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Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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It’s a match! Der HR-Talk mit Christina Nuss, Witzenmann

Diesmal mit Christina Nuss, Vice President HR der Witzenmann Gruppe. Von der Frage nach der Notwendigkeit von Bewerbungsschreiben bis zur Schaffung einer entspannten Gesprächsatmosphäre im Vorstellungsgespräch bietet sie Einblicke in ihre Herangehensweise. Christina Nuss teilt auch ihre Gedanken zu Social Media im Recruiting und die aktuellen Herausforderungen der Branche.
Christina Nuss ist seit dem 1. Dezember 2023 Leiterin des People Managements der Witzenmann-Gruppe. Foto: PicturePeople

22.02.2024

Christina Nuss leitet seit seit dem 1. Dezember 2023 als Vice President HR das People Managements der Witzenmann-Gruppe. Nach ihrem Studium zur Diplom-Betriebswirtin an der Fachhochschule Neu-Ulm war sie Leiterin der Business Partner und später Leiterin des HR Center of Expertise bei einem europaweit tätigen Pharmagroßhändler. Sie ist ausgebildete Wirtschaftsmediatorin, Lehrbeauftragte für Personalmanagement an der Fachhochschule Wiesbaden und systemische Organisationsentwicklerin. Die Themen Talentmanagement, Personalentwicklung, Training, Employer Branding, Compensation und Benefits liegen der leidenschaftlichen Personalerin bei ihrer Arbeit besonders am Herzen.

Wie perfekt oder außergewöhnlich muss ein Bewerbungsschreiben sein?

Ich hoffe, die Antwort überrascht nicht zu sehr, aber für mich braucht es ehrlicherweise nicht zwingend ein Bewerbungsschreiben für eine aussagekräftige Bewerbungsunterlage. Ich richte meinen ersten Blick immer auf den Lebenslauf der Kandidaten. Dieser gibt mir eine erste Orientierung über die Person und erzeugt mein Interesse. Ich lehne ein Anschreiben aber keinesfalls ab und freue mich, wenn dadurch bereits erste, offene Fragen geklärt werden können, wie z.B. Auskunft über die Motivation der Bewerbung und / oder Wünsche der Kandidaten zu Arbeitszeiten, Gehaltsrahmen oder zu berücksichtigende Kündigungsfristen.

Die Debatte über die Notwendigkeit eines Bewerbungsanschreibens lässt sich sicherlich noch weiter fortführen, mir persönlich geht es um den Menschen und dessen individuellen Lebensweg. Der Lebenslauf ist aus meiner Sicht die aussagekräftigere Informationsquelle. Schließich ist nichts so individuell wie der persönlich gewählte Weg.

Für viele Kandidatinnen und Kandidaten ist das Anschreiben eine Hürde und hemmt sie unnötig.Das passt nicht mehr in unsere schnelllebige und rasante Zeit. Wir wollen diese Hürde minimieren und bieten bei Witzenmann die Möglichkeit des Quick Apply „schnelles Bewerben“. Die Kandidatinnen und Kandidaten laden dafür lediglich den Lebenslauf auf unserer Bewerbungsplattform hoch und treten so gleich mit uns in Kontakt.

Worauf achten Sie beim Vorstellungsgespräch besonders?

In aller erster Linie ist es mir ein großes Anliegen eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu erzeugen. In der Regel sind die Kandidatinnen und Kandidaten etwas nervös oder fühlen sich vielleicht unsicher in der Gesprächssituation. Um ein ungezwungenes und gutes Gespräch entstehen zu lassen, müssen diese Störgefühle beseitigt werden. Manchmal hilft es auch auf die Körpersprache zu achten und den Moment des Unwohlseins mit einem entwaffneten Satz anzusprechen. Dies lässt das Eis in der Regel schmelzen.

Welche Antwort eines/einer BewerberIn hat Sie am meisten überrascht?

Ich führe nun schon seit mehr als 14 Jahren Bewerbungsgespräche, die gewisse Überraschungen mit sich brachten. Beeindruckend sind und bleiben jene Momente, in denen mein Gegenüber offen und aufrichtig über Situationen spricht, die von besonderer Bedeutung für ihn oder sie waren. Seien es schöne, wie auch schwere Momente. Das Teilen dieser Situationen erzeugen jedes Mal eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre.

Warum ist ein Bewerbungsgespräch keine Einbahnstraße?

