Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
01.08.2022
Rolf Geisel führt sein Lebenswerk im Sinne des Unternehmensgründers Friedrich Boysen fort. Das nächste Ziel: die Transformation vom Abgastechnik-Spezialisten zu einem Innovationsführer im Bereich der Umwelttechnik.
Rolf Geisel, der am 7. Juni 1956 in Simmersfeld-Ettmannsweiler (Landkreis Calw) und damit nur wenige Kilometer von der Firma Boysen entfernt zur Welt kommt, ist ein echtes Eigengewächs. Seine Lehre schließt der Sohn eines Schuhmachers in Theorie und Praxis jeweils mit 1,0 ab. Weil das von ihm angestrebte Studium aus familiären Gründen nicht möglich ist, bleibt er in seinem Lehrbetrieb und bildet sich nebenberuflich zum REFA-Techniker fort.
Zwischen September 1974 und Oktober 1978 ist er bei Boysen zunächst in der Arbeitsvorbereitung tätig, ehe er als gerade einmal 22-Jähriger die Betriebsleitung des Werks in Altensteig-Walddorf übernimmt. Die marode Teilefabrik macht er in den nächsten sieben Jahren zum Vorzeigebetrieb und begründet damit seinen späteren Ruf als Produktionsprofi.
Nachdem Firmenchefin Elisabeth Boysen mit externer Unterstützung nicht vorankommt, setzt sie voll auf das Eigengewächs: Bereits ab 1982 trifft Geisel bei Boysen alle wesentlichen Entscheidungen, ab September 1985 schließlich in offizieller Funktion als Geschäftsführer. Zu dieser Zeit erwirtschaftet das Unternehmen mit 450 Mitarbeitern an vier lokalen Standorten einen Umsatz von rund 60 Millionen D-Mark.
Als Mitglied der Geschäftsleitung übernimmt Rolf Geisel von Elisabeth Boysen ab 1985 schnell weite Teile des Tagesgeschäfts und damit auch der wichtigen Zukunftsentscheidungen. Sein Leitsatz: „Ohne Risiko keine Zukunft.“
In seiner neuen Funktion verordnet er Boysen den Einstieg in die Abgasreinigung sowie den Ausbau und die Modernisierung der Produktion. Anfang der 1990er Jahre baut Boysen in Altensteig das erste Entwicklungszentrum mitsamt Erprobungseinrichtungen wie Fahrzeugakustik- und Dauerlaufprüfständen.
Premium-Marken als Kunden
Zur gleichen Zeit überzeugt Rolf Geisel den damaligen Hauptkunden BMW von seiner Idee, komplette Abgasanlagen Just-in-Sequence (JIS) direkt ans Montageband des Automobilherstellers zu liefern. Durch die Einführung des JIS-Prinzips und die damit erforderliche Nähe zur jeweiligen Produktionsstätte des Kunden nimmt die Globalisierung der Unternehmensgruppe ihren Lauf.
Neben Audi und BMW wird einige Jahre später auch Mercedes-Benz als Kunde gewonnen. Von 2006 an kommen die ersten Aufträge von der Premiummarke mit dem Stern, die unlängst zu den wichtigsten Kunden zählt.
Umsatzhürde von 3 Milliarden Euro im Visier
Seit dem Tod von Elisabeth Boysen im Jahr 2006 führt Rolf Geisel als alleiniger Geschäftsführer die Tradition des Familienunternehmens fort. Es wurde bereits 1997 in eine Doppelstiftung überführt. Bis heute baut er die Firma zur international agierenden Unternehmensgruppe mit weltweit 25 Standorten, 5.300 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von zuletzt 2,8 Milliarden Euro aus. Im laufenden Geschäftsjahr soll die Umsatzhürde von drei Milliarden Euro genommen werden.
Wenn Rolf Geisel Jahrzehnte später auf seinen außergewöhnlichen Werdegang angesprochen wird, spricht er meist schelmisch lächelnd „vom Glück, wohl als schnellster über den Hof gelaufen zu sein, als Frau Boysen damals gerade aus dem Fenster ihres Büros geschaut hat“. Eine andere Aussage von ihm trifft das Geheimnis seines Erfolges wohl weitaus besser: „Ich bin mit viel Druck aufgewachsen. Dass ich etwas aus mir machen wollte, steht außer Frage.“
Grüner Strom für den Nordschwarzwald
Auf Wunsch des Boysen Verwaltungsrates wird Rolf Geisel sein Lebenswerk auch die nächsten Jahre weiter fortführen. Im Automotive-Geschäft setzt er auf Produkttransfers hin zur E-Mobilität – und damit unter anderem auf Strukturbauteile und Batteriegehäuse. Darüber hinaus sieht Geisel die Zukunft von Boysen im Bereich der Energietechnik: Nach dem Einstieg ins Geschäft mit stationären Flüssigbatteriespeichern soll im kommenden Herbst Baubeginn für das Boysen-eigene Wasserstoffzentrum in Simmersfeld (Landkreis Calw/Nordschwarzwald) sein. Damit nicht genug plant er ebenfalls in Simmersfeld einen 15 Hektar großen Wind- und Solarpark, der den gesamten Nordschwarzwald mit Grünem Strom versorgen soll.
