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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Von Zukunftskunst und Herausforderungen: Uwe Schneidewind im Studium Generale

Im Rahmen des Studium Generale der Hochschule Pforzheim teilte Professor Uwe Schneidewind seine Einsichten und Überlegungen zur Gestaltung zukünftiger Städte. Als ehemaliger Leiter des renommierten Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie sowie als Stadtoberhaupt einer bedeutenden Stadt in Nordrhein-Westfalen bringt er sowohl theoretische als auch praktische Expertise in die Diskussion ein.
Prof. Uwe Schneidewind referierte an der Hochschule Pforzheim über Zukunftsvisionen und Herausforderungen in Bezug auf nachhaltige Stadtentwicklung. Foto: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim

29.04.2024

„Transformation ist wirklich schwieriger, als man es sich in seinen eigenen Büchern vorstellt.“

So lautete das Fazit des Wuppertaler Oberbürgermeisters nach seinem Vortrag in Pforzheim.

Professorin Frauke Sander (links) und Hochschulrektor Prof. Ulrich Jautz (rechts) freuen sich über den Vortrag des Wuppertaler Oberbürgermeisters Prof. Dr. Uwe Schneidewind beim Studium Generale. Foto: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim

Überlegungen zur „Zukunftsstadt“ sind kein Phänomen unserer Zeit – im Verlauf der Geschichte haben Menschen immer wieder Visionen zum Wandel ihrer Umgebung und Lebenswelt entwickelt. So erarbeitet zum Beispiel Erich Kästner in seinem 1932 erschienen Kinderbuch „35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ die Idealvorstellung einer vollautomatisierten Stadt und beschreibt darin bereits Technologien wie autonom fahrende Autos. Aus heutiger Sicht liegt der Fokus der Transformation im Vergleich dazu deutlich weniger auf Technologien, vielmehr rücken Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr in den Mittelpunkt. Die Eigenschaften einer solchen nachhaltigen Stadt und Entwicklungsschritte dorthin wurden in den letzten Jahrzehnten in der Wissenschaft immer wieder erforscht und beschrieben.

Bleibt die zentrale Frage: Woran hapert es in der Umsetzung? Antworten darauf lieferte Professor Uwe Schneidewind im Rahmen seines Vortrags im Studium Generale der Hochschule Pforzheim. „Heute geht es um Fragestellungen wie uns in unserem demokratischen, aber eben auch bürokratischen System die Transformation gelingt: wie sieht ein „gerechter“ Wandel aus und wessen Interessen müssen wir hierbei berücksichtigen?“, fasste es Professorin Frauke Sander zur Begrüßung im gut gefüllten Audimax zusammen.

Die Kunst der Zukunftsgestaltung: Eine multidimensionale Perspektive

Schneidewind betont die Notwendigkeit eines multidimensionalen Ansatzes zur Gestaltung nachhaltiger Städte. Dabei spielt der Begriff der „Zukunftskunst“ eine zentrale Rolle. „Zukunftskunst bedeutet, Veränderungen nicht nur analytisch zu betrachten, sondern sie in den Kategorien der Kunst zu erfassen und zu gestalten. Es geht um die Nutzung von Energien, Kraft und Rhythmus, sowie um die ästhetische Dimension von Veränderungsprozessen“, so der Wuppertaler Oberbürgermeister.

Vier Dimensionen der Transformation

Schneidewind identifiziert vier zentrale Dimensionen, die bei der Gestaltung zukünftiger Städte berücksichtigt werden müssen: die technologische, ökonomische, politisch-institutionelle und kulturelle Dimension.

Technologische und ökonomische Dimension: Fortschritte und Herausforderungen

Die technologische Dimension befasst sich mit der Entwicklung und Implementierung von Lösungen für nachhaltige Städte, wie beispielsweise Solarenergie, Elektromobilität und autonomes Fahren. Shanghai sei ein fortgeschrittenes Beispiel – hier könne man sich schon in großen Arealen in ein vollautonomes Taxi setzen. Eine Frage der Zeit, bis man auch in Deutschland an diesen Punkt komme und als Konsequenz mit nur einem Zehntel des aktuellen Automobilaufkommens z.B. auch die Umweltbelastung durch den Verkehr deutlich reduzieren könne. Die zweite, ökonomische Dimension befasst sich mit der Herausforderung, nachhaltige Innovationen auch wirtschaftlich umzusetzen und die Interessen von Unternehmen und der Volkswirtschaft insgesamt zu berücksichtigen. Hinsichtlich dieser ersten beiden Dimensionen seien wir in Deutschland bereits auf einem guten Weg. Die folgenden zwei Aspekte stellen Transformationsprozesse jedoch vor durchaus große Herausforderungen.

Politisch-institutionelle Dimension: Bürokratische Hürden und politische Entscheidungsprozesse

Die Umsetzung nachhaltiger Konzepte wird oft durch bürokratische Hürden und komplexe politische Entscheidungsprozesse erschwert. Schneidewind plädiert für eine Reformierung dieser Strukturen, um eine effektive Transformation zu ermöglichen. . Denkmalschutz in Einklang mit Wärmeplanung für die Stadt zu bringen, sei hierfür ein aktuelles Beispiel. „Ich würde gerne zehn Städten die Chance geben für zehn Jahre den Denkmalschutz aussetzen, um Wärmeplanung durchzusetzen“, sagt Schneidewind. Nach dieser Zeit könne man ein Fazit ziehen und sicher beobachten, dass das Misstrauen gegenüber den Gebäudebesitzern eher unangebracht sei. Uwe Schneidewind mahnt außerdem professionelle „Nein-Sager“ an, die Politik nicht als höchste Form des gemeinsamen Tuns verstünden, sondern als Raum, in dem Inhalte als ‚Mittel zum Zweck‘ verstanden und zum Ziel des Machtaufbaus genutzt werden.

Kulturelle Dimension: Werte und Vorstellungen der BürgerInnen

Die vierte Dimension der Transformation basiert laut Schneidewind auf der kulturellen Dimension, inklusive Werten und Vorstellungen der Bürger*innen. Er warnt vor einem Rückfall in egoistische Denkmuster wie „America First“ und plädiert für eine Rückkehr zu gemeinschaftlichen Werten und einem globalen Verständnis von Solidarität und Nachhaltigkeit. Das Ziel: „Jeder Mensch soll gleiche Chance haben auf ein gutes Leben, auch zukünftig.“

Fazit und Ausblick

Die Veranstaltung endete mit einem lebhaften Austausch zwischen Publikum und Referenten. Die Diskussion um die Rolle der Demokratie, der Zivilgesellschaft und politischer Entscheidungsträger*innen zeigt, dass die Transformation urbaner Räume eine komplexe und vielschichtige Herausforderung ist. Letztendlich bleibt festzuhalten, dass die Zukunftsgestaltung von Städten eine Kunst ist, die nicht nur technologisches und wirtschaftliches Know-how erfordert, sondern auch ein tiefgreifendes Verständnis für gesellschaftliche und kulturelle Dynamiken.

pm/tm

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