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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Konjunktur-Interview mit Edith Weymayr, L‑Bank‑Vorstands- vorsitzende

Karlsruhe. Der erste L-Bank-ifo-Geschäftsklimaindex zeigt wenig Erfreuliches: Die Unternehmen gehen ohne konjunkturellen Schwung ins neue Jahr. Dennoch bleibt Edith Wymayr, L-Bank Vorstandsvorsitzende zuversichtlich: „Die Hoffnung liegt auf der sinkenden Inflation, fallenden Zinsen und steigender Kaufkraft der Privathaushalte.“
Edith Weymayr, L‑Bank‑Vorstandsvorsitzende. Quelle: L-Bank/Wagenhan

09.01.2024

Frau Weymayr, wie beurteilen Sie die Entwicklung der Konjunkturstimmung im vergangenen Jahr?

Edith Weymayr: Das erste Quartal des Jahres 2023 war noch klar von der Erleichterung geprägt, dass der Winter 2022/2023 nicht ganz so schwierig gewesen war wie befürchtet und die drohende Gasmangellage nicht eingetreten ist. Die erhoffte konjunkturelle Dynamik ist dann allerdings in den Frühjahrs- und Sommermonaten auch in Baden-Württemberg ausgeblieben. Das hat insbesondere etwas mit der hohen Inflation und dem gestiegenen Zinsniveau zu tun, die sich negativ auf die Kauflaune der Privathaushalte und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auswirkten. Infolgedessen hat sich auch unser L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex ab Ende März deutlich eingetrübt und liegt nun bereits seit August kontinuierlich im zweistelligen Minusbereich.

Sehen Sie dennoch Chancen für eine positive konjunkturelle Entwicklung im Jahr 2024?

Edith Weymayr: Zu Beginn des Jahres 2024 wird die konjunkturelle Entwicklung vermutlich weiterhin noch durch das im letzten Jahr deutlich gestiegene Zinsniveau und die allgemein pessimistische Grundhaltung der Unternehmen und Privathaushalte belastet sein. Hinzu kommt, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Einsparungen im Bundeshaushalt und Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren wirtschaftspolitischen Ausrichtung zu rechnen ist. Aufgrund der rückläufigen Inflation und der zu erwartenden höheren Lohnabschlüsse besteht aber die Hoffnung, dass sich vor allem die Realeinkommen und damit der private Konsum im Lauf des Jahres 2024 sukzessive erholen. Daher ist für das Gesamtjahr nach Ansicht der meisten Forschungsinstitute zumindest mit einem leicht positiven Wirtschaftswachstum in Deutschland und somit vermutlich auch im Südwesten zu rechnen.

Sie haben die Entwicklung der Inflation angesprochen. Sind wir tatsächlich bereits über den Berg oder könnten die Preise im neuen Jahr wieder stärker steigen?

Edith Weymayr: In Baden-Württemberg ist die Inflationsrate bereits sehr deutlich von fast 9 % zu Beginn des Jahres 2023 auf inzwischen weniger als 4 % gesunken. Dieser Rückgang dürfte sich im Jahr 2024 vor allem wegen der nicht mehr ganz so hohen Energiepreise fortsetzen, wenn auch mit geringerem Tempo. Es ist jedoch nicht gänzlich auszuschließen, dass durch die vielfältigen geopolitischen Krisenherde neue Lieferkettenstörungen und Energiepreisschocks entstehen, was die Inflation wieder anheizen würde. Die baden-württembergischen Privathaushalte äußern sich diesbezüglich jedenfalls in unserer L‑Bank-GfK-Verbraucherumfrage noch vorsichtig. So rechnen mehr als ein Drittel der Befragten entgegen der Prognosen damit, dass die Preise im Jahr 2024 mindestens so stark steigen werden wie im Vorjahr.

Sind die baden-württembergischen Verbraucher auch generell eher skeptisch oder nimmt der Optimismus wieder zu?

Edith Weymayr: Die Verbraucherstimmung hat sich in den letzten Monaten tendenziell eher wieder verschlechtert, was neben dem fehlenden konjunkturellen Schwung wohl auch auf die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Haushaltsstreit der Bundesregierung zurückgeführt werden kann. Auch das Einkommens- und das Anschaffungsklima haben sich zuletzt wieder eingetrübt und liegen deutlich im negativen Bereich. Wir müssen abwarten, ob die zu erwartende Steigerung der Reallöhne im neuen Jahr die Kauflaune wieder steigert oder ob das aktuelle Zinsniveau eher die Anreize zum Sparen noch erhöht.

Das gestiegene Zinsniveau belastete im vergangenen Jahr auch den Bausektor und insbesondere den Wohnungsbau massiv. Ist hier 2024 endlich mit der ersehnten Trendwende zu rechnen?

Edith Weymayr: Das Geschäftsklima im Wohnungsbau hat zum Jahresende 2023 leider erneut einen langjährigen Tiefstand und damit den niedrigsten Stand seit dem Jahr 1996 erreicht. Fast die Hälfte der befragten Wohnungsbauunternehmen klagt derzeit über fehlende Aufträge, was die Bautätigkeit auch im ersten Quartal des neuen Jahres weiter bremsen dürfte. In dieser Gemengelage ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen im abgelaufenen Jahr regelrecht eingebrochen ist und in den ersten drei Quartalen etwa 30 % unter dem Vorjahresniveau lag. Es gibt jedoch tatsächlich Hoffnung im Hinblick auf das Jahr 2024. Wenn die Europäische Zentralbank angesichts der nachlassenden Inflation die Zinsen wieder senkt, könnte das im Jahresverlauf auch die Bautätigkeit wieder ankurbeln und somit dem Wohnungsbausektor aus der Krise verhelfen.

Hintergrund:

Für den L‑Bank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L‑Bank-GfK-Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den L‑Bank-Wohnungsbau-Report wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.

pm

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