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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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"Digitale Prozesse können maßgeblich dazu beitragen, bürokratische Hürden abzubauen"

"Statt 'kompliziert, umständlich und widersprüchlich' sollte der neue Deutschland-Standard sein: 'Einfach, schnell und innovativ'.“ Dessen ist sich der Präsident der IHK Karlsruhe, Wolfgang Grenke, sicher. Ein Gespräch über Bürokratieabbau und Digitalisierung.
Hat konkrete Vorstellungen davon, wie man sich auch ohne unnötige bürokratische Prozesse an Regeln und Ordnung halten kann: Präsident der IHK Karlsruhe und Mitglied der Vollversammlung der IHK Karlsruhe, Wolfgang Grenke. Copyright: GRENKE AG

28.07.2023

"Statt 'kompliziert, umständlich und widersprüchlich' sollte der neue Deutschland-Standard sein: 'Einfach, schnell und innovativ.' Zunächst braucht es in der Verwaltung einen Digitalisierungsschub. Das würde viele Prozesse, bspw. in Planungs- und Genehmigungsverfahren, beschleunigen."
Wolfgang Grenke

Wolfgang Grenke ist unter anderem seit 2013 Präsident der IHK Karlsruhe und seit 2005 Mitglied der Vollversammlung der IHK Karlsruhe. Als solcher sieht er den Veränderungsbedarf und die Veränderungen gerade von Mitgliedsunternehmen der IHK Karlsruhe quasi direkt vor Ort. Wie könnte man bürokratische Prozesse vereinfachen oder auch Bürokratie abbauen, damit man schneller und innovativer arbeiten kann? Inwieweit hilft da vielleicht auch der Prozess der Digitalisierung weiter? Nachgefragt.

WirtschaftsKRAFT: Ist die Digitalisierung ein Teil des IHK-Geschäftsprozesses?

Wolfgang Grenke: Die IHK Karlsruhe hat 2018 eine Digitalisierungsoffensive gestartet. Dies hat uns während der Corona-Krise geholfen, die IHK-Dienstleistungen durchgängig aufrecht zu erhalten. Im letzten Jahr wurden wir aber durch eine Cyberattacke auf das bundesweite IHK-Rechenzentrum zeitweise ausgebremst. Jetzt starten wir neu durch. Ausbildungsverträge und weitere Formulare werden online ausgefüllt. Wir verwenden möglichst wenig Papier, kommunizieren viel über MS Teams etc. Außerdem haben wir die während der Pandemie etablierten Webinar-Angebote ausgebaut.

WirtschaftsKRAFT: Wie weit sind Sie auf die Digitalisierung von Prozessen vorbereitet?

Grenke: Digitale Prozesse können maßgeblich dazu beitragen, bürokratische Hürden abzubauen. Allgemein ist die Digitalisierung fest in unsere IHK-Geschäftsprozesse implementiert. Unsere digitalen Services bauen wir kontinuierlich aus: Für die Mitgliedsbetriebe, aber auch in der internen Digitalisierung von Verwaltungsabläufen haben wir bereits jetzt ein überdurchschnittliches Level im Vergleich mit anderen IHKn erreicht.

WirtschaftsKRAFT: Welche Herausforderungen sehen Sie generell zu diesem Thema?

Grenke: Es ist nicht immer leicht, alle Mitarbeitenden bei diesem Transformationsprozess mitzunehmen. Es braucht einen kulturellen Wandel und die gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung für diejenigen, denen die Nutzung digitaler Anwendungen schwerer fällt. Eine Herausforderung ist auch die Integration von Veränderungen in die bestehende IT-Landschaft. Darüber hinaus verfügen Unternehmen häufig über begrenzte Ressourcen zur Umsetzung der digitalen Transformation. Bei allen Digitalisierungsmaßnahmen dürfen wir außerdem die IT-Sicherheit nicht vernachlässigen und müssen diese in unsere Strukturen integrieren. Als IHK unterstützen wir unsere Mitgliedsbetriebe deshalb mit folgenden Angeboten: Erstberatung Digitale Transformation, IT-Sicherheitscheck und Industrie 4.0-Potenzialberatung.

WirtschaftsKRAFT: Gibt es neue Tätigkeiten im Zuge der Digitalisierung?

Grenke: Insgesamt wird die Digitalisierung zukünftig einen noch größeren Einfluss auf die Arbeitswelt haben. Das beginnt in der Schule bei den Lehrkräften, betrifft aber auch Industrie und Handwerk. Arbeitsvorgaben, Lagerbestände, Kostenvoranschläge etc. werden digital erstellt und können von jedem Gerät abgerufen werden. Das führt unweigerlich zu neuen Tätigkeitsprofilen. Deshalb engagieren wir uns für die Implementierung digitaler Skills in die Aus- und Weiterbildung.

Auch bei uns in der IHK sind beispielsweise im Falle des elektronischen Ausbildungsvertrags einige Tätigkeiten weggefallen (Ausliefern oder Verschicken, Abholen, Prüfen etc.). Die frei gewordenen Kapazitäten werden nun in anderen Bereichen gebraucht und genutzt.

WirtschaftsKRAFT: Kommen wir zum Bürokratieabbau. Brauchen wir manche Regulierungen überhaupt?

Grenke: Regeln und Vorgaben sind grundsätzlich wichtig. Allerdings werden die bürokratischen Vorgaben zunehmend mehr und belasten unsere Arbeit oft unnötig. Wer prüft, was sich in Genehmigungsverfahren beschleunigen lässt, übersieht oft, dass es vielleicht auch ganz ohne geht! Allgemein gesagt, müssen wir davon wegkommen, alles regeln zu wollen. Damit lähmen wir die Wirtschaft und benachteiligen uns im Standortwettbewerb letztlich selbst.

WirtschaftsKRAFT: Was müsste sich in Deutschland insgesamt beim Bürokratieabbau ändern: die Mentalität/Herangehensweise etc.?

Grenke: Statt „kompliziert, umständlich und widersprüchlich“ sollte der neue Deutschland-Standard sein: „Einfach, schnell und innovativ.“ Zunächst braucht es in der Verwaltung einen Digitalisierungsschub. Das würde viele Prozesse, bspw. in Planungs- und Genehmigungsverfahren, beschleunigen. Die Verwaltung sollte Vorhaben tatkräftig ermöglichen, anstatt Risiken vermeiden zu wollen, die letztlich unwesentlich sind. Dieser Mentalitätswandel ist entscheidend, damit Deutschland die erforderliche Veränderungsgeschwindigkeit erreicht. So sollten beispielsweise für alle Verwaltungsverfahren verbindliche Start- und End-Termine mit nachvollziehbaren Kriterien festgelegt werden. Eingereichte Anträge, die in diesem Zeitraum durch Versäumnisse der Behörden nicht beschieden werden, gelten dann automatisch als genehmigt. Auch eine Fehlerkultur wäre wichtig. Gerade in den Verwaltungen benötigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei auch einen Ermessensspielraum, in dem Fehler zulässig sind.

Die Fragen stellte Jennifer Warzecha.

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