Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
16.10.2024
von Christian Roch
Mit 21 Jahren war Michael Stoermer plötzlich verantwortlich für 100 Bundeswehrsoldaten. Schnell merkte der Jungoffizier, welchen Nachholbedarf er beim Thema Autorität hatte: „Da begann ich, mich für Führung und Motivation zu interessieren.“ Heute coacht Stoermer in seiner Unternehmensberatung Manager zu Teamführung und IT. „Dabei erfahre ich aus erster Hand, welche Nachteile die ‚schöne neue hybride Arbeitswelt‘ mit sich gebracht hat“, verrät er im WirtschaftsKRAFT-Interview.
Insbesondere jüngere Führungskräfte fühlten sich mit dem Thema Führung alleine gelassen: „Die haben im Homeoffice niemanden, von dem sie das Führungshandwerk lernen könnten. Oft geht es um klassische Themen wie ‚wie gehe ich mit schwierigen Mitarbeitenden um‘ oder ‚was kann ich tun, wenn meine Vorgesetzten für mich kaum erreichbar sind?‘“
Unternehmens-Coach Stoermer glaubt, viele Teams und Vorgesetzte hätten vergessen, welche Kraft persönliche Zusammenarbeit entwickeln kann: „Stellen Sie sich vor, Julian Nagelsmann würde die Fußball-Nationalelf per Videocall coachen. Würde das funktionieren?“ Die meisten Führungskräfte hätten in der Pandemie nicht angemessen auf die plötzlich veränderten Arbeitsbedingungen reagiert: „Die hätten jeden Freitag ihre Leute anrufen müssen und fragen ‚Wie geht es dir? Was bewegt dich? Was können wir optimieren?‘“. Stattdessen hätten sich die Chefs lieber zu Hause auf dem Fitness-Fahrrad selbst optimiert. „Was sie sehr wohl bemerkt haben: Die Kraft des Teams ist nicht mehr existent, da entstehen keine spontanen Ideen mehr, keine Synergien, nichts.“
Die Nachteile von Homeoffice und Telearbeit erkennen auch die Beschäftigten: Eine vom Softwarekonzern Cisco initiierte Studie ermittelte 2023, dass 72 % der Befragten bereit waren, wieder mehr Zeit in der Firma zu verbringen. Aber welche Anreize muss ein Arbeitgeber bieten, damit die Belegschaft wieder den täglichen Weg ins Büro auf sich nimmt? „Schreibtisch, Kaffee, Obstkorb, das wird es nicht sein“ weiß Michael Stoermer: „Ich empfehle meinen Kunden, bei der Koordination der Präsenzzeiten zu beginnen: Büros müssen eine soziale Umgebung schaffen, in der man produktiv im Team arbeiten, aber sich auch mal zufällig treffen und reden kann. Das zweite große Thema sind Schulungen: Viele Unternehmen bieten jetzt durchgängig von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr Präsenzschulungen zu unterschiedlichsten Themen an. Das ist natürlich ein starker Anreiz: Ich treffe im Büro Leute, ich kann plaudern und ich lerne etwas.“
Den Einwand, kleinere Unternehmen könnten den erforderlichen Schulungsaufwand gar nicht leisten, lässt Coach Stoermer nicht gelten: „Wenn das Team nicht funktioniert, ist das ergebnisintensiver als jede neue Maßnahme, die Sie umsetzen. Dann stellt sich eben die Chefin oder der Chef selbst hin und schult nach Feierabend. Ich weiß aus meiner Praxis: Da ergeben sich schnell Domino-Effekte und Mitarbeitende werden selbst zu Coaches für Themen, die ihnen am Herzen liegen. Genau das ist Teambuilding, da können sich Führungskräfte nicht rausreden. Es ist ihre Pflicht, in das Team zu investieren.“
Ob Präsenz oder Homeoffice, Michael Stoermer empfiehlt Führungskräften, zunächst die Führungs-Basics zu verinnerlichen: „Ich bitte Chefs regelmäßig: Nennen Sie mir einen Mitarbeitenden mit Vornamen. Wann hat diese Person Geburtstag. Was ist mit Partner und Kindern? Haben sie hierauf keine Antwort, spreche ich mit ihnen nicht über Schulungen, sondern trage ihnen auf, erst einmal ihre Mitarbeitenden kennenzulernen. Gute Führung ist genau das: Stelle erst eine persönliche Verbindung zu deinem Team her, investiere dann in ihren Wissenszuwachs und begeistere sie dann für deine eigenen Ziele!“
In Zukunft, prophezeit Stoermer, werde die zwischenmenschliche Komponente im „war for talents“ ohnehin immer wichtiger: „Die sogenannte „caring company“ nimmt familiäre Anknüpfungspunkte ins Visier, um Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Es gibt schon heute Firmen, die organisieren und bezahlen den Pflegeplatz für die Mutter und kümmern sich um die Reitstunden der Kinder. Wer in so starke Strukturen eingebunden ist, verlässt seinen Arbeitgeber nicht mal eben wegen ein paar Euro mehr Gehalt.“
16.10.2024
von Christian Roch
Mit 21 Jahren war Michael Stoermer plötzlich verantwortlich für 100 Bundeswehrsoldaten. Schnell merkte der Jungoffizier, welchen Nachholbedarf er beim Thema Autorität hatte: „Da begann ich, mich für Führung und Motivation zu interessieren.“ Heute coacht Stoermer in seiner Unternehmensberatung Manager zu Teamführung und IT. „Dabei erfahre ich aus erster Hand, welche Nachteile die ‚schöne neue hybride Arbeitswelt‘ mit sich gebracht hat“, verrät er im WirtschaftsKRAFT-Interview.
