Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
09.02.2024
Susanne Wöhr, 57 Jahre alt, ist seit Dezember 2022 Kaufmännische Leiterin und Personalleiterin bei Tornos Technologies Deutschland GmbH in Pforzheim. Susanne Wöhr kommt ursprünglich aus dem Finanz- und Rechnungswesen und hat in ihren 31 Jahren bei der Jung since GmbH & Co.KG ihre Leidenschaft für den HR-Bereich entdeckt. Geprägt wurde sie dort von ihrem Senior-Chef, für den der Mensch das wichtigste Gut seines Unternehmens war. Dies wurde zu ihrem Lebensmotto. Den Menschen mit Empathie auf Augenhöhe begegnen. Immer ein offenes Ohr für sie zu haben. In den vergangenen Jahren hat sie sich mit betrieblichem Gesundheitsmanagement, betrieblichem Eingliederungsmanagement und Stressmanagement beschäftigt. Ihr liegt die Gesundheit der MitarbeiterInnen am Herzen. Sie hat in der Zeit bei Tornos unter anderem tägliches Obst, Bike-Leasing, betriebliche Krankenversicherung und den egym-Wellpass eingeführt. Der egym-Wellpass beinhaltet Sport, Entspannung, Mentaltraining und Ernährung.
Wie perfekt oder außergewöhnlich muss ein Bewerbungsschreiben sein?
Früher habe ich darauf im kaufmännischen / kreativen Bereich viel Wert gelegt. Bei Tornos stellen wir fast nur technische MitarbeiterInnen ein und hier lege ich keinen Wert auf ein perfektes oder außergewöhnliches Bewerbungsschreiben. Ein ausführlicher Lebenslauf ist mir viel wichtiger und ein Bewerbungsschreiben kann optional dabei sein. Der Bewerbungsprozess soll so einfach wie möglich sein.
Worauf achten Sie beim Vorstellungsgespräch besonders?
Ob der oder die BewerberIn in unser Unternehmen und in den jeweiligen Bereich passt. Ich möchte die Person / die Persönlichkeit kennenlernen und deshalb nehmen wir uns viel Zeit für das Gespräch. Neben den fachlichen Themen sind mir die persönlichen Themen wichtig. Ich möchte im Laufe des Gespräches ein Gespür für die Person entwickeln, so dass ich mir ein Bild machen kann, ob die Person in das jeweilige Team passt und ob die Person eine Bereicherung für die Abteilung darstellt. Die fachlichen Themen werden von der jeweiligen Führungskraft aus dem Fachbereich beurteilt.
Welche Antwort eines/einer BewerberIn hat Sie am meisten überrascht?
Ich führe schon sehr lange Bewerbungsgespräche und möchte keinen Einzelfall herausnehmen. Ich finde es bewegend, wenn ich sowohl in schöne, traurige oder schwierige Momente im Leben der BewerberInnen mitgenommen werde. Dies zeigt mir, dass ich eine vertrauensvolle, empathische Atmosphäre schaffen kann.
Warum ist ein Bewerbungsgespräch keine Einbahnstraße?
BewerberInnen haben heutzutage einen riesigen Jobmarkt und können sich die Stellen aussuchen. Wir müssen uns als Unternehmen bei den KandidatInnen bewerben. Wir stellen uns, das Unternehmen vor und versuchen den oder die KandidatIn für uns zu begeistern. Wir führen das Gespräch auf Augenhöhe und in einer lockeren Atmosphäre und geben den BewerberInnen genügend Raum und Zeit für ihre Fragen und Themen. Nur so können beide Seiten erkennen, ob sie zueinander passen. Wir streben langfristige Arbeitsverhältnisse an.
Stellen Sie manchmal auch gezielt Fang- oder Stressfragen?
Nein, denn für die meisten BewerberInnen ist bereits das Vorstellungsgespräch eine Stresssituation. Sie sind nervös und deshalb will ich sie nicht noch mit Fang- oder Stressfragen unter Druck setzen. Außerdem möchte ich keine eingeübten und vorbereiteten Antworten hören. Das Gespräch soll in offener und lockerer Atmosphäre ablaufen.
