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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Gründerinnen aus Straubenhardt wollen Vereinbarkeit für alle

Die junge Unternehmensberatung cocowork aus Straubenhardt ist angetreten, um Unternehmen wachzurütteln. Vereinbarkeit wird das Must-have der Zukunft, davon sind Wiebke Reuter, Alexandra Höllwarth und Katrin Dzimiera überzeugt. Für die drei Gründerinnen ist Vereinbarkeit kein verstaubtes Mütterthema, sondern eine echte Herzenssache, über das im Jahr 2022 nicht nur geredet werden darf. cocowork will Arbeitswelt und Lebensrealitäten zusammenbringen.
(v.l.n.r) Alexandra Höllwarth, Katrin Dzimiera und Wiebke Reuter sind cocowork. Gegründet haben sie Ende 2021. Foto: cocowork

von Tanja Meckler

„Wir wollen Unternehmen helfen eine lebensphasenorientierte Personalpolitik umzusetzen, weil jede*r kommt im Leben einmal in die Situation etwas vereinbaren zu müssen und dafür müssen Unternehmen aufgestellt sein. Vereinbarkeit ist ein absolutes Zukunftsthema.“
Wiebke Reuter, Co-Founder und Mitgeschäftsführerin cocowork

Weckruf: Es ist Zeit den Dornröschenschlaf zu beenden, es ist Zeit für neue Arbeitsmodelle

Die vielzitierte Vereinbarkeit klingt sperrig, etwas verstaubt und landet gerne einmal in der Mütterschublade. Dort kann und darf das Thema aber nicht liegen bleiben, davon sind die drei Gründerinnen von cocowork (Abk. von „compatible cowork“) felsenfest überzeugt. Deshalb wollen sie Türöffnerinnen sein, für den Raum voller Vereinbarkeitsoptionen, der nur darauf wartet strategisch richtig genutzt zu werden. Die Zeiten in denen früher massenhaft Bewerbungen ins Haus geflattert sind, sie sind vorbei. Viele Unternehmen suchen händeringend nach hochqualifizierten Fachkräften. Mit Obstkorb, Sneaker und Tischkicker gewinnt man heutzutage keine Talente mehr. Die Kernfrage lautet: Was wollen und brauchen MitarbeiterInnen wirklich? Wie können Arbeitsmodelle zu einem Benefit werden?

Es gibt bestimmte Lebensphasen und unendlich viele verschiedene Lebensentwürfe, aber kaum Arbeitsmodelle, die das berücksichtigen. Die aktuelle Studienlage zeigt deutlich, dass sich neben jungen Eltern auch Singles oder Paare nicht mehr mit einem unflexiblen 40-Stunden-Job zufriedengeben. Wer als Unternehmen Fachkräfte gewinnen und binden möchte, tut also gut daran, sich zügig etwas einfallen zu lassen!

Katrin Dzimiera

Dass ein Geburtsvorbereitungskurs ein wunderbares Netzwerk sein kann, in dem man sogar die neuen Geschäftspartnerinnen kennenlernt, das hätten sich die drei Gründerinnen anfangs nicht träumen lassen. Aber so war es. Die drei jungen Frauen verbindet nicht nur ihre Mutterrolle, sondern sie fühlen sich alle drei als hochqualifizierte Fachkräfte, die auch beruflich einen Weg gehen wollen, der zu ihrem Leben passt.

Alexandra Höllwarth muss Kind, ihren Hauptberuf, die Unternehmensgründung und einen zu pflegenden Angehörigen vereinbaren. Auch Katrin Dzimiera hat einen besonderen familiären Hintergrund. Sie ist Mutter von zwei kleinen Zwillingsmädchen und einem vierjährigen Sohn mit Beeinträchtigung. Wiebke Reuter ist Mutter von zwei Söhnen und hat eine Krebserkrankung hinter sich. Krankheit, Pflege, Kinderbetreuung, Leistungssport, Arbeiten im Alter, Fernbeziehung – Vereinbarkeit hat viele Gesichter und zieht sich durch alle Gruppen.

Katrin Dzimiera kommt aus dem Beratungsumfeld IT und New Work. Sie brennt für digitale und kreative Business-Modelle. Wiebke Reuter bezeichnet sich selbst als analytisch denkende Optimistin. Jahrelang arbeitete sie in einem Großkonzern im Bereich Marketing und Kommunikation. Alexandra Höllwarth ist Sales-Spezialistin und betreut seit fast 15 Jahren Groß- und Mittelstandskunden im Bereich smart electrical solutions. Im Zuge der Unternehmensgründung haben Dzimiera und Reuter auch einen Fortbildungskurs zur Vereinbarkeitsmanagerin (IHK) in Köln absolviert.

Corona war in Hinblick auf das Homeoffice ein Weckruf. Darüber hinaus schlummern viele ArbeitgeberInnen aber noch immer im Dornröschenschlaf – und die Belegschaft schaut sich anderweitig um. Wir sind angetreten, um wachzurütteln und zu zeigen: Es gibt für jedes Unternehmen die passende Lösung – und Vereinbarkeit für alle ist machbar!

Katrin Dzimiera

Unternehmen jeder Größenordnung und jeder Branche würden in Sachen Vereinbarkeit einfach zu viele Chancen verstreichen lassen und manche Themen schlichtweg ausklammern, sagen die drei Gründerinnen im Gespräch mit WirtschaftsKRAFT.