Die Zeiten, in denen die Bewerberinnen und Bewerber das Unternehmen von sich überzeugen mussten, sind glücklicherweise vorbei. Vielmehr ist es so, dass beide Seiten über eine mögliche Zusammenarbeit in der Zukunft entscheiden. Ich werde nicht müde in nahezu jedem Gespräch, zu erwähnen, dass es eine bewusste Entscheidung beider Seiten ist und fordere in diesem Zusammenhang auch das offene Feedback ein. Nur so entsteht eine gute Basis für die nächsten Schritte. Und selbst wenn beide Seiten zur Übereinkunft kommen, dass es an dieser Stelle nicht klappt, kann ein offenes Gespräch, die Türen für weitere Möglichkeiten und Positionen in der Zukunft öffnen.

Stellen Sie manchmal auch gezielt Fang- oder Stressfragen?

Ich persönlich halte nicht viel von Fang- oder Stressfragen. Die Nutzung dieser Fragen sind zum einen erwartbar, verhindern eine angenehme Gesprächsatmosphäre und hinterlassen im schlimmsten Fall einen fahlen Beigeschmack bei dem Kandidaten oder der Kandidatin. Das Vorstellungsgespräch an sich, gilt bereits als Stresssituation und muss meines Erachtens nicht noch zusätzlich befeuert werden.

Wann leuchtet bei Ihnen im Kopf die rote Warnlampe?

Grundsätzlich finde ich es immer wichtig zu verstehen, dass sich beide Seiten die Zeit für ein Vorstellungsgespräch nehmen. Daher ist es für mich von besonderer Bedeutung, dass man vorbereitet in ein Gespräch geht. Wenn es offensichtlich ist, dass mein Gegenüber nicht das notwendige Interesse zeigt und sich nicht für die Position oder das Unternehmen interessiert, leuchtet bei mir die rote Warnlampe.

Wann ist es ein Match?

Eines der wohl schönsten Momente und letztendlich auch das Ziel eines jeden Bewerbungsprozesses ist die gegenseitige Übereinstimmung beider Parteien über die offene Vakanz. Es besteht Einigkeit über die Aufgabeninhalte, die Tätigkeitsschwerpunkte begeistern den Kandidaten und die positiven Signale von beiden Seiten, sorgen für einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft. Man könnte auch etwas salopp sagen: Es funkt und beide Seiten sind begeistert!

Manchmal passt es einfach nicht. Wieviel Zeit nehmen Sie sich für eine Absage?

In dem gesamten Bewerbungsprozess ist offenes Feedback unerlässlich. So auch, wenn es aus bestimmten Gründen nicht passen sollte. Wir achten daher auf ein konstruktives Feedback – im Idealfall auch in einem persönlichen Gespräch.

Welche Rolle spielen Zeugnisse wirklich?

Zeugnisse spielen nicht sofort die wichtigste Rolle. Uns ist es, wichtig, den Menschen hinter der Bewerbung kennenzulernen. Zeugnisse runden den Prozess ab und werden beim zweiten Blick hinzugezogen.

Würden Sie sich als Bewerberin gerne sich selbst gegenüber sitzen?

Ich finde es immer wieder aufs Neue spannend Kandidaten kennenzulernen. Aufrichtiges Interesse und gegenseitige Wertschätzung stehen für mich im Vordergrund und dies ist auch spürbar. Aus diesem Grund kann ich jeden Kandidaten nur ermutigen, Möglichkeiten auszuloten und sich auf ein Gespräch – gerne auch mit mir – einzulassen.

Welche Rolle spielt Social Media im Recruiting? 

Social Media ist aus meiner Sicht ein unerlässliches und unterstützendes Medium für eine zielgruppenorientiere Recruiting Ausrichtung. Es ist belegt, dass die Nutzung von Social Media als weltweit gängiges Medium aktiv genutzt wird. Die Wahrscheinlichkeit ist somit groß, die richtige Zielgruppe anzusprechen. Große Vorteile sind die einfachen und gezielten Einblicke in das Unternehmen, die direkte Interaktion mit den gewünschten Zielgruppen und ganz nebenbei die Stärkung der Arbeitgebermarke. Prinzipiell eignet sich gerade der Recruitingbereich besonders gut für das Ausprobieren neuer Methoden mit der Voraussetzung, dass auch immer wieder die Wirksamkeit der Maßnahme überprüft wird.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Recruiting? 

Fachkräftemangel, die richtige Generationsansprache, der sinnvolle Einsatz von KI und das stetige Ausloten neuer Rekrutierungswege sind nur einige Stichwörter, die mir in diesem Zusammenhang in den Sinn kommen. Die Maßnahmenfelder sind vielfältig und vor allem – das ist das Spannende – nicht unbedingt mit gängigen und bereits erprobten Lösungen zu begegnen. Ich beobachte, dass insbesondere kreative, individuelle und auf das Unternehmen abgestimmte Recruiting Maßnahmen, vielversprechende Lösungsansätze sind. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass es gerade daher ein unglaublich spannendes Tätigkeitsfeld ist mit einer Menge Potential für Kreativität und Ideenreichtum.

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