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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Hinweisgeberschutz- gesetz im Fokus: Ein Interview mit Experte Karl Würz

In einem exklusiven Interview mit Diplom-Verwaltungswirt Karl Würz, dem Geschäftsführer der equeo CompCor GmbH, mit Standorten in Berlin und Remchingen, tauchen wir tief in die Welt des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) ein. Im Rahmen unseres Gesprächs teilt Karl Würz spannende Einblicke in die Meldepflicht, Datenschutzaspekte und die besonderen Herausforderungen, denen sich kleine und mittlere Unternehmen gegenübersehen.
Symbolbild. Bild: equeo CompCor GmbH

07.11.2023

WirtschaftsKraft: Könnten Sie uns eine kurze Einführung in das Hinweisgeberschutzgesetz geben? Welche sind die zentralen Eckpunkte dieses Gesetzes?

Karl Würz: Mit dem deutschen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vom 31. Mai 2023 wird die EU-Whistleblower- Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in nationales Recht umgesetzt. Das HinSchG ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten.

Mit diesem Hinweisgeberschutzgesetz soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von hinweisgebenden Personen ausgebaut werden. Der Schutz hinweisgebender Personen und sonstiger von einer Meldung betroffener Personen soll gestärkt und es soll sichergestellt werden, dass ihnen im Rahmen der Vorgaben dieses Gesetzes keine Benachteiligungen drohen.

Bislang existierte in Deutschland kein umfassendes, einheitliches Hinweisgeberschutzsystem. Hinweisgebende Personen (Whistleblower) können allerdings wertvolle Beiträge dazu leisten, das Fehlverhalten natürlicher oder juristischer Personen aufzudecken und die negativen Folgen dieses Fehlverhaltens einzudämmen beziehungsweise zu korrigieren. In der Vergangenheit war es immer wieder zu Fällen gekommen, in denen hinweisgebende Personen Nachteile zu erleiden hatten. In anderen Fällen ist davon auszugehen, dass Personen mit Insiderwissen von einer Meldung abgesehen haben, weil sie Repressalien fürchteten.

WirtschaftsKraft: Warum ist der Schutz von Hinweisgebern für Unternehmen und die Wirtschaft im Allgemeinen so wichtig?

Karl Würz: Ein gut organisiertes Unternehmen orientiert sich an allen geltenden gesetzlichen und behördlichen Regeln und richtet auch die internen Regelungen daran aus. Die Compliance Maßnahmen unterstützen dabei die Ziele des Unternehmens und aller Beschäftigten durch Verfahren und Maßnahmen zur Sicherung von Rechtskonformität und Redlichkeit.

Wer unredlich handelt oder Rechtsregeln verletzt, wird auf Dauer keinen Erfolg haben und muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen, insbesondere die Öffentlichkeit, die Kunden, Behörden, die Beschäftigten, Arbeitnehmervertreter und Geschäftspartner erwarten ein regelkonformes Verhalten.

Compliance geht deshalb alle an und ist Aufgabe jedes Beschäftigten. Geschäftsführung und Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion und tragen eine besondere Verantwortung für die Einhaltung der Compliance-Grundsätze. Neben Regeltreue und Redlichkeit gehören zu Compliance sowohl der respektvolle und diskriminierungsfreie Umgang miteinander in allen Bereichen als auch der konsequente Umgang mit Compliance-Verstößen.

Deshalb ist es wichtig, Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, dass Compliance Angelegenheiten rechtzeitig offengelegt und angesprochen werden können.

Weil die richtige Antwort in möglichen schwierigen Situationen nicht immer auf der Hand liegt, sind alle Beschäftigten aufgefordert, sich frei zu äußern, um ihre Fragen und Bedenken zu klären oder auf aus ihrer Sicht compliancerelevante Missstände hinzuweisen. Hierbei ist es von besonderer Bedeutung, dass sich alle Beschäftigten bewusst sind, dass Nachfragen oder Hinweise zu einem möglichen Fehlverhalten als Bestandteil einer Fehlerkultur ein wichtiges Frühwarnsystem darstellen können.

Tatsächlich beginnt für Mitarbeitende bei einem Missstand oder Konflikt im Unternehmen oftmals ein Dilemma.

  • Einerseits wäre es natürlich ehrlich und richtig auf den Missstand hinzuweisen und so zur Verbesserung des eigenen Unternehmens beizutragen.
  • Andererseits ist aber auch die Angst groß, dass man als hinweisgebende Person negative Konsequenzen am Arbeitsplatz erfahren muss.

