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Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Savina Tilmann: Eine der führenden Trauma-Expertinnen im deutschsprachigen Raum

Sie bildet seit vielen Jahren Coaches und TherapeutInnen aus und ist eine der Top-Expertinnen in Sachen Trauma und Human Design. Mit Keynotes, Vorträgen, Seminaren und Workshops inspiriert sie Menschen, ihr Potenzial und ihre Persönlichkeiten zu entwickeln: Savina Tilmann. Mit ihrem Podcast „Mivedo – Das Glück, dich selbst zu finden“ erreicht sie unzählige AbonnentInnen. WirtschaftsKRAFT hat mit der populären Therapeutin geplaudert und spannende Einblicke in ihre Arbeit bekommen.
WirtschaftsKRAFT sprach mit der Trauma-Expertin Savina Tilmann. Foto: Lilian Salathé

17.01.2025

„Sei mutig, deinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn er manchmal anders aussieht als der der anderen.“
Savina Tilmann, Trauma-Expertin

Savina Tilmann lebt ihre Berufung. Mit einem warmen Lächeln, einer ansteckenden Herzlichkeit und Ruhe begegnet sie uns im Interview. Schnell wird klar, warum sie als Therapeutin so erfolgreich ist. Die gebürtige Bayerin lebt und arbeitet heute in der Schweiz.
Menschen darin auszubilden, ihre KlientInnen in herausfordernden Situationen zu unterstützen, das ist Savina Tilmanns Leidenschaft. Die Kernfähigkeiten der Dozentin liegen darin, in stressigen oder traumatischen Situationen gelassen zu bleiben, komplexe Zusammenhänge leicht und verständlich zu erklären – und das mit echter Empathie.
Seit 1993 reihen sich zahlreiche Aus- und Weiterbildungen aneinander. Was mit einem Studium der Psychologie und der Gebärdensprache begann, bildete die Basis ihrer Kernkompetenzen. Erweitert wurde das Wissen mit Somatic Experiencing nach Peter Levine, Brainlog, Neuroaffektive Psychotherapie nach Susan Hart und Marianne Bentzen, EMDR, Rituelle Gewalt und Komplextrauma, Arbeit mit dem inneren Kind, Certified Zentangle Teacher, Professionalisierte Trauerbegleiterin, Human Design Analytikerin, Face-Reading-Coach, MeSource-Practitioner und interaktives Emotionscoaching / Mimikresonanzausbildung.
Savina Tilmann arbeitete anfangs als Heilpraktikerin für Psychotherapie und als Traumatherapeutin in ihrer eigenen Praxis. Heute unterrichtet sie Coaches und TherapeutInnen und hält Vorträge sowie Seminare zu psychotherapeutischen Themen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Verbindungen zu spirituellen Ansätzen. Mit ihrem erfolgreichen Podcast „Mivedo“, (übersetzt: „ich sehe mich“), erreicht sie ein großes Publikum. Die Themen sind breit gefächert und leiten dazu an, sich selbst zu finden und das eigene Potenzial zu leben, im privaten wie beruflichen Kontext.

Savina Tilmann hat als Trauma-Therapeutin ihre Berufung gefunden. Foto: Lilian Salathé

WirtschaftsKRAFT: Liebe Savina, du bist Trauma-Expertin. Die meisten Menschen verbinden „Trauma“ mit sehr schwerwiegenden, dramatischen Erfahrungen, wie etwa Krieg und Folter. Begegnen uns Traumata auch im „normalen“ Leben?
Savina Tilmann: Trauma ist vielschichtig und kann uns auf viele Arten begegnen. Natürlich gibt es die tiefgreifenden, offensichtlichen Traumata wie Krieg oder Gewalt, aber auch im Alltag erleben Menschen oft Verletzungen, die sich wie kleine Narben auf der Seele anfühlen. Es sind Momente, in denen wir uns nicht gesehen, nicht gehört oder nicht sicher gefühlt haben. Eltern zu haben, die nicht emotional verfügbar sind, weil sie selbst traumatisiert sind, psychische Probleme haben, suchtkrank sind oder oder, ist eine von diesen Erfahrungen, die sehr viele Menschen machen bzw. gemacht haben. Wenn wir also schon früh die Rollen mit unseren Eltern tauschen und quasi ihre Eltern werden, weil wir uns um sie kümmern, uns für ihre gute Laune verantwortlich fühlen und sie emotional stützen. Oder natürlich auch Erfahrungen von Mobbing oder Bossing oder plötzliche Verluste, die das Nervensystem überfordern und die eigene Widerstandskraft (Resilienz) überschreiten. All diese Erfahrungen prägen unsere innere Welt und unser Nervensystem, auch wenn einige davon von außen betrachtet vielleicht manchmal weniger dramatisch wirken als Folter und Krieg. Gerade im „normalen“ Leben sind es diese stillen, oft unsichtbaren Traumata, die uns später immer wieder begegnen – in Beziehungen, im Umgang mit Stress oder in unserer Fähigkeit, uns wirklich zu entspannen.

