Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
25.08.2023
Von Jennifer Warzecha
Fast idyllisch liegt Dentaurum, das älteste Dentalunternehmen der Welt und eines aus dem Fünf Prozent-Segment der größten Hersteller von zahnmedizinischen Produkten in Deutschland, im Ispringer Industriegebiet. Ganz stolz berichtet der Geschäftsführende Gesellschafter der Dentaurum GmbH & Co. KG und der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der deutschen Dentalindustrie, Mark Stephen Pace, davon. Wenn da nur die Bürokratie nicht wäre…
Seit 39 Jahren ist Mark Stephen Pace in der Zahnmedizinindustrie tätig, seit 1991 in führender Position. Dementsprechend kennt er sich in wirtschaftlichen Belangen aus und weiß, über die Folgen überbordernder Bürokratie zu berichten. Bildquelle: © Dentaurum
Schon der Einlass ins Betriebsgebäude geht nur über die Anti-Terror-, die Compliance-Prüfung. „Jeder Besucher, Lieferant oder Mitarbeiter muss über die Compliance-Prüfung gehen. Alle geschäftlichen Kontakte müssen geprüft werden“, sagt Pace. Dafür gebe es im Unternehmen einen entsprechenden Beauftragten, der über die Software prüft, wer zur Tür hereinkommt. „Das kostet Zeit und Geld“, kritisiert Pace.
Hier im Eingangsbereich wird man freundlich und höflich empfangen – muss aber zugleich durch die Kontrolle. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Im Firmengebäude hat Mark Stephen Pace ein Museum eingerichtet, das sowohl die neueste Technik zeigt, als auch die ganz alte. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Im Weiteren differenziert er. So biete das Verfahren auch Sicherheit, eben vor Terroristen. Weil aber auch Exporteure geprüft werden müssen, habe das zunächst gegen den Datenschutz verstoßen. „Wir haben uns alleine gelassen gefühlt.“ Wie es sich für einen Unternehmer und Gesellschafter gehört, habe er das nicht auf sich sitzen lassen und für Klarheit gesorgt. „Ich habe eine Beschwerde gegen Deutschland an die EU-Kommission geschickt. Darauf hin hat man mir geantwortet, dass sie sich die Sache anschauen. Dann kam ein Gerichtsurteil, dass die Wichtigkeit der Sache vor den Datenschutz gestellt hat.“ Insgesamt spielten wie bei nahezu jeder Sache stets verschiedene Interessen eine Rolle, so auch bei der, Bürokratie abzubauen.
Nicht nur den Wandel der Wirtschaft mit Blick auch auf die Bürokratie hat Mark Stephen Pace im Blick, sondern auch die Entwicklung unterschiedlicher Gebissarten, wie hier im weiteren Teil des Museums. Bildquelle: Jennifer Warzecha
„Wenn wir uns selbst mit zu viel Bürokratie einmüllen, ist das nicht sinnvoll. Die Bundesregierungen der letzten Jahre haben bereits mehrere Bürokratieentlastungsgesetze auf den Weg gebracht. Doch statt weniger erleben wir mehr Bürokratie durch immer neue Berichtspflichten deutschen oder europäischen Stellen gegenüber“, so der Unternehmer. „Erschwerend kommt hinzu, dass wir die Berichtspflichten oftmals nicht digital erfüllen sollen, sondern wir aufwändigen Papierkram zu bearbeiten haben. Hier brauchen wir dringend Entlastungen von den Berichtspflichten, um unseren unternehmerischen Aufgaben und Pflichten nachgehen zu können!“ Beispielhaft dafür ist die seitenlange Bedienungsanleitung in verschiedenen Sprachen zu nennen, die einzelnen Geräten beizufügen sei und deren Ausarbeitung immens viel Zeit in Anspruch nehme.
Die Dokumentation der Zeitgeschichte kommt hier im Museum nicht zu kurz und zeigt zum Beispiel Goldzähne, die noch bis vor 15 Jahren häufig und gerne als Zahnersatz verwendet wurden. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Als Beispiel dafür, in welchem Bereich es in seiner Branche hinsichtlich der Bürokratie im Argen liegt, nennt er die Medizinprodukteverordnung. So sei dies die Verschärfung geltender Richtlinien, die zur Folge hatten, dass bereits zugelassene und verwendete Produkte in Detallaboren und Zahnarztpraxen erneut seit Jahren dokumentiert und zertifiziert werden müssten. Das erscheine ihm unnötig, auch angesichts dessen, dass die verwendeten Materialien kaum Risiken oder Nebenwirkungen böten.
