen?

Unsere Lebensweise mit täglichem Energiehunger erfordert eine Energieerzeugung in der gleichen Menge. Eine komplett ökologisch unbedenkliche Energiegewinnung gibt es derzeit nirgendwo. Auch mit Photovoltaik, Wind, Wasser und Biomasse hinterlassen wir Spuren, wenn auch nur geringfügig. Bei Wind liegt die energetische Amortisation etwa bei drei bis sieben Monaten.

Eine umweltschonende Energieerzeugung hieße den gesamten Primärenergieverbrauch Deutschlands aus regenerativen Quellen zu erzeugen. Hier sprechen wir von einer Menge von etwa 2.400 Terawattstunden, die sich auf die Sektoren wie folgt verteilen: Industrie mit 29 Prozent, Haushalte mit 28 Prozent, Verkehr mit 27 Prozent und Gewerbe/Industrie mit 16 Prozent.

Noch immer behindern laut Armin Komenda unter anderem lange Genehmigungsprozesse den geplanten Ziel-Ausbau der Energiewende bis zum Jahr 2030. ©JanaSchneider

Beim Strom haben wir seit mehr als 20 Jahren Erfahrungen gesammelt und verlässliche, erprobte Technologien und Effizienzgewinne erzielt. Daher sehe ich das Vorankommen hier am einfachsten. Derzeit liegt der Bruttostromverbrauch bei etwa 550 TWh, 23 Prozent des gesamten Energieverbrauchs, den wir zu knapp der Hälfte aus erneuerbaren Quellen erzeugen.

Im Hinblick auf die Ausbauzahlen und den immer noch langen Genehmigungsprozessen werden wir das Ziel im Jahr 2030 bei 80 Prozent Erneuerbaren im Stromsektor sehr wahrscheinlich nicht erreichen. Die Parameter wurden verbessert, aber bei der Umsetzung sind weiterhin zu viele Hindernisse vorherrschend.

Der Energieträger Strom wird künftig im Rahmen der Sektorenkopplung – Wärme, Mobilität – an Bedeutung gewinnen.

(Anmerkung der Redaktion: Nicht nur im Stromsektor, auch in den Bereichen Wärme, Kälte und Verkehr sollen fossile Energieträger laut dem Bundeswirtschaftsministerium nach und nach durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Dazu sollen die Sektoren gekoppelt werden.)

Stand heute sind die Bereiche Verkehr – vor allem Mineralölprodukte – und Wärme – vor allem Öl und Erdgas – zu stark von fossilen Brennstoffen abhängig. Eine Transformation, wie sie etwa im Strombereich ab dem Jahr 2000 aktiv vorangetrieben wurde, steht also erst in den Kinderschuhen. Im Jahr 2009 gab es mit der Abwrackprämie noch Förderungen für neue Verbrennerfahrzeuge sowie bis 2022 für neue Gashybridheizungen. Gerade im Bereich Wärme ist eine Transformation sehr langwierig.

©AndreaStöckel/Composing:Gerdlache

Ist die Transformation angesichts dieser Hürden überhaupt zu schaffen?

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Transformation schaffen und Abhängigkeiten verringern, aber es braucht Mut und Planungssicherheit, insbesondere für regionale Projekte. Engagierte Bürger:Innen finden passende Lösungen für ihre Region. Zusammen mit einer weiteren Technologieentwicklung wird es uns gelingen. Ein Zeichen des Mutes kann mit einem bundeseinheitlichen Tempolimit schon heute gesetzt werden.

Und wie würde im Erfolgsfall das Energieportfolio aussehen?

Das Energieportfolio gestaltet sich entsprechend den Möglichkeiten unseres Landes und verwendet als Primärenergiequelle weitestgehend Strom. Das heißt, im Bereich Wasserkraft mit derzeit 3 Prozent würden wir auf dem aktuellen Niveau verbleiben. Unsere Möglichkeiten sind hier weitgehend ausgeschöpft. Bei Biomasse würde sich die Kapazität leicht erhöhen, 10 Prozent.

Das bedeutet konkret, dass die Erzeugung aus Wind und Photovoltaik die bedeutendsten Erzeugungstechnologien sind, gepaart mit flexiblen, steuerbaren Verbrauchern. Dafür müssen sich die Erzeugungskapazitäten aus Wind und PV in den nächsten zehn Jahren verdreifachen. Also das, was die vergangenen 20 Jahre erreicht wurde, mit dem Faktor drei in der Hälfte der Zeit erzielen.

Welche Einspar-Maßnahmen gibt es aktuell für die energieintensiven Produktionsunternehmen?

Ich glaube, dass die Unternehmen im Rahmen der Energieproblematik im vergangenen Jahr sich intensiv Gedanken über mögliche Potenziale gemacht haben. Große Energiebedarfe wird es weiterhin geben, insbesondere im Produktionsprozess. Einsparungen heißt künftig vor allem auch, flexibel zu sein, Energie zu speichern – beispielsweise durch Batterien und Warmwasserspeicher – sowie sie dann zu verbrauchen, wenn Energie günstig und ausreichend vorhanden ist. Und auf der anderen Seite sparen und gegebenenfalls aus Speichern zu verbrauchen, wenn wenig Energie im Angebot ist. Lademanagement und Investitionen in intelligente Steuerungsintelligenz haben schon heute an Bedeutung gewonnen.

