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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Produktion von Biogas-Motoren könnte Arbeitsplätze sichern

CNG-Initiative will bei der EU die Anerkennung des „grünen Verbrenners“ erreichen – Friolzheimer Spedition Benzinger ordert Flüssiggas-Lkw für Kundenauftrag
© Gerd Lache

Von Gerd Lache

„Aus nur fünf Großballen Stroh kann Bio-CNG für den durchschnittlichen Jahresbedarf eines Pkw erzeugt werden.“
Carsten Wangnick, Chemiker

Eine existenzielle Sicherheit für Automobilzulieferer und ihre Beschäftigten könnte nach Ansicht des CNG-Clubs in der Förderung von gasbetriebenen Fahrzeugen liegen. Insbesondere für jene Unternehmen, deren Komponenten ausschließlich in Verbrennermotoren benötigt werden, nicht aber in Elektroautos, könnten von dieser CO2-neutralen Antriebsform profitieren. Davon ist nicht nur der promovierte Chemiker Carsten Wangnick überzeugt. Er ist eines von bundesweit rund 500 Mitgliedern des CNG-Clubs, die sich dafür einsetzen, als weitere umweltfreundliche Alternative die Bio-Variante des Treibstoffs „Compressed Natural Gas“ (komprimiertes Naturgas), kurz Bio-CNG stärker zu nutzen. 

Als nachhaltig gelte das sogenannte Bio-CNG deshalb, weil es aus Abfällen und Reststoffen wie Stroh gewonnen werde, nachweislich genauso effizient wie Ökostrom und darüber hinaus keine Konkurrenz zum Lebensmittelanbau sei. „Aus nur fünf Großballen Stroh kann Bio-CNG für den durchschnittlichen Jahresbedarf eines Pkw erzeugt werden“, rechnet der Chemiker vor. 

Für die nicht wenigen Automobilzulieferer in der Region Nordschwarzwald, deren Produkte mit dem E-Auto obsolet werden, sei Bio-CNG eine große Chance.  Denn: Anders als bei der Produktionsumstellung auf E-Mobilität werde beim CNG-Umstieg kein Arbeitsplatz vernichtet. Dieser „grüne Verbrenner“ benötige weitgehend dieselben Antriebskomponenten wie Benziner und Diesel.

Die niedrigen Betriebskosten sind für Wangnick ein weiteres Argument: Den Preis für „Bio-CNG-Sprit“ gibt er mit umgerechnet zwischen vier und fünf Euro pro 100 Kilometer an. Pro Tankfüllung seien je nach Fahrweise zwischen 350 bis 500 Kilometer zu erzielen. Ein Zusatztank mit Benzin könne die Reichweite auf 1000 Kilometer erhöhen. Die Zapfsäulendichte sei zwar nicht so hoch wie beim herkömmlichen Sprit, aber „ich hatte noch nie Probleme“, sagt der Chemiker, der beruflich bedingt regelmäßig von Deutschland in die Schweiz pendelt.

Initiiert hat den CNG-Club vor vier Jahren in München die selbstständige Unternehmensberaterin Birgit Maria Wöber. „CNG-Mobilität könnte so viele aktuelle und künftige Probleme lösen – doch es passiert so gut wie nichts“, beklagt Wöber im Gespräch. Sie und ihre Mitstreiter haben sich zur Aufgabe gemacht, diese Technologie bekannt zu machen und zu fördern. Als Schatzmeisterin des Vereins sagt sie: „Ein Produkt mit solch herausragenden Vorzügen müsste den Markt eigentlich aufrollen.“

Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die Zulassungszahlen seien im Zuge des Elektro-Hypes und der damit verbundenen Förderpolitik weiter sinkend, erklärt Steffen Kraus, Pressesprecher des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg in Stuttgart. Das sei bedauerlich, denn „die Fahrzeuge sind ja recht sauber und eigentlich eine gute Alternative“. Wangnick fügt an: „Gerade im öffentlichen Personennahverkehr wären CNG-Busse ideal, wie das Beispiel des Augsburger Verkehrsverbundes zeigt.“

Carsten Wangnick, promovierte Chemiker, setzt sich als Mitglied des bundesweit agierenden CNG-Clubs für den CO2-neutralen Biogas-Antrieb bei Autos ein. Foto: © Gerd Lache

Herbert Diess, Konzernchef der  Volkswagen AG, dem Marktführer im CNG-Segment, hat im vergangenen Jahr deutlich gemacht, wo seine Prioritäten liegen: „Auf absehbare Zeit gibt es keine Alternative zum batterieelektrischen Antrieb.“ Vor knapp einem halben Jahr ließ er schließlich den Ausstieg vom Gasantrieb verkünden. Betroffen von dieser Entscheidung sind neben der Kernmarke  VW unter anderem auch Konzerntöchter wie Seat und Skoda, bestätigten deren Pressesprecher.

