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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Toxischer Krisencocktail wird mit der Automotive-Transformation angereichert

Der Wirtschaftsverband wvib Schwarzwald AG ist sauer auf die Bundesregierung. Ihre Standortpolitik bekommt von ihm die Note 4,66. Und er ist verärgert über die Automobilhersteller. Während sie sich über satte Gewinne freuen würden, könnten die Automobilzulieferer ihre gestiegenen Kosten nicht weitergeben. Entsprechend blickt die Automotive-Branche düster in die nahe Zukunft. Immerhin gut ein Drittel der wvib-Mitglieder zählen zu diesem Cluster.
Geht mit der Regierung in Berlin und ihrer Standortpolitik hart ins Gericht: Dr. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes wvib Schwarzwald AG. ©Foto:GerdLache

Von Gerd Lache | 01.08.2023

Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer spricht bei der Konjunktur-Pressekonferenz des „Wirtschaftsverbandes Industrieller Unternehmen Baden e.V. – wvib Schwarzwald AG“ angesichts der schlechten Stimmung in der Industrie von einem „toxischen Krisencocktail“. Hohe Energiekosten am Standort, Steuern, Fachkräftemangel und eine lähmende Bürokratie belasten laut Münzer die Unternehmen schon länger. Hinzu kämen gestiegene Zinsen, Inflation und eine schwächelnde Weltwirtschaft.

Befähigen statt belasten

Und zu allem Übel auch noch eine zerstrittene Bundesregierung, die dem Verband zufolge die Marktwirtschaft bekämpfe anstatt „die marktbasierten Instrumente der ökosozialen Marktwirtschaft und eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“ zu fördern. In einem Mahnschreiben mit dem Titel „Wirtschaftspolitik: Befähigen statt belasten“ haben die Gremien der Schwarzwald AG deshalb ihrem Ärger Luft gemacht. Münzer: „Die Bundesregierung hat den Schuss noch nicht gehört. Mit Wumms, Dirigismus, Subventionen und noch mehr Mikromanagement wird das nicht klappen.“

Bei der Konjunkturpressekonferenz des Wirtschaftsverbandes wvib Schwarzwald AG am Podium (von links): Jürgen Trefzer (Geschäftsführer ARaymond), Bert Sutter (Geschäftsführer Sutter Medizintechnik GmbH), wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer sowie Sven Wischnewski (Geschäftsführer der Siko GmbH mit Sitz am wvib-Veranstaltungsort in Bad Krozingen). ©Foto:GerdLache

Beim Blick auf die Automotive-Branche, die in der jüngsten wvib-Umfrage die düsterste Prognose aller Verbands-Cluster abgegeben hat, wird der Krisencocktail mit einer weiteren Herausforderung angereichert: Die Transformation in der Automobil-Branche, also weg vom fossilen Verbrenner und hin zu alternativen Antriebstechnologien – für kleinere und mittlere Unternehmen mitunter eine Herkulesaufgabe, sowohl die Anpassung der Produktion betreffend, wie auch bei der Umschulung von Beschäftigten auf neue Anforderungen künftiger Berufe für die E-Mobilität.

Unternehmen scheiden aus dem Markt aus

Allerdings sieht der Hauptgeschäftsführer diese Entwicklung etwas entspannter, als dies einige Experten in ihren Medienstatements zum Besten geben. Einerseits: Die betreffenden wvib-Mitgliedsunternehmen seien bezüglich der Transformation gerüstet. Andererseits würden in solch einem Wandel naturgemäß einige Unternehmen aus dem Markt ausscheiden, erklärte Münzer, der im Übrigen auch konstruktiv-kritisches Mitglied im Beirat des Transformationsnetzwerks (TraFoNetz) Nordschwarzwald ist.

Was ist das Transformationsnetzwerk Nordschwarzwald?