Wann leuchtet bei Ihnen im Kopf die rote Warnlampe?
Wenn ich spüre, dass jemand nicht ehrlich und offen ist. Dies wäre für mich keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Hier vertraue ich auf mein Gespür und meinen Instinkt.
Wenn eine Person extrem auf sich fokussiert ist und kein Teamplayer ist. Wir können nur gemeinsam vorankommen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir brauchen Menschen, die sich engagieren, die mit Leidenschaft um ihre Themen kämpfen.
Bei solchen Themen geht bei mir die rote Warnlampe an. Hier versuche ich das Vorstellungsgespräch zeitlich zu begrenzen.
Wann ist es ein Match?
Im Laufe des Gesprächs bekomme ich hierfür ein Gefühl. Hier spüre ich, ob es menschlich passt, ob beide Seiten für das Gleiche brennen und stehen. Natürlich sollte fachliches Verständnis bzw. Wissen vorhanden sein, aber wer willig ist, der kann auch sehr viel lernen.
Manchmal passt es einfach nicht. Wieviel Zeit nehmen Sie sich für eine Absage?
Wurde ein persönliches Gespräch geführt, dann sage ich auch persönlich ab. Hier kann ich unsere Beweggründe besser mitteilen und auf die jeweiligen Reaktionen eingehen. Ein Schreiben ist mir hier zu unpersönlich. Der oder die BewerberIn soll uns in guter Erinnerung behalten.
Welche Rolle spielen Zeugnisse wirklich?
Für mich spielen Schulzeugnisse keine Rolle. Bei den Arbeitszeugnissen schaue ich nur, ob ich etwas zwischen den Zeilen lesen kann. Ansonsten kann man sich auf Arbeitszeugnisse nicht mehr verlassen. Oft werden bei Auflösungen von Arbeitsverträgen gute Arbeitszeugnisse vereinbart, die ArbeitnehmerInnen können gegen Arbeitszeugnisse vorgehen und einige Arbeitgeber lassen ihre MitarbeiterInnen die Zeugnisse selbst ausstellen.
Würden Sie sich als Bewerberin gerne sich selbst gegenüber sitzen?
Auf jeden Fall. Ganz wichtig ist mir eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Die BewerberInnen sollen sich bei uns wohlfühlen und dadurch die meist vorhandene Nervosität ablegen. Dadurch können sich die BewerberInnen öffnen und es entsteht ein interessantes Gespräch.
Welche Rolle spielt Social Media im Recruiting?
In meinen Augen spielt Social Media eine sehr große Rolle im Recruiting. Mit den klassischen Plattformen wie Stepstone, Indeed usw. werden nur BewerberInnen, die aktiv auf der Suche sind, erreicht. Bei Social Media werden die 70 %, die wechselwillig, aber nicht aktiv auf Jobsuche sind, angesprochen. Bei der Anzeige sollte ein Link für das Anhängen von Lebensläufen vorhanden sein, so dass der oder die BewerberIn sich mit nur einem Klick spontan bewerben kann. Wir müssen den Bewerbungsprozess so einfach wie möglich gestalten. Die Bereitschaft, sich stundenlang mit einer Bewerbung zu beschäftigen, wird immer geringer.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Recruiting?
Bei uns sind es die technischen Fachkräfte zu erhalten. Wir sind in der Zerspanungsbranche tätig. Der Arbeitsmarkt ist dadurch sehr begrenzt. Wir stehen mit unseren Wettbewerbern in Konkurrenz. Wir versuchen mit unserem Mutterkonzern in der Schweiz an unseren Rahmenbedingungen zu arbeiten, so dass wir konkurrenzfähig bleiben. Im Sommer ziehen wir um in unseren neuen Standort in Heimsheim. Hier können wir den MitarbeiterInnen, den zukünftigen BewerberInnen ein modernes und zeitgemäßes Arbeitsumfeld anbieten.
Das Interview führte Mirjam Müller
09.02.2024
"Für mich stehen die Menschen im Vordergrund. Meine Vision sind gesunde, leistungsfähige MitarbeiterInnen in einem gesunden und erfolgreichen Unternehmen."