Auf die Frage, warum er nach 50 Jahren weitermacht, statt die Früchte seiner Arbeit zu genießen, entgegnet Geisel: „Weil das meine Aufgabe ist. Meine lange Dienstzeit steht auf Kundenseite für Sicherheit und Beständigkeit. Folglich hat mein Wort auch dann Gewicht, wenn ich unseren Kunden etwas verspreche, was wir bislang noch nie für sie gemacht haben. In Zeiten der technologischen Transformation und mit Blick auf den Erhalt unserer Arbeitsplätze ist das für Boysen ein wesentlicher Faktor.“
Mehrfache Auszeichnungen
Für seine Verdienste als Unternehmer und Förderer wird Rolf Geisel mehrfach ausgezeichnet: Neben der Ehrenmedaille der IHK Nordschwarzwald (2016) und der Wirtschaftsmedaille des Landkreises Calw (2018) wird ihm 2013 von der Stadt Altensteig die Bürgermedaille in Gold verliehen. Und er ist auch Träger eines besonderen Titels: 2012 ernennt die Universität Stuttgart Rolf Geisel zum „Senator ehrenhalber“ und würdigt damit „die herausragenden Leistungen eines brillanten Technikers, Unternehmers und Ingenieurs“. Typisch für ihn, dass ihn diese Auszeichnung zwar rührt, er diesen Titel jedoch weder auf einer Visitenkarte noch auf einem Briefkopf mitführt.
Ehrenbürger von Altensteig
Vorläufiger Höhepunkt: Anlässlich des Festakts „100 Jahre Boysen Abgastechnik“ wird Rolf Geisel im vergangenen November zum Ehrenbürger der Stadt Altensteig ernannt. Im Goldenen Buch der Stadt hält er dazu fest: „Voller Dank, dass das Leben mir eine Aufgabe gegeben hat. Voller Freude, dass ich meiner Verantwortung gerecht geworden bin.“
(pm/gel)
01.08.2022
Rolf Geisel führt sein Lebenswerk im Sinne des Unternehmensgründers Friedrich Boysen fort. Das nächste Ziel: die Transformation vom Abgastechnik-Spezialisten zu einem Innovationsführer im Bereich der Umwelttechnik.
Rolf Geisel, der am 7. Juni 1956 in Simmersfeld-Ettmannsweiler (Landkreis Calw) und damit nur wenige Kilometer von der Firma Boysen entfernt zur Welt kommt, ist ein echtes Eigengewächs. Seine Lehre schließt der Sohn eines Schuhmachers in Theorie und Praxis jeweils mit 1,0 ab. Weil das von ihm angestrebte Studium aus familiären Gründen nicht möglich ist, bleibt er in seinem Lehrbetrieb und bildet sich nebenberuflich zum REFA-Techniker fort.
Zwischen September 1974 und Oktober 1978 ist er bei Boysen zunächst in der Arbeitsvorbereitung tätig, ehe er als gerade einmal 22-Jähriger die Betriebsleitung des Werks in Altensteig-Walddorf übernimmt. Die marode Teilefabrik macht er in den nächsten sieben Jahren zum Vorzeigebetrieb und begründet damit seinen späteren Ruf als Produktionsprofi.
Nachdem Firmenchefin Elisabeth Boysen mit externer Unterstützung nicht vorankommt, setzt sie voll auf das Eigengewächs: Bereits ab 1982 trifft Geisel bei Boysen alle wesentlichen Entscheidungen, ab September 1985 schließlich in offizieller Funktion als Geschäftsführer. Zu dieser Zeit erwirtschaftet das Unternehmen mit 450 Mitarbeitern an vier lokalen Standorten einen Umsatz von rund 60 Millionen D-Mark.
Als Mitglied der Geschäftsleitung übernimmt Rolf Geisel von Elisabeth Boysen ab 1985 schnell weite Teile des Tagesgeschäfts und damit auch der wichtigen Zukunftsentscheidungen. Sein Leitsatz: „Ohne Risiko keine Zukunft.“
In seiner neuen Funktion verordnet er Boysen den Einstieg in die Abgasreinigung sowie den Ausbau und die Modernisierung der Produktion. Anfang der 1990er Jahre baut Boysen in Altensteig das erste Entwicklungszentrum mitsamt Erprobungseinrichtungen wie Fahrzeugakustik- und Dauerlaufprüfständen.
