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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Pforzheimer Sparkassenvorständin Kerstin Gatzlaff blickt auf ihre neue Heimat - und ihre Karriere

Votsalakia heißt kleiner Kieselstein auf Griechisch. Es ist das Lieblingswort von Kerstin Gatzlaff, Vorstandsmitglied der Sparkasse Pforzheim Calw. Vor ihrem Karriereschritt hatte sie noch Zeit, abends auf der Couch Griechisch-Vokabeln zu pauken, das war einmal. Votsalakia auf den ersten Blick vielleicht ein ungewöhnliches Wort. Das Wort passt aber zu Kerstin Gatzlaff, die wie ein Kieselstein einen langen Weg zurücklegen musste, um an der Sparkassenspitze anzukommen.
Keine nackten Zahlen, sondern Geschichten: Kerstin Gatzlaff spricht über das Kreditgeschäft mit PZ-Redakteurin Katharina Lindt (Mitte) und Wirtschaftskraft-Redakteurin Tanja Meckler. Foto: Thomas Meyer, Pforzheimer Zeitung

von Katharina Lindt und Tanja Meckler

11.03.2024

Auch wenn die Abende zum Vokabellernen der Vergangenheit angehören, die Liebe zu Griechenland ist geblieben. Im Sommer steht Urlaub auf der Sonneninsel Kreta an. Bis dahin sind die Tage aber fast minuziös durchgetaktet. Gatzlaff, lange blonde Haare, resolut mit einer tiefen Stimme, ist eine Frau mit klaren Zielen und einem festen Blick auf die Zukunft.

Als erste Frau im Vorstand der Sparkasse Pforzheim Calw hat sie nicht nur einen Meilenstein in der mehr als 187-jährigen Geschichte der hiesigen Sparkasse und ihrer eigenen Karriere gesetzt, sondern auch ein wichtiges Beispiel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen. Heute verantwortet sie die Kreditgeschäftsführung, die Bereiche Unternehmenskunden, Firmenkunden, Eigenanlagen/Treasury sowie S-International/Auslandsgeschäft.

Kerstin Gatzlaff, Vorstandsmitglied der Sparkasse Pforzheim Calw, ist im 12. Stock der Sparkasse Pforzheim Calw angekommen. In der Goldstadt fühl sie sich beruflich und privat wohl. Foto: Thomas Meyer, Pforzheimer Zeitung

Strukturiert und organisiert

Gatzlaff mag es strukturiert und organisiert. Klare Absprachen sind ihr wichtig. Das gilt auch fürs Private. Und so legten ihr Mann und sie noch vor der Elternschaft die Rollenverteilung klar fest. Im Klartext heißt das: Er bleibt zu Hause bei den Kindern – ein Sohn sowie eine Tochter – und sie hat die Möglichkeit beruflich durchzustarten. Das bedeutet aber auch ein Loslassen. Wenn der kleine Sohnemann – damals drei Jahre alt –, zusammen mit dem Vater die Bohrmaschine bedient, dann sei das halt so und liege nicht in ihrer Verantwortung. „Die Kinder wachsen bei einem Vater eventuell etwas anders auf, als wenn die Mutter immer dabei wäre. Aber es klappt gut. Die Kinder sind zufrieden, ich bin zufrieden und mein Mann als ehemaliger Sparkässler ist ebenfalls zufrieden – es ist ein sehr schönes Modell“, sagt sie.

Ich hatte nie das Gefühl, irgendwie eine Sonderrolle damit einzunehmen, sondern dass ich damit eigentlich auch im Trend der Zeit liege.

Kerstin Gatzlaff

Ein Modell, das manchmal noch für staunende Augen sorgt, aber überwiegend positiv aufgefasst wird, sagt sie. Aber auch ein Modell, das ihr den Antritt des Vorstandspostens so weit weg von ihrer Heimat erst ermöglicht hat. „Wenn mein Mann das nicht gemacht hätte, hätte ich das nicht gekonnt. Ich brauche gerade jetzt, bedingt durch den Umzug, jemanden, der mir den Rücken freihält, der mich unterstützt. Ansonsten wird das nicht funktionieren.“

Spitzenposition fordert

Denn Vorständin zu sein, nehme viel Zeit in Anspruch: Kundengespräche, Firmenbesuche, Mitarbeitergespräche sowie Veranstaltungen, Abendtermine und nebenbei müssen viele Dokumente zu neuen regulatorischen Anforderungen gelesen werden. Für Hobbys und Freunde bleibt da kaum Zeit übrig.

Hobbys wähle ich so aus, dass ich die mit der Familie verbinden kann. Ich schwimme, fahre Fahrrad, fotografiere und male sehr gerne. Das sind Dinge, die kann ich auch mit den Kindern zusammen machen.

