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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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KI als wirtschaftliche Jahrhundertchance

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut will gemeinsam mit den Unternehmen das Land Baden-Württemberg als Spitzenstandort für Künstliche Intelligenz aufbauen.
© Gerd Lache

Von Gerd Lache

„Wir haben die Chance, betriebliche Prozesse effizienter zu ge­stalten, Produkte und Dienst­leistungen noch intelligenter – nämlich kognitiv – zu machen und letztendlich komplett neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, um damit dann auch international zu punkten.“
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat mit Blick auf das Hype-Thema Künstliche Intelligenz (KI) ein ehrgeiziges Ziel: „KI made in BW muss zum international sichtbaren Markenzeichen werden“, erklärte sie beim Digitalgipfel 2019 in der Stuttgarter Carl Benz Arena. Das ließ auch die zahlreichen Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen und Institutionen der Region Nordschwarzwald aufhorchen, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten. Künstliche Intelligenz, so die Ministerin, sei eine „wirtschaftliche Jahrhundertchance für unser Land, die wir auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen dürfen.“ In diesem Prozess sieht sie alle Akteure gefordert.

Dass KI nicht grundsätzlich ein Ur-Thema der IT-Experten aus den USA oder aus China ist, mit dieser Feststellung überraschte Professor Dr. Jürgen Schmidhuber. Der gebürtige Münchner ist seit 1995 wissenschaftlicher Direktor bei IDSIA, einem Schweizer Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz. Viele der maßgeblichen Innovationen, die von Weltgiganten wie Google & Co. genutzt werden, seien in Euro­pa und insbesondere in Deutschland entwickelt worden, machte der KI-Pionier deutlich. Beispielsweise lägen die meisten Patente für selbstfahrende Autos bei deutschen Firmen, vor allem im süddeutschen Raum. Bereits 1994 ist laut Schmidhuber in München ein Selbstfahrer testweise auf die Straße geschickt worden, der „drei Mal so schnell gefahren ist, wie die Google-Autos heute“. Laut einer Erhebung gebe es in diesem Bereich hierzulande mehr Patentanmeldungen als in China und den USA zusammen. 

Sieht bei den Unternehmen der Region Nordschwarzwald hohes Potenzial, um die Herausforderungen der Digitalisierung und der „Künstlichen Intelligenz“ zu bestehen: KI-Pionier Professor Dr. Jürgen Schmidhuber. © KD Busch

„Aber warum weiß das niemand?“, fragt Professor Schmidhuber und fügt die Antwort gleich hinzu: „Weil die deutschen Firmen nichts von Propaganda verstehen.“ Mit dieser Feststellung hat der Pionier für Künstliche Intelligenz (KI) den Applaus der rund 2000 Besucherinnen und Besucher beim Digitalgipfel 2019 auf seiner Seite.

Das seit 2018 einmal jährlich stattfindende zentrale Gipfeltreffen der Initiative „Wirtschaft 4.0“, die vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium initiiert wurde, hatte dieses Mal den Fokus auf das Thema Künstliche Intelligenz gelegt. Dass das hoch gesteckte Ziel der Wirtschaftsministerin – Baden-Württemberg in die KI-Spitzenliga zu bringen – nicht ganz kampflos erreicht werden kann, machte Professor Cédric Villani deutlich. Der Mathematik-Professor und Berater
des französischen Staatspräsiden­ten Macron sprach von einem international extremen Wettbewerb. Mehr noch: Er sieht einen „Kalten
Krieg des 21. Jahrhunderts“, bei dem Europa unter die Räder kommen könnte, wenn es den Anschluss verliere.

KI-Experte Professor Cédric Villani, Berater des französischen Staatspräsidenten Macron, sieht im internationalen Rennen um die besten Lösungen bei „Künstlicher Intelligenz“ einen „Kalten Krieg des 21. Jahrhunderts“, bei dem Europa verlieren könnte. © Doris Löffler

Deshalb will Hoffmeister-Kraut die Zusammenarbeit zwischen Baden-Württemberg und Frankreich intensivieren. So ist beispielsweise die Beteiligung am Deutsch-Französischen Zentrum für Künstliche Intelligenz vorgesehen. Von einem „Innovationspark KI“, eventuell mit Sitz in Karlsruhe, war die Rede. Immerhin liegt die Fächerstadt laut David Hermanns, Geschäftsführer des Cyberforums, im deutschlandweiten Vergleich bereits auf dem dritten Platz bei Start-ups mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz. Mit einem Innovationspark als physisches Innovations- und Wertschöpfungszentrum für KI-Produkte und -Dienstleistungen „wollen wir Baden-Württemberg national und international bei der Kommerzialisierung von KI mit an die Spitze setzen“, erklärte Hoffmeister-Kraut. Dazu werde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, „um wirtschaftliche, finanzielle, technische und rechtliche Fragen und nicht zuletzt auch den unabdingbaren Flächenbedarf vorab hinreichend zu klären“, kün­digte sie an.