„Der zeitliche und personelle Aufwand für die Erstellung der vorgeschriebenen Dokumentation stellt gerade die KMU vor enorme Herausforderungen, der in einem schlechten Verhältnis zum Ertrag steht. Viele kleine und mittlere Unternehmen sehen sich gezwungen, Mitarbeiter aus anderen Bereichen für diese Aufgaben abzustellen. Dadurch sind Entwicklungs- und Marketingaktivitäten seit Jahren stark eingeschränkt worden.“
Besonders kleine und mittlere Unternehmen treffen die hohen bürokratischen Hürden, die eher immer mehr als weniger werden. Viele haben aufgegeben oder geben auf, prognostiziert Mark Stephen Pace. „Den Menschen in Deutschland wird über die Politik und über Medien suggeriert, dass es der gesamten Wirtschaft sehr gut geht, obwohl das nur für die Gesamtsumme der Wirtschaft gilt. Bei den KMU ist es sehr differenziert, teilweise sogar sehr schlecht. Die Mitarbeiter werden daher häufiger unzufrieden, verlangen utopische Lohnerhöhungen und Inflationsausgleichsprämien. Sie sind oft der Meinung, dass der Arbeitgeber sie zu kurzhält, um sich selbst zu bereichern und wandern immer öfter ab, am liebsten in die Großindustrie.“ Dies sei zum Beispiel bei den deutschen Pharma-Unternehmen so gewesen. Auf die Frage, was man nun tun könne, um die KMUs im eigenen Land zu halten, antwortet Pace: „Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie treten wir für einen radikalen Bürokratieabbau ein, um Arbeitsplätze in Deutschland sowie unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“
Auch der Firmengebäudekomplex aus dem Jahr 1986 ist links zu sehen und dokumentiert damit das seinerzeit 100-jährige Jubiläum des Unternehmens. Bildquelle: Jennifer Warzecha
25.08.2023
„Wenn wir uns selbst mit zu viel Bürokratie einmüllen, ist das nicht sinnvoll. Die Bundesregierungen der letzten Jahre haben bereits mehrere Bürokratieentlastungsgesetze auf den Weg gebracht. Doch statt weniger erleben wir mehr Bürokratie durch immer neue Berichtspflichten deutschen oder europäischen Stellen gegenüber.“
Von Jennifer Warzecha
Fast idyllisch liegt Dentaurum, das älteste Dentalunternehmen der Welt und eines aus dem Fünf Prozent-Segment der größten Hersteller von zahnmedizinischen Produkten in Deutschland, im Ispringer Industriegebiet. Ganz stolz berichtet der Geschäftsführende Gesellschafter der Dentaurum GmbH & Co. KG und der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der deutschen Dentalindustrie, Mark Stephen Pace, davon. Wenn da nur die Bürokratie nicht wäre…
Seit 39 Jahren ist Mark Stephen Pace in der Zahnmedizinindustrie tätig, seit 1991 in führender Position. Dementsprechend kennt er sich in wirtschaftlichen Belangen aus und weiß, über die Folgen überbordernder Bürokratie zu berichten. Bildquelle: © Dentaurum
Schon der Einlass ins Betriebsgebäude geht nur über die Anti-Terror-, die Compliance-Prüfung. „Jeder Besucher, Lieferant oder Mitarbeiter muss über die Compliance-Prüfung gehen. Alle geschäftlichen Kontakte müssen geprüft werden“, sagt Pace. Dafür gebe es im Unternehmen einen entsprechenden Beauftragten, der über die Software prüft, wer zur Tür hereinkommt. „Das kostet Zeit und Geld“, kritisiert Pace.
Hier im Eingangsbereich wird man freundlich und höflich empfangen – muss aber zugleich durch die Kontrolle. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Im Firmengebäude hat Mark Stephen Pace ein Museum eingerichtet, das sowohl die neueste Technik zeigt, als auch die ganz alte. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Im Weiteren differenziert er. So biete das Verfahren auch Sicherheit, eben vor Terroristen. Weil aber auch Exporteure geprüft werden müssen, habe das zunächst gegen den Datenschutz verstoßen. „Wir haben uns alleine gelassen gefühlt.“ Wie es sich für einen Unternehmer und Gesellschafter gehört, habe er das nicht auf sich sitzen lassen und für Klarheit gesorgt. „Ich habe eine Beschwerde gegen Deutschland an die EU-Kommission geschickt. Darauf hin hat man mir geantwortet, dass sie sich die Sache anschauen. Dann kam ein Gerichtsurteil, dass die Wichtigkeit der Sache vor den Datenschutz gestellt hat.“ Insgesamt spielten wie bei nahezu jeder Sache stets verschiedene Interessen eine Rolle, so auch bei der, Bürokratie abzubauen.