Oftmals besteht bei der betroffenen Personen die Ängste, dass bei einem Hinweis  Repressalien oder  Mobbing drohen oder auch die Sorge, durch einen Hinweis gegen  arbeits-, dienst oder strafrechtliche Bestimmungen zu verstoßen.

Und genau hier soll das Hinweisgeberschutzgesetz Abhilfe schaffen. Der Schutz von hinweisgebenden und betroffenen Personen soll gestärkt und Benachteiligungen unterbunden werden.

WirtschaftsKraft: Ist das Thema Hinweisgeberschutzgesetz inzwischen bei den Unternehmen angekommen? Wie ist Ihr Eindruck?

Bei großen Unternehmen ist das Thema schon seit längerer Zeit im Blick, diese verfügen in der Regel bereits über entsprechende Hinweisgebersysteme.

Durch das Hinweisgeberschutzgesetz wird nun aber der Kreis der betroffenen Unternehmen erheblich erweitert, ab Dezember 2023 gilt die Verpflichtung, eine interne Meldestelle im Sinne des HinSchG einzurichten, für alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Gerade bei den kleineren Unternehmen ist dies noch nicht im Fokus.

WirtschaftsKraft: Welche Unternehmen sind künftig verpflichtet, eine Meldestelle einzurichten, und wie sollte diese konkret gestaltet sein? Welche Mitarbeiter können eine interne Meldestelle leiten?

Mit dem HinSchG wird eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sogenannte „interne Meldestelle“) eingeführt: 

  • für Beschäftigungsgeber mit mehr als 250 Mitarbeitende sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, also seit dem 02. Juli 2023.
  • für kleinere Beschäftigungsgeber mit mehr als 50 Mitarbeitende (und bis 249 Mitarbeitende) ab dem 17. Dezember 2023.

Unternehmen mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden können gem. § 14 Abs. 2 HinSchG-E eine „gemeinsame Meldestelle“ betreiben. 

Für Gemeinden und Gemeindeverbände richtet sich die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen nach dem jeweiligen Landesrecht, da dem Bund insoweit infolge des „Durchgriffsverbots“ eine unmittelbare Aufgabenübertragung an Gemeinden und Gemeindeverbände verwehrt ist.

Im jeweiligen Landesrecht kann vorgesehen werden, dass Gemeinden und Gemeindeverbände mit weniger als 10 000 Einwohnern von der Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ausgenommen werden. Hier werden also zeitnah noch Landesgesetze der Bundesländer zu erlassen sein. 

WirtschaftsKraft: Welche Rolle spielt der Datenschutz im Kontext des Hinweisgeberschutzgesetzes? Welche Daten dürfen erhoben und verarbeitet werden?

Karl Würz: Nach Auffassung der deutschen Datenschutzbehörden ist die Einrichtung und Nutzung firmeninterner Meldekanäle „unter besonderer Berücksichtigung des von dem Unternehmen verfolgten Zwecks und der Einrichtungsmodalitäten datenschutzgerecht“ möglich. Da nach Auffassung der DSK die Meldung von Missständen ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen birgt, bedarf es im Einzelfall einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA).

Informationen hierzu enthält die „Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden zu Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz“ . Gerade bei der Ausgestaltung der Meldekanäle sind deshalb die Anforderungen an den Schutz der Vertraulichkeit und der Daten von besonderer Bedeutung.

WirtschaftsKraft: Stellt das Hinweisgeberschutzgesetz insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor große Herausforderungen?

Karl Würz: Gem. § 15 HinSchG müssen die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein. Sie können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Es ist dabei allerdings sicherzustellen, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen. 

Darüber hinaus ist das Unternehmen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.  

Was bedeutet „Fachkunde“? Dies erläutert der Gesetzgeber leider nicht konkreter.

Letztendlich umfasst dies nach unserer Auffassung Erfahrungswerte bei der Entgegennahme vertraulicher Hinweise, insbesondere Erfahrungen in der Gesprächsführung mit hinweisgebenden Personen sowie Erfahrungen mit der Bewertung der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Hinweises bzw. der hinweisgebenden Person.

