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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Pilotprojekt: Geflüchtete werden LokführerInnen bei der S-Bahn Stuttgart

Sie stammen aus Iran, Syrien und Pakistan und werden ab Anfang 2023 das Team der Stuttgarter S-Bahn verstärken: Die Deutsche Bahn (DB) bildet erstmals 13 Geflüchtete zu LokführerInnen aus. Das Modellprojekt wird vom Land unterstützt. Die Beteiligten zogen in der Landeshauptstadt ein Zwischenfazit.
DB-Personalvorstand Martin Seiler traf am 02.12.2022 in Stuttgart-Vaihingen drei der angehenden LokführerInnen. (v.l.) Mohammad Mohammadi, Omid Noman und Sonia Alaghehband. Foto: Deutsche Bahn AG / Sebastian Berger

20.12.2022

„Unsere Zwischenbilanz fällt gut aus. Über 40 Geflüchtete haben im Rahmen unseres Projekts eine Ausbildung absolviert oder sind derzeit noch dabei. Diese Kurse sind gut für die Geflüchteten und für die BahnkundInnen.“
Winfried Hermann, Minister für Verkehr in Baden-Württemberg

Der iranische Azubi Mohammad Mohammadi befindet sich auf der Zielgeraden. Ein großer Teil der Prüfungen ist bereits bestanden und wenn alles gut läuft, wird er im Februar 2023 als Lokführer bei der Stuttgarter S-Bahn durchstarten, für ihn ein Traumjob. Nur das deutsche Vokabular sei etwas gewöhnungsbedürftig. ‚Geschwindigkeitsüberwachungseinrichtung‘ ein Begriff zusammengesetzt aus drei Hauptwörtern, so etwas gäbe es in seiner Heimatsprache nicht.

Mohammad Mohammadi (39) stammt aus dem Iran. Der gelernte KfZ-Mechaniker wollte schon im Iran Lokführer werden und erfüllt sich jetzt seinen Traum. Foto: Deutsche Bahn AG / Sebastian Berger

Zum Team der insgesamt 13 Azubis gehört auch Sonia Alaghehband. Die 45-Jährige ist vor sechs Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Die studierte Englischlehrerin will ein Zeichen setzen, indem sie Lokführerin wird: „weil es im Iran viele Berufe gibt, die Frauen nicht ausüben dürfen“. Lokführerin sei einer davon. „Deshalb freue ich mich auch, eine der wenigen aus dem Iran stammenden Lokführerinnen zu sein.“

Die zweijährige Umschulung zum bzw. zur „Eisenbahner:in im Betriebsdienst“ ist ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt. Die Ausbildung wird von der Industrie- und Handelskammer (IHK) anerkannt. Das zweijährige Pilotprojekt ist Teil des vom Ministerium für Verkehr initiierten Modellprojekts „Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführer:innen“, das gemeinsam mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und weiteren Eisenbahnverkehrsunternehmen gestartet wurde. Das Land finanziert in dem aktuellen Kurs mit knapp 400.000 Euro die Integrationscoaches, die bei organisatorischen Angelegenheiten, Behördengängen und beim fachspezifischen Spracherwerb die Auszubildenden unterstützen.

Anfang Dezember 2022 trafen DB-Personalvorstand Martin Seiler, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann und die Geschäftsführerin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit (BA) Dr. Susanne Koch drei der angehenden LokführerInnen. Zwei Monate vor Abschluss der Umschulung fiel die vorläufige Bilanz durchweg positiv aus.

„Wir haben tolle neue Kolleginnen und Kollegen aus dem Iran kennengelernt, die sich innerhalb kurzer Zeit auf beeindruckende Weise mit der deutschen Sprache und den technischen Herausforderungen unserer Züge und Strecken vertraut gemacht haben“, so Seiler.

„Die angehenden Lokführerinnen und Lokführer für Nahverkehr leisten bald einen wichtigen Beitrag in der SPNV-Familie“, betonte Verkehrsminister Winfried Hermann

„Mit der Qualifizierungsoffensive WEITER.BILDUNG! fördert die Bundesagentur für Arbeit Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die ihre Mitarbeitenden weiterbilden, gleich, ob es um den Strukturwandel in der Unternehmenswelt, die fortschreitende Digitalisierung oder einen möglichen Fachkräftemangel geht. Das Programm bildet die Grundlage für das Modellprojekt „Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführern“. Natürlich gibt es auch für deutsche Bewerberinnen und Bewerber die Möglichkeit der Ausbildung oder Umschulung bei der Deutschen Bahn. Unternehmen, die jetzt in Weiterbildung investieren, werden langfristig erfolgreich sein und weniger unter dem Fachkräftemangel leiden als andere. Gleichzeitig ist unser Ziel, zur sozialen und beruflichen Integration von Menschen gleich welcher Herkunft beizutragen“, sagte Dr. Susanne Koch, Geschäftsführerin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.

Bei der S-Bahn Stuttgart arbeiten aktuell rund 400 LokführerInnen. Durch die Digitalisierung des Eisenbahnknotens in Stuttgart werden bis zu 25 zusätzliche Angestellte benötigt, indem die S-Bahn ihr Zugangebot ausweitet und bereits heute die Schulungen der Mitarbeitenden für die neue Technik durchführt. In den vergangenen zwei Jahren hat die S-Bahn Stuttgart über 100 Lokführerinnen und Lokführer eingestellt. Für 2023 sind Einstellungen in ähnlicher Größenordnung wie in den Vorjahren geplant.

Bereits seit 2015 engagiert sich die DB bei der Integration von Geflüchteten. Insgesamt hat das Unternehmen seitdem rund 600 Plätze zur Qualifizierung von Geflüchteten angeboten. Zu den Angeboten für berufserfahrene Geflüchtete gehören beispielsweise Umschulungen zum/zur ElektronikerIn für Betriebstechnik oder Weiterbildungen als BusfahrerIn oder VegetationspflegerIn.

Das Programm „Chance plus“ richtet sich an junge Geflüchtete und bereitet diese auf eine Ausbildung vor. Für Geflüchtete aus der Ukraine bietet die DB seit April 2022 ein umfassendes Job- und Beratungsprogramm. Dadurch wurden bereits 65 Ukrainerinnen und Ukrainer eingestellt und über 3.000 Beratungsgespräche geführt.

pm/tm

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