Nicht nur den Wandel der Wirtschaft mit Blick auch auf die Bürokratie hat Mark Stephen Pace im Blick, sondern auch die Entwicklung unterschiedlicher Gebissarten, wie hier im weiteren Teil des Museums. Bildquelle: Jennifer Warzecha
„Wenn wir uns selbst mit zu viel Bürokratie einmüllen, ist das nicht sinnvoll. Die Bundesregierungen der letzten Jahre haben bereits mehrere Bürokratieentlastungsgesetze auf den Weg gebracht. Doch statt weniger erleben wir mehr Bürokratie durch immer neue Berichtspflichten deutschen oder europäischen Stellen gegenüber“, so der Unternehmer. „Erschwerend kommt hinzu, dass wir die Berichtspflichten oftmals nicht digital erfüllen sollen, sondern wir aufwändigen Papierkram zu bearbeiten haben. Hier brauchen wir dringend Entlastungen von den Berichtspflichten, um unseren unternehmerischen Aufgaben und Pflichten nachgehen zu können!“ Beispielhaft dafür ist die seitenlange Bedienungsanleitung in verschiedenen Sprachen zu nennen, die einzelnen Geräten beizufügen sei und deren Ausarbeitung immens viel Zeit in Anspruch nehme.
Die Dokumentation der Zeitgeschichte kommt hier im Museum nicht zu kurz und zeigt zum Beispiel Goldzähne, die noch bis vor 15 Jahren häufig und gerne als Zahnersatz verwendet wurden. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Als Beispiel dafür, in welchem Bereich es in seiner Branche hinsichtlich der Bürokratie im Argen liegt, nennt er die Medizinprodukteverordnung. So sei dies die Verschärfung geltender Richtlinien, die zur Folge hatten, dass bereits zugelassene und verwendete Produkte in Detallaboren und Zahnarztpraxen erneut seit Jahren dokumentiert und zertifiziert werden müssten. Das erscheine ihm unnötig, auch angesichts dessen, dass die verwendeten Materialien kaum Risiken oder Nebenwirkungen böten.
„Der zeitliche und personelle Aufwand für die Erstellung der vorgeschriebenen Dokumentation stellt gerade die KMU vor enorme Herausforderungen, der in einem schlechten Verhältnis zum Ertrag steht. Viele kleine und mittlere Unternehmen sehen sich gezwungen, Mitarbeiter aus anderen Bereichen für diese Aufgaben abzustellen. Dadurch sind Entwicklungs- und Marketingaktivitäten seit Jahren stark eingeschränkt worden.“
Besonders kleine und mittlere Unternehmen treffen die hohen bürokratischen Hürden, die eher immer mehr als weniger werden. Viele haben aufgegeben oder geben auf, prognostiziert Mark Stephen Pace. „Den Menschen in Deutschland wird über die Politik und über Medien suggeriert, dass es der gesamten Wirtschaft sehr gut geht, obwohl das nur für die Gesamtsumme der Wirtschaft gilt. Bei den KMU ist es sehr differenziert, teilweise sogar sehr schlecht. Die Mitarbeiter werden daher häufiger unzufrieden, verlangen utopische Lohnerhöhungen und Inflationsausgleichsprämien. Sie sind oft der Meinung, dass der Arbeitgeber sie zu kurzhält, um sich selbst zu bereichern und wandern immer öfter ab, am liebsten in die Großindustrie.“ Dies sei zum Beispiel bei den deutschen Pharma-Unternehmen so gewesen. Auf die Frage, was man nun tun könne, um die KMUs im eigenen Land zu halten, antwortet Pace: „Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie treten wir für einen radikalen Bürokratieabbau ein, um Arbeitsplätze in Deutschland sowie unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“
Auch der Firmengebäudekomplex aus dem Jahr 1986 ist links zu sehen und dokumentiert damit das seinerzeit 100-jährige Jubiläum des Unternehmens. Bildquelle: Jennifer Warzecha
Jetzt Newsletter abonnieren und von vielen Vorteilen profitieren!