Susanne Wöhr, 57 Jahre alt, ist seit Dezember 2022 Kaufmännische Leiterin und Personalleiterin bei Tornos Technologies Deutschland GmbH in Pforzheim. Susanne Wöhr kommt ursprünglich aus dem Finanz- und Rechnungswesen und hat in ihren 31 Jahren bei der Jung since GmbH & Co.KG ihre Leidenschaft für den HR-Bereich entdeckt. Geprägt wurde sie dort von ihrem Senior-Chef, für den der Mensch das wichtigste Gut seines Unternehmens war. Dies wurde zu ihrem Lebensmotto. Den Menschen mit Empathie auf Augenhöhe begegnen. Immer ein offenes Ohr für sie zu haben. In den vergangenen Jahren hat sie sich mit betrieblichem Gesundheitsmanagement, betrieblichem Eingliederungsmanagement und Stressmanagement beschäftigt. Ihr liegt die Gesundheit der MitarbeiterInnen am Herzen. Sie hat in der Zeit bei Tornos unter anderem tägliches Obst, Bike-Leasing, betriebliche Krankenversicherung und den egym-Wellpass eingeführt. Der egym-Wellpass beinhaltet Sport, Entspannung, Mentaltraining und Ernährung.
Wie perfekt oder außergewöhnlich muss ein Bewerbungsschreiben sein?
Früher habe ich darauf im kaufmännischen / kreativen Bereich viel Wert gelegt. Bei Tornos stellen wir fast nur technische MitarbeiterInnen ein und hier lege ich keinen Wert auf ein perfektes oder außergewöhnliches Bewerbungsschreiben. Ein ausführlicher Lebenslauf ist mir viel wichtiger und ein Bewerbungsschreiben kann optional dabei sein. Der Bewerbungsprozess soll so einfach wie möglich sein.
Worauf achten Sie beim Vorstellungsgespräch besonders?
Ob der oder die BewerberIn in unser Unternehmen und in den jeweiligen Bereich passt. Ich möchte die Person / die Persönlichkeit kennenlernen und deshalb nehmen wir uns viel Zeit für das Gespräch. Neben den fachlichen Themen sind mir die persönlichen Themen wichtig. Ich möchte im Laufe des Gespräches ein Gespür für die Person entwickeln, so dass ich mir ein Bild machen kann, ob die Person in das jeweilige Team passt und ob die Person eine Bereicherung für die Abteilung darstellt. Die fachlichen Themen werden von der jeweiligen Führungskraft aus dem Fachbereich beurteilt.
Welche Antwort eines/einer BewerberIn hat Sie am meisten überrascht?
Ich führe schon sehr lange Bewerbungsgespräche und möchte keinen Einzelfall herausnehmen. Ich finde es bewegend, wenn ich sowohl in schöne, traurige oder schwierige Momente im Leben der BewerberInnen mitgenommen werde. Dies zeigt mir, dass ich eine vertrauensvolle, empathische Atmosphäre schaffen kann.
Warum ist ein Bewerbungsgespräch keine Einbahnstraße?
BewerberInnen haben heutzutage einen riesigen Jobmarkt und können sich die Stellen aussuchen. Wir müssen uns als Unternehmen bei den KandidatInnen bewerben. Wir stellen uns, das Unternehmen vor und versuchen den oder die KandidatIn für uns zu begeistern. Wir führen das Gespräch auf Augenhöhe und in einer lockeren Atmosphäre und geben den BewerberInnen genügend Raum und Zeit für ihre Fragen und Themen. Nur so können beide Seiten erkennen, ob sie zueinander passen. Wir streben langfristige Arbeitsverhältnisse an.
Stellen Sie manchmal auch gezielt Fang- oder Stressfragen?
Nein, denn für die meisten BewerberInnen ist bereits das Vorstellungsgespräch eine Stresssituation. Sie sind nervös und deshalb will ich sie nicht noch mit Fang- oder Stressfragen unter Druck setzen. Außerdem möchte ich keine eingeübten und vorbereiteten Antworten hören. Das Gespräch soll in offener und lockerer Atmosphäre ablaufen.
