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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Deutschland vor Winter-Rezession mit Kaufkraftverlusten wie nie zuvor

Düstere Aussichten für die deutschen Wirtschaft: „Wir gehen in eine Winter-Rezession“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo-Konjunktur-Prognosen. 2023 wird die Wirtschaftsleistung demnach um 0,3 Prozent schrumpfen und die Inflation auf 9,3 Prozent zulegen. Für dieses Jahr erwartet ifo noch ein Wachstum von 1,6 Prozent bei durchschnittlicher Geldentwertung von 8,1 Prozent. Jetzt die mögliche gute Nachricht: Es könnte auch weniger heftig kommen. Und: „2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,5 Prozent Inflation“, sagt Wollmershäuser.
Zum Jahresende hin wird’s ungemütlich für die deutsche Wirtschaft: das ifo-Institut prognostiziert eine Winter-Rezession. ©Composing:GerdLache

Von Gerd Lache | 12.09.2022

Das ifo Institut hat seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum drastisch gekappt. Im Vergleich zum Juni senkt es seine Wachstumsprognose für 2023 deutlich um 4,0 Prozentpunkte und erhöht die Inflationsprognose kräftig um 6,0 Prozentpunkte. „Das sind ungewöhnlich hohe Änderungen in einem so kurzen Zeitraum“, sagt Wollmershäuser.

„Der Kaufkraftverlust, gemessen am Rückgang der realen Pro-Kopf-Löhne in diesem und im kommenden Jahr um jeweils etwa 3 Prozent, ist so hoch wie nie zuvor seit dem Beginn der heutigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahre 1970“, macht der ifo-Experte deutlich.

Die Energieversorger passten vor allem zu Jahresbeginn 2023 ihre Strom- und Gaspreise spürbar an die hohen Beschaffungskosten an. Das werde die Inflationsrate im ersten Vierteljahr sogar auf etwa 11 Prozent hochtreiben. Damit gingen die realen Haushaltseinkommen kräftig zurück und die Kaufkraft sinke spürbar. Das dritte Entlastungspaket der Regierung dürfte diesem Rückgang zwar etwas entgegenwirken, ihn aber bei weitem nicht ausgleichen, erklärt Wollmershäuser.

Hat die deutlich gekappte Prognose des ifo-Instituts bekannt gegeben: Konjunktur-Experte Timo Wollmershäuser. ©ifo

Im weiteren Verlauf 2023 schwäche sich der Preisanstieg jedoch allmählich ab. Die ifo-Experten gehen dabei von der Annahme aus, dass im Winter genügend Gas zur Verfügung steht. Unter dieser Voraussetzung könnte spätestens ab dem Frühjahr 2023 die Energiepreise fallen.

Unterdessen erwartet Wollmershäuser keine schweren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Der Beschäftigungsaufbau werde sich nur vorübergehend verlangsamen. Der Anstieg der Arbeitslosen um etwa 50.000 Personen im kommenden Jahr gehe vor allem auf den sprunghaften Anstieg der arbeitslosen ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Sommer 2022 zurück, die nur allmählich in den Arbeitsmarkt integriert würden.

Konsolidierung auf die lange Bank geschoben

Derweil werde der Staatshaushalt in diesem und in den kommenden beiden Jahren weiterhin mit durchschnittlich 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung im Defizit bleiben. Die Entlastungspakete, die steigenden Zinsausgaben und die konjunkturelle Abkühlung verschieben bis bislang erwartete Konsolidierung der Staatsfinanzen laut ifo „auf die lange Bank“.

Allerdings könnten die konjunkturellen Einschläge auch auch mehr oder weniger stark auftreten. Die ifo-Experten weisen auf die vielfältigen Risiken für die vorliegende Prognose hin.

So könnten sich vor allem die Annahmen über den weiteren Verlauf der Energiepreise und deren Überwälzung durch die Energieversorger an die Verbraucher  als falsch herausstellen. Dadurch könnten die Kaufkraftverluste der Haushalte mehr oder weniger groß ausfallen und die Konsumkonjunktur einen anderen Verlauf nehmen.

Entlastungspaket III noch eine Unbekannte

Hierbei spiele auch eine Rolle, in welcher Form der Staat in das Preisgeschehen eingreift. So sei zum Beispiel die im Entlastungspaket III anvisierte Strompreisgrenze sowie die Bezuschussung der Stromnetzentgelte nicht in der Prognose berücksichtigt, da die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen zum Zeitpunkt der Prognose-Erstellung zu ungenau gewesen sei. Dies dürfte den Preisanstieg abmildern und damit konjunkturstützend wirken.

Allerdings könnten die Energiepreise auch weiter steigen, sofern das Gasangebot im Winter doch zu knapp werde. Würde dann noch das Gas rationiert, könnte es neben höheren Kaufkraftverlusten und einer stärkeren Konsumeinschränkung zusätzlich zu Produktionsrückgängen in der Industrie kommen.

Wird die Sparquote sinken?

Unklar ist zudem, wie die privaten Haushalte auf die hohen Preisanstiege und die damit einhergehenden Liquiditätsengpässe reagieren. In der vorliegenden Prognose wurde unterstellt, dass sie ihr verfügbares Haushaltseinkommen vorübergehend durch eine verringerte Sparneigung anheben werden. Dies kann etwa dadurch erreicht werden, dass ein geringerer Betrag aus den monatlichen Einkommen zurückgelegt, bestehendes Finanzvermögen aufgelöst oder die Neuverschuldung erhöht wird. Dabei wurde angenommen, dass die Sparquote auf 8 Prozent in der ersten Jahreshälfte 2023 und damit deutlich unter den Mittelwert der Jahre vor der Corona-Krise von etwa 10,5 Prozent sinkt.

Nicht zuletzt sind der weitere Verlauf der Lieferkettenproblematik und der Corona-Pandemie noch nicht einzuschätzende Größen.

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