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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Mannheimer Traditionsfirma feiert 100-jährige Geschichte

DIRINGER & SCHEIDEL gehört in Deutschland zu den bedeutenden Familienunternehmen, wenn unter oder über der Erde gebaut wird. In 100 Jahren haben die Gesellschafterfamilien aus einem kleinen Baugeschäft eine Unternehmensgruppe entwickelt, die mit über 3.800 Mitarbeitern deutschlandweit zu den großen mittelständischen Unternehmen in der Bau- und Immobilienwirtschaft gehört, Hotels und Pflegeheime betreibt – und sogar Roboter entwickelt und baut.
Feiern 100 Jahre DIRINGER & SCHEIDEL (von links): Karlheinz Heffner, Elisabeth Heffner, Tobias Volckmann, Achim Ihrig, oben: Heinz Scheidel. Foto: Thomas Raffler für DIRINGER & SCHEIDEL

Wenn am zweiten Juliwochenende 2022 der Bauhof von DIRINGER & SCHEIDEL, am Hauptsitz in Mannheim, zur Festmeile für Mitarbeiter und Ehrengäste wird, dann ist das eine Geburtstagsfeier mit Verspätung. Wegen der Corona-Pandemie hatten sich die Unternehmerfamilien entschieden, statt in 2021 erst in diesem Jahr zu feiern.

Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg 1949-1950: Eine der ersten D&S-Baustellen ist die der Landmann-Druckerei in der Mannheim-Neckarauer Rheingoldstraße, das Foto gleichsam eines der ersten aus dem Unternehmensarchiv. Foto: DIRINGER & SCHEIDEL Unternehmensgruppe

Was der Großvater von Heinz Scheidel, Franz-Anton Diringer, ins Leben rief, haben zunächst Scheidels Vater Heinrich und seine Mutter Elisabeth, sowie ab den 1960er Jahren er selbst mit seiner Schwester Elisabeth Heffner und heute die Familienmitglieder im ManagementBoard – mit seinem Neffen Karlheinz Heffner und den Schwiegersöhnen Achim Ihrig und Tobias Volckmann – groß und stark gemacht.

Die Geschäftsleitung des Familienunternehmens DIRINGER & SCHEIDEL: Heinz Scheidel (2. v. l.) mit seinen Schwiegersöhnen Tobias Volckmann (ganz links), Achim Ihrig (ganz rechts) und Neffe Karlheinz Heffner (2. v. r.). Foto: Thomas Tröster für DIRINGER & SCHEIDEL

Wie jedes „Jahrhundert-Unternehmen“ hatten auch die Neckarauer wirtschaftlich aufgewühlte Gewässer zu durchfahren. Und auch jetzt fällt das Fest in unruhige Zeiten. Die Pandemie ist noch nicht vorüber, der
Ukraine-Krieg hat weltweite Auswirkungen und es herrscht ein Fachkräftemangel.

Die aktuell undurchsichtige Marktsituation wird wohl in eine sehr deutliche Abkühlung der Gesamtwirtschaft münden, die uns in der Bauwirtschaft mit zwei, drei Jahren Verzögerung trifft.

Heinz Scheidel, Vorsitzender des Management Boards

Aufgrund der hohen Diversifikation in der Unternehmensgruppe sieht sich DIRINGER & SCHEIDEL dennoch auch unter diesen Rahmenbedingungen für die Zukunft gut aufgestellt.