Auch diverse Kooperationen bei wesentlichen KI-Themen wie dem maschinellen Lernen und der Robotik stehen auf dem Aktionsplan. „Zusätzlich unterstützen wir mit den vom Technologiebeauftragten initiierten Pop-up Laboren den digitalen Wissenstransfer im Land“, so die Ministerin. Dabei handele es sich um Lern- und Experimentierräume in verschiedenen Regionen des Landes, die auf eine Dauer von rund einer Woche eingerichtet würden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen können sich dort „niederschwellig und ortsnah mit Innovationsthemen beschäftigen“.

Laut Professor Villani würden die Großen der internationalen Branche gigantische finanzielle Summen in die Forschung investieren. Alleine
eine einzelne chinesische Stadt käme umgerechnet auf milliardenschwere Investitionen. Shanghai etwa stecke umgerechnet 15 Milliarden Euro in die KI-Forschung. Eher schon bemitleidenswert wirken da die Gelder, die der Wirtschaftsministerin zur Verfügung stehen: „Rund eine Milliarde Euro werden in dieser Legislaturperiode in die Digitalisierung investiert, die Hälfte davon in den Ausbau der digitalen Infrastruktur“, erklärte sie. 

Bei weitem nicht genug, befindet KI-Professor Schmidhuber über die
vergleichsweise bescheidene Landes-Investition: Er spricht von einem Bedarf von 15 Milliarden Euro – aktuell wäre dies das 15-Fache des Ministerium-Haushalts. Und er stellt in Aussicht: „Diese Investition kommt um ein Vielfaches wieder zurück.“ 

Schmidhuber ist überzeugt: Gerade Baden-Württemberg sei mit seinen
Automotiv-Unternehmen und Maschinenbauern derart gut aufgestellt, „um die führende Rolle zu übernehmen“. KI werde bislang vor allem im Marketingbereich eingesetzt und erziele damit auf dem Weltmarkt lediglich einen Anteil von rund zwei Prozent. In Zukunft aber würden Maschinen und Roboter mit immer mehr Sensoren und Kameras ausgestattet und sie lernten selbstständig dazu. Dieser große Teil der Weltwirtschaft werde schnell wachsen. 

Eine immense Chance also für die Automobil-Zulieferer und Ma­schi-
nenbauer in der Region Nord­schwarzwald, wie den Ausführun­gen des KI-Experten zu entnehmen ist. Hier agieren Weltmarktführer, teilweise mit einem Marktanteil von bis zu 80 Prozent. Es gelte, Nischen zu besetzen. 

KI, sagt Schmidhuber voraus, „wird alles ändern, und alle Aspekte der Weltwirtschaft erfassen“. Die nächs­te große Welle sieht Schmidhuber bereits anrollen: In der Gesundheitsindustrie ergäben sich durch KI enorme Potenziale. Dort stehe man am Anfang. Der Südwesten sei bei diesen Branchen gut aufgestellt und habe gute Chancen diese Nische besetzen zu können – vorausgesetzt, man werde schnell aktiv.

Um gerade auch „die kleinen und mittleren Unternehmen in der Fläche des Landes bei der Gestaltung der digitalen Transformation zu unterstützen“, so Hoffmeister-Kraut, habe das Wirtschaftsministerium zehn regionale „Digital Hubs“ auf den Weg gebracht. Dabei handelt es sich jeweils um eine Art Knotenpunkt, an dem Wissenstransfer, Beratung, Kollaboration und Förderung von Existenzgründungen stattfinden. Einer dieser Kristallisationspunkte ist der „Digital Hub Nordschwarzwald“ .

Leitregion des digitalen Wandels

Die Digitalisierung ist ein zen­traler Arbeitsschwerpunkt der
baden-württembergischen Lan­desregierung: Rund eine Milliarde Euro werden in dieser Legislaturperiode in die Digita­lisierung investiert. Alle Vorha­ben werden unter dem Dach des Digitalisierungsministeriums koordiniert und gebündelt. 

Rund 70 Projekte mit einem Vo­lumen von 265 Millionen Euro
werden umgesetzt, um Baden-Württemberg als Leitregion des digitalen Wandels in Europa zu verankern. Schwerpunkte von „digital@bw“ sind die Bereiche Intelligente Mobilität der Zukunft, digitale Start-Ups, Wirt­schaft 4.0, Bildung und Weiterbildung in Zeiten der Digitalisierung, digitale Gesundheitsanwendungen sowie digitale Zukunftskommunen und Verwaltung 4.0. Dazu kommen die Querschnittsbereiche Forschung, Entwicklung und Innovation, Nachhaltigkeit und Energiewende, Datensicherheit, Datenschutz und Verbraucherschutz. gel

© Gerd Lache
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