Unternehmen, die das verstehen, werden künftig Wettbewerbsvorteile haben.


©AlexanderStein/Composing:GerdLache

Energie wird in der Regel über Börsen oder Direktlieferverträge gehandelt, erklärt EWS-Vorstand Armin Komenda. Demnach bildet sich der Preis für Energie daher auch an diesen Handelsplätzen. Unabhängig von der Erzeugung gibt es einen entsprechenden Marktpreis. Im Wesentlichen wird er durch konjunkturelle und politische Entwicklungen sowie den Witterungsbedingungen beeinflusst. Maßgebend sind aber auch die Rohstoffkosten und der Preis für CO2-Zertifikate. Auch die Lieferanten der EWS orientieren sich an diesem Marktpreis. Hinzu kommen für den Endkunden noch weitere Preisbestandteile wie Umlagen, Abgaben, Steuern und Netzentgelte.

Geringer Vorteil gegenüber Wettbewerbern

Die für die EWS beeinflussbaren Preisbestandteile wie Beschaffung und Vertrieb machen lediglich 25 Prozent des Endkundenpreises aus. Sehr viel Differenzierungspotenzial über den Preis hat die Energiegenossenschaft gegenüber ihren Wettbewerbern damit nicht.

Mit den enormen Preisexplosionen und Schwankungen beginnend ab Herbst 2021 standen alle Energieanbieter vor einer gewaltigen Herausforderung. Im zweiten Halbjahr 2022 lagen die beeinflussbaren Bestandteile „Beschaffung und Vertrieb“ plötzlich bei etwa der Hälfte.

Neubau der EWS Elektrizitätswerke in Schönau. ©EWS

Bewährte konservative Strategie

Viele Anbieter mussten Insolvenz anmelden oder standen kurz davor. Auch die EWS mussten für eine gewisse Zeit ihr Energieangebot für Neukunden vom Markt nehmen, um nicht für zu viele Kunden ein Lieferversprechen abgeben zu müssen, das dann zu irrwitzigen Preisen beschafft werden muss.

Eine neue Situation also für die Energiegenossenschaft, abzuwägen zwischen dem genossenschaftlichen Grundsatz, für jeden Zugang zu sauberer und preisgünstiger Energie zu ermöglichen, gleichzeitig aber ihre Bestandskunden vor übermäßigen Preissteigerungen zu schützen – und darüber hinaus die Genossenschaft vor existentiellen Risiken zu bewahren.

„Letztlich hat sich unsere über Jahre konservative, nachhaltige Beschaffungsstrategie bewährt“, sagt Komenda.

Laut dem Branchenverband BDEW lag der Haushaltsstrompreis im zweiten Halbjahr 2022 bei 40,07 ct/kWh (inklusive Grundpreis bei 3.500 kWh). Für Bestandskunden lag der Arbeitspreis von EWS im zweiten Halbjahr bei 26,07 ct/kWh, was einem Preis inklusive Grundpreis (9,95) von unter 30 Cent entspricht (29,48 ct/kWh). „Der EWS-Strom ist zudem 100-prozentiger Ökostrom mit strengen Kriterien“, so Komenda.

Ausstieg aus Erdgas

Bei Gas haben hat sich EWS dazu entschlossen, aus reinem Erdgas auszusteigen. „Wir haben allen bisherigen Kunden ein Angebot gemacht, auf ein Beimischprodukt mit mind. 10 Prozent Biogas umzusteigen. Dieses war innerhalb einer gewissen Zeit und Menge verfügbar.“ Allerdings: Aufgrund der immer noch herrschenden Unsicherheiten und Verfügbarkeiten von (Bio)Gas, „sind wir derzeit mit keinem Neukundenangebot am Markt“.

Problem der Billigstrom-Anbieter

Das Modell der Billigstrom-Anbieter, die große Teile ihres Portfolios kurzfristig am Spotmarkt beschaffen, hat die ganze Branche in diesen Zeiten belastet. Deren Geschäftsmodell mit kurzfristiger Beschaffung konnte die Lieferverpflichtungen nicht mehr bedienen, „mit dem Ergebnis, dass viele Grundversorger, so auch wir in Schönau, diese Kunden in die Versorgung aufnehmen mussten“.


©EWS/Composing:GerdLache

Armin Komenda

… ist einer der Vorstände der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG und einer der Geschäftsführer der Elektrizitätswerke Schönau Vertriebs GmbH. 1979 in Mutlangen geboren, hat er an der Hochschule Pforzheim den Titel „Master of Arts in Auditing, Business and Law“ erworben. Masterthesis: Bürgerbeteiligung und die Eignung der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft als Träger von Projekten für die Erzeugung erneuerbarer Energien. Zuvor absolvierte er an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen ein Studium zum Diplom-Betriebswirt (FH).

Neben verschiedenen Tätigkeiten beim Württembergischen und später Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband Stuttgart war Komenda unter anderem Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart und, nach wie vor, Aufsichtsratsvorsitzender der Ladegrün! eG Berlin.

Seit 2014 ist er Vorstand und Geschäftsführer bei den Elektrizitätswerken Schönau. Die Unternehmensgruppe mit rund 250 Beschäftigten und aktuell mehr als 225.000 Kunden erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von 250 Millionen Euro. Unter dem Dach des EWS-Konzerns sind rund 30 Unternehmen und Beteiligungen verbunden.

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