TraFoNetz ist ein Projekt unter Leitung der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald GmbH, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium. Es gilt als die größte Gemeinschaftsinitiative im Nordschwarzwald, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Zuliefererbranche sowie deren Beschäftigte bei der Transformation zu unterstützen.

Jürgen Trefzer, Geschäftsführer des südbadischen Automotiv-Unternehmens ARaymond empfiehlt der deutschen Bundesregierung: Von China lernen. ©Foto:GerdLache

Jürgen Trefzer, Geschäftsführer der A. Raymond GmbH & Co. KG, einem großen südbadischen Produzenten von Automobilkomponenten und Mitglied im wvib, sieht sein Unternehmen für die neuen Anforderungen gut aufgestellt  Dass China mit seinen Batterie betriebenen Elektroautos zunehmend Boden auf dem deutschen Markt gewinnt, nimmt Trefzer pragmatisch: „Wir können ja auch an chinesische Hersteller liefern.“ Außerdem: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Und Trefzer fügt hinzu: Im Hinblick auf die strukturelle Unterstützung der Wirtschaft durch die chinesische Regierung könne Deutschland von China noch lernen.

Stimmung schlecht wie lange nicht

Insgesamt, so Münzer, sei die Stimmung der Industrie so schlecht wie lange nicht. Auf den ersten Blick würden die Umsätze vergleichsweise gut erscheinen – in den Prognosen für die nächsten Monate seien die Unternehmen der Schwarzwald AG aber so pessimistisch wie seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr. „Glaubt man den Umfrageergebnissen, so wird sich die Schwächephase der Industrie verschärfen“, befürchtet der Hauptgeschäftsführer.

Für das erste Halbjahr 2023 meldeten die wvib-Mitgliedsunternehmen ein durchschnittliches – nominales – Umsatzwachstum von 13,1 Prozent (Vorjahresvergleich: 13,7 Prozent). Dieser Wert sei jedoch nicht inflationsbereinigt. 

Auch im Detail habe sich die Umsatzentwicklung verändert: So vermeldeten knapp 72,1 Prozent der befragten Unternehmen gestiegene Umsätze. Im ersten Halbjahr 2022 seien es noch 79,1 Prozent gewesen. Gesunkene Umsätze meldeten hingegen 20,5 (Vorjahresvergleich: 19) Prozent der Unternehmen.

Quelle: wvib Schwarzwald AG

Das wvib-Geschäftsklima sackt ab, konstatiert Münzer: Aktuell liege es bei 22 (Vorjahresvergleich: 47,1) Punkten. Drastisch auch das Bild bei der Geschäftserwartung: Aktuell sei diese mit minus 4,2 Punkten erstmals seit dem ersten Halbjahr 2020 wieder negativ.

Münzer weist auf deutliche Unterschiede zwischen den wvib-Branchenclustern hin: Maschinenbau (17,6 Prozent) sowie Mess- und Regeltechnik (15,8 Prozent) lägen mit ihren Umsätzen über dem Durchschnitt. Darunter treffen sich die Branchen Automotive (11,4 Prozent), Elektrotechnik (12,6 Prozent), Kunststoff (5,3 Prozent), Medizintechnik (12,1 Prozent) und Metallverarbeitung (8,2 Prozent). 

Am zuversichtlichsten blicken der Umfrage zufolge Medizintechnik und Mess- und Regeltechnik in die Zukunft: Jeweils 45,7 Prozent der befragten Unternehmen rechnen in den nächsten sechs Monaten mit steigenden Umsätzen. Im Maschinenbau sei man ebenfalls positiv: 32,9 Prozent gehen von steigenden Umsätzen aus.

Automotive-Zulieferer an der Spitze der Pessimisten

Andere Branchen seien deutlich pessimistischer, allen voran die Autozulieferer: „Nur noch 14 Prozent der befragten Unternehmen aus dieser Branche rechnen weiter mit steigenden Umsätzen“, macht der wvib-Hauptgeschäftsführer deutlich.

https://www.wvib.de/

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