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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Karlsbader Jochen Dietz ist "Eisenbahner mit Herz 2023"

Auf der Schiene läuft nicht immer alles rund. In einer besonderen Situation ist Jochen Dietz für einen Fahrgast über sich selbst hinausgewachsen. Er nahm ein regelrechtes Toiletten-Abenteuer in Kauf. Für dieses Engagement wurde er jetzt in Berlin zum "Eisenbahner mit Herz" gekürt.
Schnelle Hilfe in einer besonderen Situation: Für seine Kundenfreundlichkeit hat die Allianz pro Schiene AVG-Triebfahrzeugführer Jochen Dietz als „Eisenbahner mit Herz“ ausgezeichnet. Foto: © Allianz pro Schiene/Mike Abmaier Photography

Archivartikel (08.05.2023)

"Für mich ist es eine große Ehre, diese Auszeichnung entgegennehmen zu dürfen. Der Titel ‚Eisenbahner mit Herz‘ ist etwas ganz besonderes, vor allem weil man von den Fahrgästen für diesen Preis vorgeschlagen wird."
Jochen Dietz, Triebfahrzeugführer AVG

von Tanja Meckler

In einer Zeit, in der jede:r einfach nur Stress, Stress, Stress hat, sei diese Form der Anerkennung einfach der Hammer, erzählt Jochen Dietz. Er ist der diesjährige Gewinner des bundesweiten Wettbewerbs „EisenbahnerIn mit Herz“. „Ich konnte es erst nicht glauben, der Bundessieger zu sein, es ist unglaublich, die Anerkennung zu bekommen, von der Jury von dem ganzen Gremium, das kann man nicht beschreiben , das ist das Highlight der Karriere. Weiß nicht, ob so etwas noch einmal passieren wird. Da müssen so viele Zufälle zusammen kommen. Erstmal, muss es einen Vorfall geben, dann musst du richtig in der Situation reagieren und dann muss es noch ein Fahrgast geben, der es sieht und weitergibt“, erzählt Jochen Dietz, der mit seiner Familie in Karlsbad lebt. Erst vor zweieinhalb Jahren hatte der gelernte Schreiner auf die Schiene umgesattelt. Seitdem ist er als Triebfahrzeugführer der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) unterwegs. Dankschreiben von Fahrgästen gäbe es immer wieder und der Betrieb würde diese auch stets weiterleiten, aber diese Auszeichnung hätte alles bisherige getoppt. Am 4. Mai 2023 fand die feierliche Gala in Berlin statt. „Ich war ein Nervenbündel. Auf der Hinfahrt ging ja schon das Telefon, so viele Presseanfragen, das war für mich ja völliges Neuland. Bei der Veranstaltung musste ich früher da sein, da kannte dich jeder und ich kannte noch niemand. Und da sitzen richtig ‚hohe Tiere‘ aus den Gremien, Vorstände, Allianz pro Schiene, Deutsche Bahn, die ganzen anderen Verkehrsunternehmen und mit denen hast du im normalen Alltag nichts zu tun.“ Der Goldsieger betrat zum Schluss die Bühne und war dann doch erleichtert, als er zu seinem Tisch zurückkehren durfte und der gemütliche Teil des Abends begann.

Jochen Dietz ist der diesjährige Gewinner des bundesweiten Wettbewerbs „Eisenbahner mit Herz“. Foto: privat

Das Toiletten-Abenteuer

Die Geschichte, die Jochen Dietz den Titel „Eisenbahner des Herzen“ bescherte, spielte sich am 4. Oktober 2022 ab. Ganz klar, jede:r meidet gerne Zugtoiletten, aber wenn die Blase drückt, ist man für die Örtchen doch dankbar. Blöd wird es, wenn es keine gibt, menschliche Bedürfnisse sich aber breit machen und die Bahn mitten in der ‚Pampa‘ halten muss. Aufgrund einer Stellwerkstörung bei Wörth musste die von Jochen Dietz gesteuerte Stadtbahn der Linie S5 an jenem 4. Oktober 2022 für rund zweieinhalb Stunden auf freier Strecke stehen bleiben. Dieser unplanmäßige Halt drohte für einen älteren Mann zu Tortur zu werden. „Unsere Stadtbahnen der Linie S5 verfügen über keine Toiletten. Was macht man da, wenn man auf der freien Strecke vorm nächsten Bahnhof feststeckt? Ich hatte dann die Idee, den Fahrdienst in Wörth anzurufen. In den alten Bahnhöfen gibt es noch Weichenwärter – und die müssen ja auch zur Toilette. Also habe ich nachgefragt, ob ich mit dem Fahrgast zum Wärterhäuschen kommen und er dort die Toilette benutzen darf“, erinnert sich Dietz an die Situation. Warnwesten anlegen, Gleise überqueren, Leitplanken überklettern, den älteren Herrn zum Fahrdienstleiter am nächsten Bahnhof führen – und dort endlich zur Toilette gehen. Nach diesem Erlebnis hat der Fahrgast Durst – und bekommt auf dem Rückweg zur Straßenbahn dann noch die Trinkflasche des Lokführers geschenkt.