„Vor etwa 25 Jahren haben wir den wohl größten Schritt Richtung Diversifikation gewagt“, schildert Achim Ihrig, zuständig für den Dienstleistungsbereich und Projektentwicklungen. Der Schwiegersohn von Heinz Scheidel erläutert: „Heute bedienen wir neben der Bau- und
Techniksparte auch den Pflegebereich und die Hotellerie und profitieren davon, dass ein Segment oft in der Lage ist, ein anderes auszugleichen, wenn die Zeiten rauer werden, wie im Moment.“
Der Dienstleistungsbereich werde weiter wachsen, so Achim Ihrig, doch die fachlichen Anforderungen würden noch schneller steigen: „Von der Politik war der Dienstleistungsbereich in der Vergangenheit stets im Niedriglohnsektor angeordnet worden. Gefördert wurden IchAGs und Minijobs, Teilzeit-Arbeit wurde forciert. Man hat mehr auf Quantität und Masse statt auf Qualität gesetzt. Künftig rückt die Qualität, also gut ausgebildete Fachkräfte, in den Fokus. Das Thema Aus- und Weiterbildung wird immer wichtiger – und ob des Fachkräftemangels in vielen Bereichen kommen wir auch nicht umhin, völlig neue Wege zu gehen.“

Für die Ausbildung von Pflegekräften etwa entwickelt DIRINGER & SCHEIDEL gemeinsam mit einem Start-up in Zeitz bei Leipzig Virtual-Reality-Systeme, in der Auszubildende an einem virtuellen
Patienten Pflegetechniken üben können – vergleichbar mit einem Piloten im Flugsimulator.
Auch in den Pflegeheimen selbst könnte Virtual Reality bald Einzug halten: DIRINGER & SCHEIDEL prüft derzeit ein System, mit dem Bewohnerinnen und Bewohner, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, per VR-Brille beispielsweise an Orte reisen können, wo sie früher
Urlaub gemacht haben. Diese VR-Brillen sind besonders seniorengerecht, verzichten etwa auf Verbindungskabel oder haben ausbalancierte Headsets mit geringem Gesamtgewicht. Es ist keine Software zu starten, das Einschalten der Brille reicht.

Seit 67 Jahren ist Elisabeth Heffner „im Geschäft“, wie sie sagt. „Und obwohl meine Eltern das Unternehmen führten, waren mein Bruder und ich
früh aktiv eingebunden.“ Für das Familienunternehmen hatte sie aber auch schon vorher gearbeitet. Noch während ihrer Schulzeit erledigte sie am Nachmittag Büroaufgaben: Für Urlaubskarten waren auf der Sparkasse
entsprechende Marken zu kaufen, für Rentenkarten ein Gang aufs Rathaus notwendig und zur örtlichen AOK brachte Elisabeth Heffner
Krankenscheine und Krankmeldungen der Mitarbeiter.
Im Alter von 15 Jahren trat sie in die Firma ein: „Ich hatte schnell den Einkauf übernommen und durfte da auch schon sehr früh selbstständig Entscheidungen treffen, beispielsweise, an wen wir Einkaufsaufträge vergeben. Natürlich habe ich mich bei meinem Vater auch hin und
wieder rückversichert, er aber entgegnete: ,Mach‘ das ruhig, wie Du es für richtig hältst. Du musst lernen, Entscheidungen zu treffen.‘“ Im Büro entwickelte sich Elisabeth Heffner schnell zur Alleskönnerin: „In dem damals noch vergleichsweise kleinen Betrieb musste man überall
aushelfen können.“ Und als Frau in der Männerdomäne Bau lernte Elisabeth Heffner schnell, sich durchzusetzen. Diplomatisch sagt sie heute: „Für die Männer war das schon sehr ungewöhnlich, dass ein junges Mädchen wie ich die Verkaufsgespräche führte und letztlich
auch die Einkaufsentscheidungen traf.“

Vier Generationen der Familie haben inzwischen das Unternehmen geprägt und einige Enkel von Heinz Scheidel und seiner Schwester Elisabeth Heffner sind bereits in entsprechenden Studiengängen unterwegs. „Meine Schwester ist, wie ich, noch jeden Tag in der Firma. Sie ist und bleibt die gute Seele des Betriebs!“ Werden die beiden in den kommenden Jahren etwas kürzer treten? „Vielleicht“, schmunzelt Heinz Scheidel.

pm/tm

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