Peter Weisheit, Sprecher für den Technologiebereich der Marke VW, erklärt auf Anfrage: „Es wird zwar keine neuen CNG-Fahrzeuge geben, aber alles, was wir angekündigt haben, werden wir auch auf die Straße bringen.“ Einer der Gründe für die Abkehr ist laut Weisheit, dass der Bio-CNG-Anteil bei der sogenannten Flottenemission nicht berücksichtigt werde, obwohl diese Fahrzeuge nahezu CO2-neutral fahren. „Wir müssen Strafzahlungen leisten, obwohl wir klimafreundliche Fahrzeuge auf die Straße bringen.“ Hintergrund: Von 2021 an gelten für den CO2-Ausstoß strengere Grenzwerte in der EU. Im Durchschnitt aller Neuwagenmodelle eines Herstellers darf die gesamte Flotte maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Andernfalls droht eine Strafzahlung von 95 Euro pro Gramm und Fahrzeug.

Der CNG-Club will bei der EU erreichen, dass die nachhaltigen Bio-CNG-Fahrzeuge in die Flottenberechnungsformel  einbezogen werden. Laut VW-Sprecher Weisheit werden bereits mehr als 50 Prozent der CNG-Autos mit dieser CO2-neutralen Variante betankt. Für Birgit Maria Wöber ist die aktuelle Flottenverbrauchsregelung ohnehin nicht dem Klima zuträglich.  Die Hersteller bräuchten die Elektro-Fahrzeuge, damit sie ihre Margen-starken, „aber klimaschädlichen dicken SUVs verkaufen“ und dennoch die Flottenemissionen auf den vorgeschriebenen EU-Wert reduzieren können. Wöber:  „Das Elektroauto ist politisch auf dem Papier auf Null-Emission gesetzt worden.“

Unterdessen äußert sich Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer auf Anfrage pessimistisch: „Erdgas-Fahrzeuge werden schnell zurückgehen, Flüssiggas wird noch eine Zeit lang weiter laufen und dann ebenfalls austrocknen.“  Doch gerade im  Flüssigerdgas, kurz LNG für „Liquefied Natural Gas“ – künftig auch als Bio-LNG verfügbar – sieht Birgit Maria Wöber eine ideale Antriebsform für den Schwerlastverkehr.  

Sie weist als Beispiel auf die Spedition Benzinger mit Sitz in Friolzheim hin: Für das Enzkreis-Unternehmen mit 500 Beschäftigten fahren 350 Lkw auf den Straßen. Kürzlich orderte die Spedition drei LNG-betriebene Fahrzeuge. Ist das Management also von der Flüssigerdgas-Zukunft überzeugt?  Nein, sagt Geschäftsführer Rolf Benzinger. „Die Gasfahrzeuge haben wir lediglich bestellt, weil einer unserer Kunden das so gewünscht hat. Wir beliefern für ihn Bioläden zwischen Ulm und Lörrach.“  Benzinger setzt bezüglich Lkw-Antriebe beim Blick nach vorne auf die Brennstoffzelle. 

www.cng-club.de

KURZ ERKLÄRT: UNTERSCHIEDE BEI GAS

Die Zulassungszahlen von Fahrzeugen mit Gas-Antrieb machten insgesamt lediglich etwa ein Prozent aus, wie das Kraftfahrtbundesamt im vergangenen Jahr bekannt gab. Aber Gas ist nicht gleich Gas. Nach Angaben der Berliner Zukunft Erdgas GmbH und dem Münchner CNG-Club wird wie folgt unterschieden:

CNG ist die Abkürzung für das englische „Compressed Natural Gas“ und bedeutet „komprimiertes Naturgas“. Als fossiler Rohstoff besteht er zu rund 90 Prozent aus Methan und kommt weltweit in unterirdischen Lagerstätten vor. Die nachhaltige Variante ist Bio-CNG, die beispielsweise aus einheimischen landwirtschaftlichen Reststoffen und Stroh hergestellt wird.

LNG steht für „Liquefied Natural Gas“, also Flüssigerdgas. Zur Verflüssigung kühlen Hersteller das Erdgas unter atmosphärischem Druck auf bis zu minus 164 Grad Celsius herunter. Damit lassen sich sehr große Energiemengen platzsparend transportieren und bevorraten.

LPG bedeutet „Liquefied Petroleum Gas“, im Deutschen auch Autogas genannt, ein Gemisch aus Propan und Butan. Es fällt als Nebenprodukt bei der Förderung und Verarbeitung von Rohöl an. Vor allem Campingurlaubern ist LPG als Flaschengas bekannt.

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