Wann leuchtet bei Ihnen im Kopf die rote Warnlampe?
Wenn ich spüre, dass jemand nicht ehrlich und offen ist. Dies wäre für mich keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Hier vertraue ich auf mein Gespür und meinen Instinkt.
Wenn eine Person extrem auf sich fokussiert ist und kein Teamplayer ist. Wir können nur gemeinsam vorankommen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir brauchen Menschen, die sich engagieren, die mit Leidenschaft um ihre Themen kämpfen.
Bei solchen Themen geht bei mir die rote Warnlampe an. Hier versuche ich das Vorstellungsgespräch zeitlich zu begrenzen.
Wann ist es ein Match?
Im Laufe des Gesprächs bekomme ich hierfür ein Gefühl. Hier spüre ich, ob es menschlich passt, ob beide Seiten für das Gleiche brennen und stehen. Natürlich sollte fachliches Verständnis bzw. Wissen vorhanden sein, aber wer willig ist, der kann auch sehr viel lernen.
Manchmal passt es einfach nicht. Wieviel Zeit nehmen Sie sich für eine Absage?
Wurde ein persönliches Gespräch geführt, dann sage ich auch persönlich ab. Hier kann ich unsere Beweggründe besser mitteilen und auf die jeweiligen Reaktionen eingehen. Ein Schreiben ist mir hier zu unpersönlich. Der oder die BewerberIn soll uns in guter Erinnerung behalten.
Welche Rolle spielen Zeugnisse wirklich?
Für mich spielen Schulzeugnisse keine Rolle. Bei den Arbeitszeugnissen schaue ich nur, ob ich etwas zwischen den Zeilen lesen kann. Ansonsten kann man sich auf Arbeitszeugnisse nicht mehr verlassen. Oft werden bei Auflösungen von Arbeitsverträgen gute Arbeitszeugnisse vereinbart, die ArbeitnehmerInnen können gegen Arbeitszeugnisse vorgehen und einige Arbeitgeber lassen ihre MitarbeiterInnen die Zeugnisse selbst ausstellen.
Würden Sie sich als Bewerberin gerne sich selbst gegenüber sitzen?
Auf jeden Fall. Ganz wichtig ist mir eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Die BewerberInnen sollen sich bei uns wohlfühlen und dadurch die meist vorhandene Nervosität ablegen. Dadurch können sich die BewerberInnen öffnen und es entsteht ein interessantes Gespräch.
Welche Rolle spielt Social Media im Recruiting?
In meinen Augen spielt Social Media eine sehr große Rolle im Recruiting. Mit den klassischen Plattformen wie Stepstone, Indeed usw. werden nur BewerberInnen, die aktiv auf der Suche sind, erreicht. Bei Social Media werden die 70 %, die wechselwillig, aber nicht aktiv auf Jobsuche sind, angesprochen. Bei der Anzeige sollte ein Link für das Anhängen von Lebensläufen vorhanden sein, so dass der oder die BewerberIn sich mit nur einem Klick spontan bewerben kann. Wir müssen den Bewerbungsprozess so einfach wie möglich gestalten. Die Bereitschaft, sich stundenlang mit einer Bewerbung zu beschäftigen, wird immer geringer.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Recruiting?
Bei uns sind es die technischen Fachkräfte zu erhalten. Wir sind in der Zerspanungsbranche tätig. Der Arbeitsmarkt ist dadurch sehr begrenzt. Wir stehen mit unseren Wettbewerbern in Konkurrenz. Wir versuchen mit unserem Mutterkonzern in der Schweiz an unseren Rahmenbedingungen zu arbeiten, so dass wir konkurrenzfähig bleiben. Im Sommer ziehen wir um in unseren neuen Standort in Heimsheim. Hier können wir den MitarbeiterInnen, den zukünftigen BewerberInnen ein modernes und zeitgemäßes Arbeitsumfeld anbieten.
Das Interview führte Mirjam Müller
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