WirtschaftsKRAFT: Welche deiner Ausbildungen hat dich am nachhaltigsten geprägt und warum?
Savina Tilmann: Jede Ausbildung, die ich durchlaufen habe, hat mich auf ihre Weise bereichert, aber am tiefsten berührt hat mich meine Begegnung mit Somatic Experiencing®. In dieser Ausbildung arbeite ich inzwischen bereits seit vielen Jahren als Senior-Assistentin in deutschsprachigen Ausbildungs-Teams, um der Methode und den Menschen, die sie lehren, meinen Dank auszudrücken für ihre Arbeit! Das Verständnis von Trauma auf der biologischen Ebene des Nervensystems nimmt den von Trauma Betroffenen das Gefühl, dass irgendetwas mit ihnen selbst nicht stimmt und platziert Trauma an den Ort, wo es eigentlich hingehört: In den Körper und ins Nervensystem. Das zweite, was mich sehr geprägt hat, ist die liebevolle und wertschätzende Haltung von Carl Rogers. Die Haltung, die er vermittelt – radikale Akzeptanz, bedingungslose Wertschätzung und echtes Einfühlungsvermögen – hat nicht nur mein berufliches Verständnis geprägt, sondern auch, wie ich Menschen und das Leben an sich sehe und damit umgehe. Es ist eine Art, im Kontakt zu sein, die mich immer wieder daran erinnert, dass Heilung nicht in der Technik liegt, sondern in der Verbindung von Mensch zu Mensch.

WirtschaftsKRAFT: In deinen Ausbildungen vermittelst du nicht nur Wissen und Methoden, es geht dir vor allem auch darum, eine spezielle Haltung zu verkörpern. Wie würdest du diese Haltung definieren?
Savina Tilmann: Die Haltung, die ich vermitteln möchte, basiert auf Mitgefühl, Respekt und dem Mut, wirklich präsent zu sein. Es geht darum, den Menschen vor sich in seiner ganzen Komplexität zu sehen, ohne zu bewerten. Dabei ist es wichtig, sich selbst nicht zu verlieren, sondern immer wieder in der eigenen inneren Mitte zu bleiben. Ich glaube daran, dass Heilung geschieht, wenn wir Räume schaffen, in denen Menschen sich sicher genug fühlen, um verletzlich zu sein und sich selbst begegnen zu können – und das erfordert von uns als Coaches eine tiefe Selbstreflexion und eine Haltung des Nicht-Wissens.
Es ist, als würde ich mich vor jeder Begegnung mit einem Menschen innerlich leer machen und voller Neugierde diesem interessanten Wesen begegnen. Und während ich „leer“ bin, habe ich eine Basis von unsagbar viel Wissen über Trauma und das, was es mit uns Menschen auf verschiedenen Ebenen macht.
Es ist nicht so leicht in Worte zu fassen. Eine meiner Teilnehmerinnen aus meiner ETR® Embodied Trauma Resiliency-Ausbildung, sagte in einem Interview zu mir vor ein paar Tagen: Es ist wie mit Schokolade: Du kannst Bücher darüber schreiben und Filme darüber drehen – wenn du sie nicht probiert hast, wirst du nie wissen, wie Schokolade schmeckt. Und genau so ist es mit dieser Ausbildung.
Ich denke, eine verkörperte Haltung, die so anders ist als das, was wir sonst in unserer Gesellschaft so lernen und leben, muss tatsächlich erfahren werden – die kann man nicht erklären.

WirtschaftsKRAFT: Du unterrichtest selbst seit vielen Jahren. Wenn du ein Unterrichtsfach in den Allgemeinbildenden Schulen einführen könntest, was stände auf dem Lehrplan?
Savina Tilmann: Das ist eine wunderbare Frage 🙂 Ich würde ein Fach einführen, das ich vielleicht „Emotionale Resilienz und Verbindung“ nennen würde. Darin ginge es darum, Kinder und Jugendliche zu lehren, ihre Gefühle zu verstehen, mit Stress umzugehen und gesunde Beziehungen aufzubauen. Und gleichzeitig würde es ganz selbstverständlich die Not lindern, endlich gesehen zu werden und damit die Fähigkeit, dem jeweils anderen zuzuhören, extrem stärken, ohne dass er oder sie dafür viel tun müsste. Es ist so wichtig, dass junge Menschen früh lernen, wie sie in sich selbst Stabilität finden können, während sie gleichzeitig offen und verbunden mit ihrer Umwelt bleiben. Solche Fähigkeiten sind aus meiner Sicht essenziell für ein erfülltes Leben in und mit gesunden Beziehungen.

