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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Zwischen Nachwuchssorgen und KI-Hoffnung: Kreishandwerkerschaft zieht gemischte Jahresbilanz

Bei der Hauptversammlung 2025 der Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis in Ötisheim ging es neben der Jahresbilanz auch um Weichenstellungen für die Zukunft von Verband und Handwerk allgemein.
Die Führungsriege der Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis (v. l.): Patrick Vester (stv. Kreishandwerksmeister), Matthias Morlock (Geschäftsführer), Frank Herrmann (Kreishandwerksmeister), Timo Gerstel (stv. Kreishandwerksmeister), Catarina Haberstroh (stv. Geschäftsführerin) Foto: Christian Roch

17.11.2025

von Christian Roch

„Wir sind grundsätzlich in einer guten Situation. Die Wertschätzung des Handwerks ist hoch, auch wenn sich das in der Politik noch zu wenig widerspiegelt“ begrüßte Kreishandwerksmeister Frank Herrmann die rund 35 anwesenden Mitgliedsvertreter. Die Auslastung der Mitgliedsbetriebe sei gut bis sehr gut, so Herrmann weiter. Dennoch bleibe insbesondere die Gewinnung qualifizierter Fach- und Nachwuchskräfte schwierig. Die lokalen Handwerksbetriebe seien zwar bemüht, auch Fachkräfte aus der schwächelnden Industrie ins Handwerk zu locken. Dies scheitere aber oft an hohen Ansprüchen bei Lohn, Urlaub und Zusatzleistungen, welche die Bewerber von ihren bisherigen Arbeitgebern gewohnt seien.

Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erhofft sich die Kreishandwerkerschaft auch durch die Landtagswahl 2026. Kreishandwerksmeister Herrmann berichtete, die Kreishandwerkerschaft sei im Gespräch mit der Politik und begrüße insbesondere die Positionen von FDP und CDU zur Stärkung von Wirtschaft und Handwerk.

Nachwuchsgewinnung hat höchste Priorität

Das Thema Ausbildung nahm im Rahmen der Veranstaltung breiten Raum ein. „Das Ansehen des Handwerks steigt, auch bei den Eltern“, konstatierte Frank Herrmann. Sowohl im Regierungsbezirk Karlsruhe als auch im ganzen Land Baden-Württemberg sei die Zahl der Auszubildenden erneut gestiegen. Einen tieferen Einblick in die Situation der beruflichen Schulen gaben deren Vertreter Birgitta Nick (Alfons-Kern-Schule Pforzheim), Loralie Kuntner (Heinrich-Wieland-Schule Pforzheim) und Udo Schädlich (Berufliche Schule Mühlacker). Sie berichteten von insgesamt befriedigenden Schülerzahlen, aber starken Unterschieden zwischen den einzelnen Gewerken und Branchen. Während insbesondere in Pforzheim die Kfz-Meisterlehrgänge stark nachgefragt seien, fehle es an Auszubildenden in Bau-, Metall-, Elektro- und neuerdings auch Holzhandwerk. Schulleiterin Birgitta Nick betonte, viele Schülerinnen und Schüler benötigten Unterstützung in Basisfächern wie Mathematik und Deutsch. Udo Schädlich ergänzte: „Trotz mancher Insolvenz haben es die Betriebe in unserem Einzugsgebiet geschafft, die Ausbildungszahlen hochzuhalten. Aber auch wir brauchen Lückenschließkurse, um die Abbruchquoten so niedrig wie möglich zu halten.“

Weniger Mitglieder und rückläufige Beiträge

Im anschließenden Geschäftsbericht hielt Geschäftsführer Matthis Morlock Rückschau auf die Aktivitäten des abgelaufenen Jahres. Die Kreishandwerkerschaft war mit Handwerkerforum, Berufe-Meile in Pforzheim, Politischem Saueressen, Freisprechungsfeier etc. stark in der Öffentlichkeit präsent. Lobend betonte Morlock, dass der Verband dank des Engagements seiner designierten Nachfolgerin Catarina Haberstroh auch auf Social Media verstärkt wahrgenommen werde.

Mit 824 Mitgliedsbetrieben im Jahr 2024 setzte sich das Schrumpfen der Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis weiter fort. Die Mehrzahl der ausgeschiedenen Betriebe habe aus Altersgründen aufgegeben, so Matthias Morlock. Auf der anderen Seite hätten sich viele Mitgliedsbetriebe in den vergangenen Jahren vergrößert. Dadurch gebe es eine zunehmende Schieflage bei den Mitgliedsbeiträgen, mit denen die Aktivitäten der Kreishandwerkerschaft finanziert werden. Als mögliche Lösung schlug der Vorstand eine Ergänzung der Mitgliedsbeiträge um eine variable Komponente vor: Diese soll ein Promille der betrieblichen Lohnsumme betragen und bei 35 Millionen Euro Gesamt-Lohnsumme gedeckelt sein. So könne vermieden werden, dass Betriebe übermäßig belastet würden. Die Anwesenden wurden gebeten, diesen Vorschlag in ihre jeweiligen Innungen zu tragen.

KI-Agenten machen das Handwerk rund um die Uhr erreichbar

Bei der Jahresversammlung gab es neben Statistiken und Lageberichten auch praktische Einblicke in den Handwerksbetrieb der Zukunft zu erleben. Zunächst ermutigte Frank Herrmann die Teilnehmenden, moderne Technologien und insbesondere das Thema KI konstruktiv aufzugreifen: „Wir machen immer noch so viel von Hand, das wird uns keine KI jemals wegnehmen.“ Danach stellte Catarina Haberstroh „Hallo Petra“ vor, eine KI-generierte Telefon-Agentin. Sie soll Handwerksbetriebe bei der Bearbeitung von Kundenanfragen entlasten. Ein zugeschalteter IT-Experte erläuterte, dass die „Software-Bürokraft“ rund um die Uhr Kundenanfragen annehmen, verarbeiten, protokollieren und weiterleiten kann. Eine kurze Live-Demonstration bewies im Anschluss zwar, dass auch das raffinierteste KI-Modell immer nur so gut ist wie seine Trainingsdaten. Dennoch bekräftigte Kreishandwerksmeister Herrmann im Anschluss: „KI ist schon in den Betrieben angekommen und wird dort auch bleiben.“

In einem weiteren Vortrag appellierte Catarina Haberstroh an die Mitgliedsbetriebe, sich noch stärker ehrenamtlich für die Förderung des Handwerks einzusetzen. Ohne diesen Einsatz seien effektive Nachwuchsgewinnung und wertvolle Lobbyarbeit nicht vorstellbar: „Das Ehrenamt ist die Schatzkiste des Handwerks, um viel zu bewegen.“ Zwei Gastvorträge zu den Themen Cybersicherheit im Handwerk und Betriebliches Gesundheitsmanagement schlossen den 360° Rundumblick in die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Kreishandwerkerschaft Pforzheim-Enzkreis ab.

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