Kerstin Gatzlaff

Nur beim Fahrradfahren müsse sie sich noch an die hügelige Landschaft gewöhnen, die so anders sei als die ihrer Heimat, des Niederrheins, der von Deichen und Weiden geprägt ist.

Pforzheim. Sparkassenturm. 12. Stock. Mit dem Aufzug ist man hier in Sekundenschnelle oben. Der Blick über die Stadt zieht die meisten Besucher in den Bann. Je nach Fensterwahl bieten sich ganz unterschiedliche Perspektiven. Für Kerstin Gatzlaff ging der Aufstieg an die Sparkassenspitze nicht ganz so schnell. Er zog sich, jahrelang. Schon als junge Frau, kurz nach dem Ende ihrer Banklehre wusste sie, dass sie einmal in den Vorstand der Sparkasse möchte. Knapp 25 Jahre später, inklusive eines 400-Kilometer-Umzugs, ist es schließlich so weit. Kerstin Gatzlaff ist im 12. Stock der Sparkasse Pforzheim Calw angekommen.

Früh Führungsaufgaben übernommen

Auf dem Weg dorthin gab es aber nicht nur kleine Kieselsteine. „Es gab auch immer wieder Momente, in denen ich am liebsten aufgegeben hätte, wo ich das Gefühl hatte, das ist eigentlich nicht zu schaffen“, erinnert sie sich. Rückblickend hätte sie gerne ihrem jüngeren Ich vom Turm aus zugerufen: „Bleib mal lockerer, zieh deinen Weg durch, das passt schon.“

Die 48-Jährige ist ein echtes Sparkassenkind. Ihr Vater hätte sie gerne bei der Deutschen Bank gesehen, doch Gatzlaff entschied sich anders. Mit 25 Jahren übernahm sie erste Führungsaufgaben. Dass man auch mal schlechte Nachrichten an die Kolleginnen und Kollegen überbringen muss, hat sie nicht abgeschreckt. „Mir wurde immer wieder zurückgemeldet, dass ich das gut kann, dadurch habe ich viel an Sicherheit gewonnen.“

Studium, Mentor und Selbstvertrauen

Parallel bildete sie sich in der Sparkassenorganisation weiter: Erst machte sie den Betriebswirt sowie den Dipl.-Sparkassenbetriebswirt an der Sparkassenakademie in Bonn, dann absolvierte sie einen Master in Banking und Management an der Wirtschaftsuniversität in Wien. „Ich habe mir also das theoretische Rüstzeug für die Aufgabe im Vorstand nach und nach aufgebaut. Gepaart mit der praktischen Erfahrung in der Kreditführung war das eine gute Kombination, die dazu geführt hat, dass ich in der Sparkasse am Niederrhein die letzten zehn Jahre Vorstandsvertreterin war.“ Eine prägende Position, denn im Echtbetrieb werden die Nerven auf die Probe gestellt – wie sich herausstellte, hat Gatzlaff diese. „Ich hatte das Gefühl, relativ stark aufzutreten. Gerade wenn man in dieser Rolle ist, dann verstetigt sich diese Stärke. Dadurch hatte ich auch eine relativ hohe Selbstsicherheit in dem, was ich getan habe“, sagt sie.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielte ein Mentor in ihrem Leben: der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Stadtsparkasse Köln, Artur Grzesiek. „Er hat mir Wege aufgezeigt, hat mich begleitet, wie ich mich in Richtung Vorstand entwickeln kann, wie ich die Geschäftsleitereignung bekomme und was ich dafür tun muss. Das war sehr förderlich für mich.“ Irgendwann gelangte sie an den Punkt, an dem sie flügge wurde. In ihrer Heimatsparkasse sowie im Umkreis war auf absehbare Zeit nichts frei. Dann fiel ihr Blick auf Baden-Württemberg – zu dem Zeitpunkt suchten mehrere Häuser einen Vorstand oder eine Vorständin, darunter auch Pforzheim.

Nach einer bundesweiten Ausschreibung setzte sich Gatzlaff unter rund 30 Bewerbenden und im Finale gegen weitere zwei Kandidaten durch. Seit mehr als einem Jahr hat sie den Posten der Vorständin offiziell inne. „Ich fühle mich hier privat als auch beruflich sehr wohl“, sagt sie.

Viele Menschen fahren an Pforzheim einfach vorbei, kennen die Stadt von Staumeldungen auf der A8. Sie wird oftmals unterschätzt. Nicht so von Kerstin Gatzlaff. Es war nicht der Anblick von schönen Gebäuden, aber irgendetwas habe sie „gepackt“, wie sie sagt, und die Liebe zu dieser Stadt entfacht.