WirtschaftsKRAFT: Gab es im Laufe deines Lebens eine Begegnung, die dich besonders berührt oder verändert hat?
Savina Tilmann: Ja, die gab es. Es gab immer wieder Menschen, die meinem Weg eine Richtung gegeben haben, die er ohne sie wohl nicht genommen hätte. Barbara Stötzer ist eine der Menschen, die sehr früh ein paar wesentliche Weichen in meinem Leben gestellt haben. Barbara war Gast in einer der ersten Talk-Sendungen: Doppelpunkt. Sie war Rollstuhlfahrerin aufgrund einer Muskeldystrophie und sagte in der Sendung ein paar Dinge, die mich antriggerten, sodass ich, damals 17-jährig, den Sender anschrieb mit der Bitte um Weiterleitung eines Briefes von mir an Barbara. Daraus entstand eine sehr intensive Freundschaft und ebenfalls eine intensive Auseinandersetzung mit Themen wie Diskriminierung, Begrenzungen, Abhängigkeit, Abschiede, Tod, Sterbehilfe und Hospiz. Alles Themen, die mein Sein und mein Arbeiten heute sehr geprägt haben und die ich ohne Barbara in so jungen Jahren sicherlich nicht in meinem Feld gehabt hätte. Die Begegnung war alles andere als Zufall. Leider lebt sie nicht mehr – aber mit Barbara habe ich unfassbar viele Dinge erlebt, die mich auf einer sehr tiefen Ebene geprägt haben. Und eine weitere Begegnung war die mit Frauke (Name verändert), die mir nach 2 Jahren Freundschaft sagte, dass sie multipel sei, was für mich der Startpunkt der Auseinandersetzung mit komplexer Traumatisierung und ihren Folgen, mit Tätern und ihren Motiven, mit den tiefsten und dunkelsten Schichten unserer Psyche wurde.
Es gab und gibt immer wieder Menschen in meinem Leben, die mich prägen, und die meine Richtung um ein paar Grad korrigieren 😉 Aber ich denke, diese beiden sind sehr maßgeblich für den Weg, den ich heute gehe.

WirtschaftsKRAFT: Deine Mutter ist spirituell interessiert, dein Vater ein promovierter Physiker. Mit deinem Beruf verbindest du Spiritualität und Wissenschaft – wie passt das zusammen?
Savina Tilmann: Für mich gehören Spiritualität und Wissenschaft untrennbar zusammen. Wissenschaft bietet uns die Struktur, die Logik und die Methoden, um die Welt zu verstehen, während Spiritualität uns mit dem verbindet, was jenseits des aktuell Messbaren liegt. Aber nur, weil es aktuell noch nicht nachweisbar ist, bedeutet es nicht, dass es die Dinge nicht gibt, die wir wahrnehmen und die uns vor die großen ungelösten Fragen stellen: wie kommt es zu Intuition, zum Gefühl von Zugehörigkeit zu etwas Größerem, zu Phänomenen, die immer wieder vorkommen aber nicht erklärbar sind? Wenn wir bedenken, dass man irgendwann mal Quecksilber als ungefährlich eingeschätzt hat, dass man von Bakterien nichts wusste, dass man an Blinddarmentzündung gestorben ist, dann zeigt einem das eigentlich nur, dass sich unsere Messmethoden verfeinern müssen, um neue Dinge messen zu können – und vermutlich auch unsere Art, Fragen zu stellen 😉 Mein Ansatz ist es, diese beiden Welten miteinander zu verweben, um Menschen zu unterstützen, sich sowohl im Inneren als auch im Äußeren zu orientieren.

WirtschaftsKRAFT: Welchen Rat würdest du gerne heute deinem jüngeren Ich geben?
Savina Tilmann: Ich würde meinem jüngeren Ich sagen: „Hab Geduld mit dir selbst. Du musst nicht alles sofort wissen oder können. Vertraue darauf, dass jeder Schritt, den du gehst, seinen Sinn hat – auch wenn du ihn manchmal erst später verstehst. Akzeptiere die Verluste, die du erleben wirst als etwas, was du später als Geschenke empfinden wirst. Gib dir Zeit, die Dinge in der Tiefe zu verstehen – das wird dauern.“ Und ich würde hinzufügen: „Sei mutig, deinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn er manchmal anders aussieht als der der anderen.“ Und zu guter letzt: „Mach es genau so nochmal – du hast es wirklich gut gemacht!“

WirtschaftsKRAFT: Ich danke dir für deine Zeit, deine wertvolle Arbeit und die vielen hilfreichen Impulse für unsere Leserinnen und Leser. Alles Liebe und Gute für deine Zukunft!

Das Interview führte Mirjam Müller

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