Insbesondere jüngere Führungskräfte fühlten sich mit dem Thema Führung alleine gelassen: „Die haben im Homeoffice niemanden, von dem sie das Führungshandwerk lernen könnten. Oft geht es um klassische Themen wie ‚wie gehe ich mit schwierigen Mitarbeitenden um‘ oder ‚was kann ich tun, wenn meine Vorgesetzten für mich kaum erreichbar sind?‘“
Unternehmens-Coach Stoermer glaubt, viele Teams und Vorgesetzte hätten vergessen, welche Kraft persönliche Zusammenarbeit entwickeln kann: „Stellen Sie sich vor, Julian Nagelsmann würde die Fußball-Nationalelf per Videocall coachen. Würde das funktionieren?“ Die meisten Führungskräfte hätten in der Pandemie nicht angemessen auf die plötzlich veränderten Arbeitsbedingungen reagiert: „Die hätten jeden Freitag ihre Leute anrufen müssen und fragen ‚Wie geht es dir? Was bewegt dich? Was können wir optimieren?‘“. Stattdessen hätten sich die Chefs lieber zu Hause auf dem Fitness-Fahrrad selbst optimiert. „Was sie sehr wohl bemerkt haben: Die Kraft des Teams ist nicht mehr existent, da entstehen keine spontanen Ideen mehr, keine Synergien, nichts.“
Die Nachteile von Homeoffice und Telearbeit erkennen auch die Beschäftigten: Eine vom Softwarekonzern Cisco initiierte Studie ermittelte 2023, dass 72 % der Befragten bereit waren, wieder mehr Zeit in der Firma zu verbringen. Aber welche Anreize muss ein Arbeitgeber bieten, damit die Belegschaft wieder den täglichen Weg ins Büro auf sich nimmt? „Schreibtisch, Kaffee, Obstkorb, das wird es nicht sein“ weiß Michael Stoermer: „Ich empfehle meinen Kunden, bei der Koordination der Präsenzzeiten zu beginnen: Büros müssen eine soziale Umgebung schaffen, in der man produktiv im Team arbeiten, aber sich auch mal zufällig treffen und reden kann. Das zweite große Thema sind Schulungen: Viele Unternehmen bieten jetzt durchgängig von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr Präsenzschulungen zu unterschiedlichsten Themen an. Das ist natürlich ein starker Anreiz: Ich treffe im Büro Leute, ich kann plaudern und ich lerne etwas.“
Den Einwand, kleinere Unternehmen könnten den erforderlichen Schulungsaufwand gar nicht leisten, lässt Coach Stoermer nicht gelten: „Wenn das Team nicht funktioniert, ist das ergebnisintensiver als jede neue Maßnahme, die Sie umsetzen. Dann stellt sich eben die Chefin oder der Chef selbst hin und schult nach Feierabend. Ich weiß aus meiner Praxis: Da ergeben sich schnell Domino-Effekte und Mitarbeitende werden selbst zu Coaches für Themen, die ihnen am Herzen liegen. Genau das ist Teambuilding, da können sich Führungskräfte nicht rausreden. Es ist ihre Pflicht, in das Team zu investieren.“
Ob Präsenz oder Homeoffice, Michael Stoermer empfiehlt Führungskräften, zunächst die Führungs-Basics zu verinnerlichen: „Ich bitte Chefs regelmäßig: Nennen Sie mir einen Mitarbeitenden mit Vornamen. Wann hat diese Person Geburtstag. Was ist mit Partner und Kindern? Haben sie hierauf keine Antwort, spreche ich mit ihnen nicht über Schulungen, sondern trage ihnen auf, erst einmal ihre Mitarbeitenden kennenzulernen. Gute Führung ist genau das: Stelle erst eine persönliche Verbindung zu deinem Team her, investiere dann in ihren Wissenszuwachs und begeistere sie dann für deine eigenen Ziele!“
In Zukunft, prophezeit Stoermer, werde die zwischenmenschliche Komponente im „war for talents“ ohnehin immer wichtiger: „Die sogenannte „caring company“ nimmt familiäre Anknüpfungspunkte ins Visier, um Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Es gibt schon heute Firmen, die organisieren und bezahlen den Pflegeplatz für die Mutter und kümmern sich um die Reitstunden der Kinder. Wer in so starke Strukturen eingebunden ist, verlässt seinen Arbeitgeber nicht mal eben wegen ein paar Euro mehr Gehalt.“
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