Rolle als Gestalterin

Vielleicht sind es auch die elf Milliarden Euro Kreditvolumen, die Gatzlaff als Vorständin im Kreditwesen verantwortet. Immerhin belegt die Sparkasse Pforzheim Calw damit die Spitzenposition in Baden-Württemberg. Für Gatzlaff heißt das: Gestaltungsraum.

„Das Kreditgeschäft ist in meinen Augen mit eines der interessantesten Bereiche im Bankenbereich überhaupt, weil ich als Kreditfachfrau letztendlich mitgestalten kann“, sagt sie.

Neben Standard-Vorhaben landen auch außergewöhnliche Projekte auf ihrem Tisch. Dazu gehört etwa die Wiedereröffnung der Grube Käfersteige in Würm. Dort will die Deutsche Flussspat GmbH das Mineral Flussspat fördern, das für die Batterieherstellung benötigt wird. „In der heutigen Zeit jemanden zu finden, der etwas Positives am Bergbau findet, war für den Kunden nicht einfach“, sagt sie. Doch die Sparkasse biss an – genau wie die Stadtwerke Pforzheim (SWP). „Im Moment sind wir verhalten optimistisch, dass wir das auch hinbekommen.“

Zudem könne sie als Kreditfachfrau Unternehmen in schwierigen Zeiten helfen, wieder in die Spur zu kommen. Und dann ist da der Einblick in die Betriebe selbst, der sie fasziniert:

Ins Unternehmen reinzuschauen macht mir riesige Freude, weil man immer gut erkennen kann, wie das Betriebsklima ist, wie die Geschäftsführung agiert, wie das Verhältnis zwischen Angestellten und Führungskräften ist. Da lerne ich immer wieder Neues dazu, was ich vorher noch nicht kannte.

Kerstin Gatzlaff

Und wie schaut es aktuell aus? Fest steht, die wirtschaftliche Entwicklung geht an Pforzheim nicht vorbei, sagt sie. Beim Investieren hielten sich die Firmen zurück. Doch ein Großteil der Betriebe gehe davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälfte wieder besser werden wird.

Die Visitenkarte lebt

In Gatzlaffs Büro hängt ein gemaltes Bild von Dagobert Duck in seinem Geldspeicher, in der Hand einen goldenen Golfschläger, im Hintergrund die Sparkasse und die Stadt Pforzheim. Es ist ein Erbe des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, Stephan Scholl.

Vermächtnis des Vorgängers: Dagobert Duck beim Golfen im Tresor. Foto: Katharina Lindt, Pforzheimer Zeitung

Lächelnd betrachtet Gatzlaff es. Sie findet das Bild gut. Auf dem Golfplatz wird man sie aber vergeblich suchen. Golfen ist nicht ihr Ding. Kurz hatte sie überlegt, ob sie das darin hindert, Vorständin zu werden, erzählt sie lachend. Im Zeitalter von Businessplattformen wie LinkedIn geht Netzwerken heute aber auch anders. Die gute alte Visitenkarte weiß Kerstin Gatzlaff auch zu schätzen, sie sammelt sie alle in einer schönen Kiste, versehen wird jede einzelne mit einer handschriftlichen Notiz. Darauf zu lesen ist dann beispielsweise, wann sie die Person getroffen hat und was wichtige Gesprächsthemen waren.

Umgang mit der AfD

Im Gespräch wirkt Gatzlaff locker, gelöst und spricht frei. Als das Thema jedoch auf die AfD und im Speziellen auf AfD-Stadtrat Alfred Bamberger im Verwaltungsrat aufkommt, wirkt sie nachdenklich und hat dafür folgendes Statement vorbereitet. „Die Sparkasse Pforzheim Calw ist grundsätzlich politisch neutral, außer wenn es um die freiheitlich demokratische Grundordnung geht. Denn die Sparkasse Pforzheim Calw und die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe stehen für Werte und für Vielfalt.“ Unabhängig davon sei die AfD bei der Sparkasse Pforzheim Calw im Verwaltungsrat vertreten „und auf die Besetzung des Verwaltungsrates hat unsere Sparkasse keinen Einfluss.“ Die Zusammenarbeit auf Arbeitsebene funktioniere aber sehr gut.

Längst ist Pforzheim für Gatzlaff nicht mehr nur eine Stadt auf der Landkarte. Was wirklich Heimat ist, hat sie unterschätzt, sagt sie. Aber schließlich war es auch der erste große Umzug. Einmal im Monat fährt sie noch an den Niederrhein, um ihre Mutter zu besuchen. Neben allem beruflichen Erfolg: Familie ist und bleibt ihr wichtig.

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