Deshalb stellt sich für kleinere oder mittlere Unternehmen die Frage, ob bei der zu erwartenden geringen Anzahl von Hinweisen (siehe nachfolgend) es sinnvoll ist, eine interne Person mit der Bearbeitung von Hinweisen zu beauftragen und diese Person entsprechend zu qualifizieren. Es wird i. d. R. effizienter sein, eine erfahrene externe Ombudsperson mit der Entgegennahme und ersten Bearbeitung von eingehenden Hinweisen zu beauftragen. Die Ombudsperson, die den Hinweis in diesem Fall entgegennimmt und bearbeitet, ist aber ein zur Wahrheit verpflichteter Zeuge. Auch einem Rechtsanwalt stehen in dieser Phase keine besonderen Zeugnisverweigerungsrechte zu, siehe hierzu Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 27.6.2018, 2 BvR 1405/17). Deshalb nennt der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung zu § 14 HinSchG als mögliche Dritte, die eine interne Meldestelle betreiben können, externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter. 

WirtschaftsKraft: Welche Empfehlungen haben Sie für Unternehmen, um sicherzustellen, dass sie die Bestimmungen des Hinweisgeberschutzgesetzes effektiv umsetzen und Hinweisgeber angemessen schützen?

Karl Würz: Intuitiv wird wohl seitens der Unternehmen zunächst eine interne und kostengünstige Lösung angestrebt. Werden die möglichen Meldekanäle jedoch vor dem Hintergrund der Anforderungen der EU-Richtlinie und des HinSchG betrachtet, stößt man auf Konfliktfelder:

Bei der Einrichtung einer internen E-Mail-Adresse oder internen Telefonnummer für die vertrauliche Meldung von Hinweisen kann i. d. R. nicht garantiert werden, dass nicht zuständige Personen (hier das IT-Personal des Unternehmens mit seinen administrativen Rechten) in das System eingreifen können und Kenntnis vom Anrufer (über die Rufnummer) oder sogar vom Inhalt des Hinweises erhalten (durch Zugriff auf den Mail-Server). Dies widerspricht jedoch dem Gebot des Gesetzes, dass nicht befugte Mitarbeiter keinen Zugriff auf die übermittelten Meldungen haben dürfen.

Faktisch verbleiben also wenige Optionen: 

WirtschaftsKraft: Welche Vorteile bietet das Hinweisgeberschutzgesetz für Unternehmen?

Karl Würz: Ein Hinweisgeberverfahren stellt das Frühwarnsystem innerhalb des Unternehmens dar. Wenn sich Beschäftigte frühzeitig melden, um auf mögliche Fehlentwicklungen hinzuweisen, können Schäden für das Unternehmen in der Frühphase erkannt und minimiert werden.

Letztendlich zeigen alle großen Compliance-Skandale der letzten Jahre in der Nachbetrachtung auf, dass in dem Unternehmen dies durchaus vorher intern bekannt war, man aber nicht rechtzeitig auf die Fehlentwicklungen reagiert hat.

WirtschaftsKraft: Wäre eine bekannte Persönlichkeit wie Edward Snowden durch das Hinweisgeberschutzgesetz ebenfalls geschützt?

Karl Würz: Auf der Basis der heutigen Regelungen wäre ein Hinweisgeber wie E. Snowden durchaus geschützt, wenn er sich an die interne oder externe Meldestellen wendet.

WirtschaftsKraft: Mit welchen Strafen müssen Unternehmen rechnen, wenn sie keine Meldestelle einrichten?

Karl Würz: Das HinSchG enthält auch Bußgeldregelungen, die teilweise aber erst ab dem 01. Dezember 2023 gelten. Wenn betroffene Unternehmen und Vereine die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle nicht umsetzen, besteht ab dem 01. Dezember 2023 die Gefahr eines Bußgeldverfahrens mit einer maximalen Bußgeldhöhe von 50.000,- €.

WirtschaftsKraft: Haben Sie weitere Ergänzungen, die für die LeserInnen wichtig sind?

Karl Würz: Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält auch eine Regelung, die in dieser Form bislang in Deutschland nicht geregelt war.
Eine hinweisgebende Person ist nicht geschützt, wenn Sie vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unrichtige Informationen mitteilt. In diesem Fall ist die hinweisgebende Person zur Erstattung des dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet (§ 38 HinSchG). Damit liegt eine Regelung vor, so dass gegen Denunzianten vorgegangen werden kann.

Da die Regelungen nun auch für kleinere Unternehmen ab Dezember 2023 gelten, sollen Sie sich rechtzeitig auf die Umsetzung vorbereiten. Bitte berücksichtigen Sie bei der Zeitplanung auch, dass ein solches Hinweisgeberverfahren in der Regel der Mitbestimmung unterliegt.

Die Fragen stellte Tanja Meckler.

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