„In einer schwierigen Situation hat Jochen Dietz Außergewöhnliches geleistet, Verantwortung übernommen und vor allem eines bewiesen: Herz! Solch vorbildliches Handeln ist im reglementierten Eisenbahnbetrieb oft nur begrenzt möglich. Bei der Suche nach einer schnellen und pragmatischen Lösung hat er nicht ins Handbuch geschaut, sondern stattdessen couragiert gehandelt und ist trotz der besonderen Umstände immer cool geblieben“, gratulierte Christian Höglmeier im Namen der gesamten AVG-Geschäftsführung dem diesjährigen Gewinner des Wettbewerbs „EisenbahnerIn mit Herz“.

„So ein Engagement eines Fahrers habe ich noch nie erlebt“, schilderte der Mitreisende Alexander Kaiser die Situation, als er Jochen Dietz mit dieser Geschichte anschließend für den Wettbewerb „Eisenbahner mit Herz“ nominierte. „Ich war selbst begeistert darüber, dass ein Fahrer sich so bemüht, die Situation verständnisvoll und menschlich zu handhaben und dem Fahrgast sogar sein Trinken anbot, da er nicht wisse, wie lange so eine Störung geht“, so Kaiser in seinem Schreiben an die Allianz pro Schiene.

Quereinstieg

Seit mehr als zwei Jahren ist der 41-Jährige jetzt schon für die AVG tätig. Kurz vor seinem 40. Geburtstag wollte der gelernte Schreiner nochmal etwas Neues ausprobieren. „Für mich hat Handwerk auch heute noch goldenen Boden, aber in der jetzigen Zeit, mit zwei Kindern war es schwierig wirklich was anzusparen. Es ist schade, das Handwerk hat da wirklich was verloren in den letzten Jahren, auch in Sachen Lohnausgleich. Ich kenne einen Zimmermann, der ist auch bei der AVG , der hat mich quasi dazu gedrängt mich zu bewerben. Ich find es klasse, man hat viel Kontakt mit Kunden. Ist der Kunde zufrieden, war ich als Handwerker zufrieden und so mach ich das jetzt auch bei der AVG, ist der Kunde zufrieden habe ich einen entspannten Tag da vorne drin.“ Den Berufswechsel hat er bis heute nicht bereut.

„Ich mache den Job einfach gerne. Wir fahren bei der AVG mit den Zweisystem-Bahnen sowohl Straßenbahn als auch Eisenbahn. Und das beides zusammen macht den Beruf so wahnsinnig interessant.“

Bahn, Eisenbahn und Traktor – das sind seine Fahrzeuge

Seit der Verleihung in Berlin wird Jochen Dietz von vielen Leuten angesprochen, von seinem Arbeitgeber gab es einen Gutschein für ein Musical. Auf diesen Abend freut sich Jochen Dietz schon, da wird er dann mit seiner Frau hingehen und bestimmt mit dem Zug hinfahren oder vielleicht auch mit dem Traktor? Lachend erzählt Jochen Dietz: „Ich bin mit dem Traktor groß geworden , das war bei uns auf dem Land einfach gang und gäbe. Mein Opa hat Apfelplantagen gehabt, ich mach gern Holz, ich bin Jäger, ich bin im Wald unterwegs. Welcher Kindheitstraum geht nicht in Erfüllung wenn man sich einen Traktor kauft? Ich benutze ihn viel, mein Junior ist genauso, der will auch am liebsten jeden Tag mit dem Traktor unterwegs sein und was bewegen.“ Auch zum einkaufen, im ortsansässigen Supermarkt, fährt Jochen Dietz gerne mal mit dem Traktor vor.

In seinem Heimatort ist Jochen Dietz oft mit seinem Traktor unterwegs. Foto: Tanja Meckler

Zum Schluss ist ihm noch eine Sache wichtig: „Wir leben in einer Zeit in der viel passiert, Krisen, Krieg, alle haben viel Stress, aber wenn jeder einfach ein bisschen auf den anderen schaut ist das gesellschaftlich etwas, wo wir uns absetzen können. Einfach indem jeder etwas Engagement zeigt, etwas nach vorne bringt. Das macht das Leben doch dann etwas einfacher.“

Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, lobte die diesjährigen Gewinner für ihren Einsatz: „Wir erleben immer wieder, dass auf der Schiene nicht alles rund läuft. Umso wichtiger und wohltuender sind Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die sich trotz aller Widrigkeiten mit so viel Herz, Mut und Engagement für die Fahrgäste ins Zeug legen wie die von uns prämierten Alltagshelden.“

Seit 2011 kürt die Allianz pro Schiene EisenbahnerInnen mit Herz. Ausgezeichnet werden besonders kundenfreundliche Beschäftige der Schienenbranche. Dafür sammelt das gemeinnützige Verkehrsbündnis das ganze Jahr über Geschichten von Zugreisenden, die sich über besonders nette und hilfsbereite EisenbahnerInnen gefreut haben.

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