Premium-Marken als Kunden
Zur gleichen Zeit überzeugt Rolf Geisel den damaligen Hauptkunden BMW von seiner Idee, komplette Abgasanlagen Just-in-Sequence (JIS) direkt ans Montageband des Automobilherstellers zu liefern. Durch die Einführung des JIS-Prinzips und die damit erforderliche Nähe zur jeweiligen Produktionsstätte des Kunden nimmt die Globalisierung der Unternehmensgruppe ihren Lauf.
Neben Audi und BMW wird einige Jahre später auch Mercedes-Benz als Kunde gewonnen. Von 2006 an kommen die ersten Aufträge von der Premiummarke mit dem Stern, die unlängst zu den wichtigsten Kunden zählt.
Umsatzhürde von 3 Milliarden Euro im Visier
Seit dem Tod von Elisabeth Boysen im Jahr 2006 führt Rolf Geisel als alleiniger Geschäftsführer die Tradition des Familienunternehmens fort. Es wurde bereits 1997 in eine Doppelstiftung überführt. Bis heute baut er die Firma zur international agierenden Unternehmensgruppe mit weltweit 25 Standorten, 5.300 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von zuletzt 2,8 Milliarden Euro aus. Im laufenden Geschäftsjahr soll die Umsatzhürde von drei Milliarden Euro genommen werden.
Wenn Rolf Geisel Jahrzehnte später auf seinen außergewöhnlichen Werdegang angesprochen wird, spricht er meist schelmisch lächelnd „vom Glück, wohl als schnellster über den Hof gelaufen zu sein, als Frau Boysen damals gerade aus dem Fenster ihres Büros geschaut hat“. Eine andere Aussage von ihm trifft das Geheimnis seines Erfolges wohl weitaus besser: „Ich bin mit viel Druck aufgewachsen. Dass ich etwas aus mir machen wollte, steht außer Frage.“
Grüner Strom für den Nordschwarzwald
Auf Wunsch des Boysen Verwaltungsrates wird Rolf Geisel sein Lebenswerk auch die nächsten Jahre weiter fortführen. Im Automotive-Geschäft setzt er auf Produkttransfers hin zur E-Mobilität – und damit unter anderem auf Strukturbauteile und Batteriegehäuse. Darüber hinaus sieht Geisel die Zukunft von Boysen im Bereich der Energietechnik: Nach dem Einstieg ins Geschäft mit stationären Flüssigbatteriespeichern soll im kommenden Herbst Baubeginn für das Boysen-eigene Wasserstoffzentrum in Simmersfeld (Landkreis Calw/Nordschwarzwald) sein. Damit nicht genug plant er ebenfalls in Simmersfeld einen 15 Hektar großen Wind- und Solarpark, der den gesamten Nordschwarzwald mit Grünem Strom versorgen soll.
Auf die Frage, warum er nach 50 Jahren weitermacht, statt die Früchte seiner Arbeit zu genießen, entgegnet Geisel: „Weil das meine Aufgabe ist. Meine lange Dienstzeit steht auf Kundenseite für Sicherheit und Beständigkeit. Folglich hat mein Wort auch dann Gewicht, wenn ich unseren Kunden etwas verspreche, was wir bislang noch nie für sie gemacht haben. In Zeiten der technologischen Transformation und mit Blick auf den Erhalt unserer Arbeitsplätze ist das für Boysen ein wesentlicher Faktor.“
Mehrfache Auszeichnungen
Für seine Verdienste als Unternehmer und Förderer wird Rolf Geisel mehrfach ausgezeichnet: Neben der Ehrenmedaille der IHK Nordschwarzwald (2016) und der Wirtschaftsmedaille des Landkreises Calw (2018) wird ihm 2013 von der Stadt Altensteig die Bürgermedaille in Gold verliehen. Und er ist auch Träger eines besonderen Titels: 2012 ernennt die Universität Stuttgart Rolf Geisel zum „Senator ehrenhalber“ und würdigt damit „die herausragenden Leistungen eines brillanten Technikers, Unternehmers und Ingenieurs“. Typisch für ihn, dass ihn diese Auszeichnung zwar rührt, er diesen Titel jedoch weder auf einer Visitenkarte noch auf einem Briefkopf mitführt.
Ehrenbürger von Altensteig
Vorläufiger Höhepunkt: Anlässlich des Festakts „100 Jahre Boysen Abgastechnik“ wird Rolf Geisel im vergangenen November zum Ehrenbürger der Stadt Altensteig ernannt. Im Goldenen Buch der Stadt hält er dazu fest: „Voller Dank, dass das Leben mir eine Aufgabe gegeben hat. Voller Freude, dass ich meiner Verantwortung gerecht geworden bin.“
(pm/gel)
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