Worüber keiner redet ist die Pflege von Angehörigen und das wird die Aufgabe unserer Generation sein. Man sagt, dass in ein paar Jahren sieben von zehn MitarbeiterInnen einen zu pflegenden Angehörige zu Hause betreuen werden. Wir reden hier vom größten Pflegedienst Deutschlands, das muss Unternehmen klar sein. Da werden MitarbeiterInnen künftig wegfallen, wenn auch nur stundenweise

Alexandra Höllwarth.

Den Sprung in die Selbstständigkeit beschreibt Katrin Dzimiera als waghalsig und am Anfang lief auch nichts wirklich rund. Den drei Frauen schlug jede Menge Gegenwind entgegen. Von der externen Finanzierung bis hin zu einem Datenleck bei der Registrierung im Handelsregister, es gab und gibt Höhen und Tiefen. Die eigene Komfortzone zu verlassen kann sich dennoch lohnen. Inzwischen zählt das junge Start-up zehn Kunden und dieses Gefühl, es aus eigener Kraft heraus geschafft zu haben, beflügelt unglaublich, erzählen die drei im Gespräch mit WirtschaftsKRAFT.

„Eine klare Kommunikation mit einem klaren Ziel – das ist oft die ‚kleine Stellschraube‘, die gedreht werden muss“, sagt Katrin Dzimiera. Was auf den ersten Blick einfach klingen mag manchmal aber externe Ambassadors. Zu Beginn eines Projektes steht bei cocowork die Analyse.

„Wir analysieren verschiedene Felder wie Unternehmenskultur, Kommunikation, modern Leadership, Diversität und Inklusion. Wir untersuchen was bereits umgesetzt wurde und schauen uns diese Maßnahmen konkret an. Sind sie sichtbar, wie werden sie angenommen? In einem weiteren Schritt geht es dann darum, individuelle Lösungen für eine breite Masse in der Belegschaft zu finden. Ganz wichtig ist uns, die MitarbeiterInnen des jeweiligen Unternehmens von Anfang an mit einzubeziehen. Denn am Ende des Tages müssen die Maßnahmen gelebt werden und hierfür ist die richtige Kommunikation von Anfang an entscheidend“, sagt Wiebke Reuter.

Manchmal kann schon durch Kleinigkeiten viel erreicht werden. Ein Unternehmen klagte zum Beispiel, dass sich keine Frauen bewerben würden. Daraufhin schaute sich cocowork die Stellenausschreibung genauer an, schnell war klar, um das Ziel zu erreichen, bedarf es anderer Formulierungen.

Auch die Herausarbeitung von Rolemodels ist für die drei jungen Frauen ein essentieller Ansatzpunkt. Vorbilder in Bezug auf ungewöhnliche, moderne Arbeitsweisen müssen kommunikativ gespielt werden, um eine höhere Sichtbarkeit zu erreichen. Denn zufriedene MitarbeiterInnen sind für ein Unternehmen die wichtigsten Multiplikatoren.

Ein modernes Arbeitsmodell, dass noch viel zu selten genutzt wird, ist das Jobsharing. Konkret heißt das, mindestens zwei Personen teilen sich eine Stelle. Natürlich ist hier die Herausforderung das perfekte Tandem zu finden und die Aufgaben so zu strukturieren, dass es funktioniert. Wiebke Reuter ist felsenfest davon überzeugt, dass Unternehmen langfristig von dieser Art des Arbeitens profitieren werden und es gerade auch Frauen eine realistische Möglichkeit gibt Teil einer Führungsriege zu werden.

Jüngst sorgte ein neues Vorstands-Tandem für Schlagzeilen. Die Digitalexpert:innen Fränzi Kühne und Boontham Temaismithi übernahmen zum 01.März 2022 gemeinsam die neu geschaffene Vorstandsposition des Chief Digital Officers (CDO) bei der edding AG. Ein Tandem-Modell, das auf Vorstandsebene einer Aktiengesellschaft so in Deutschland bisher einzigartig ist.

Vorstands-Tandem: Fränzi Kühne und Boontham Temaismith. Foto: © edding AG

Bei cocowork wird stets im Tandem gearbeitet. Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Reibungsverluste können besser aufgefangen werden, die Stressverteilung wird reduziert und eine bessere Erreichbarkeit ist gewährleistet – natürlich bedarf dies einem Umdenken und vor allem einer gepflegten cc-Kultur.

Vereinbarkeit wollen die drei Gründerinnen eben nicht nur nach außen, sondern auch nach innen leben.

Ihr Geschäftsmodell scheint den Zeitgeist zu treffen. Beim Female Founders Cup Start-up BW gehörte cocowork zu den Finalistinnen. Am Weltfrauentag 8.März 2022 stellten sie ihre Geschäftsidee in einem dreiminütigen Pitch in Esslingen vor, mit Erfolg. Der Publikumspreis ging an sie.

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cocowork holt sich den Publikumspreis beim beim Finale des Female Founders Cup Baden-Württemberg, am 08. März 2022. Foto: Start-up BW – Female Founders Cup
cocowork holt sich den Publikumspreis beim beim Finale des Female Founders Cup Baden-Württemberg, am 08. März 2022. Foto: Start-up BW – Female Founders Cup

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