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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Weniger ist mehr: Ein Besuch in der Tiny-House-Siedlung in Ittersbach

Klein, aber oho: Wie vier Minihäuser in Ittersbach Lebensträume wahr machen
Auf dem Terrassengrundstück in Ittersbach stehen 4 Tiny Häuser. Foto: Sandra Gallian

26.05.2025

von Sandra Gallian

Einladung ins kleine Glück


Am 24. Mai 2025 öffnete die Tiny-House-Siedlung in Ittersbach ihre Türen – für Neugierige, Träumende, Umweltbewusste und alle, die sich nach einem einfacheren Leben sehnen. Zwischen liebevoll gepflegten Gemüsebeeten, kleinen Holzterrassen und kreativen Wohnlösungen war schnell zu spüren: Hier geht es nicht um Weniger, sondern ums Wesentliche.

Die vier kleinen Häuser stehen terrassenförmig auf einem Hanggrundstück – jedes für sich ein Unikat. Zwei Paare und zwei Einzelpersonen wohnen hier – jeder mit einer ganz eigenen Geschichte, einem ganz eigenen Haus. Vom liebevoll ausgebauten Zirkuswagen über ein kompaktes Fertighaus mit individuellem Ausbau bis hin zum technisch durchdachten Designerhaus ist alles vertreten.

Am Tag der offenen Tür öffneten die Bewohner ihre Haustüren für neugierige Besucherinnen und Besucher.

Ein Zirkuswagen mit Seele: Gianna und Thorsten

Gianna Feld und Thorsten Stürmer leben seit zweieinhalb Jahren in einem ausgebauten Zirkuswagen – auf 22 Quadratmetern. Der Wagen ist voll funktionstüchtig und könnte theoretisch jederzeit losrollen. Zuvor lebte das Paar dreieinhalb Jahre auf einem Campingplatz bei Calw.

Leben in einem liebevoll ausgebauten Zirkuswagen: Gianna Feld und Thorsten Stürmer.

Das Grundstück der beiden umfasst drei Ebenen – sie blicken auf die gesamte Siedlung. Die Entscheidung, in ein Tiny House zu ziehen, fiel bewusst. „Ich bin zum Buddhismus konvertiert, und das Minimalistische liegt uns durch unsere Backpacker-Erfahrung ohnehin“, erzählt Thorsten. Die Planung war aufwendig, das Konzept durchdacht. Ein Zirkuswagenbauer in Hessen verwirklichte das Projekt innerhalb von neun Monaten. „Wir hatten Glück“, sagt Gianna. „Zuerst war der Wagen da, dann kam das Grundstück – und das gleich zweimal.“ In Heidelberg verkauften sie fast ihren gesamten Besitz auf Flohmärkten oder verschenkten ihn. Heute ist jeder Gegenstand im Tiny House bewusst ausgewählt. „Wenn eine neue Jacke kommt, geht eine alte“, sagt Gianna. „Für alles gibt es einen festen Platz.“ Das Innere ihres Hauses ist erstaunlich funktional: Küche, Wohn- und Essbereich, Badezimmer, Schlafzimmer – alles findet auf kleinstem Raum statt. Oberlichter, ein Teppich, Pflanzen und ein kleines Sofa sorgen für Wohlfühlambiente. Fernsehen? Läuft über den Laptop.

Nachbarschaft mit Abstand – und Nähe

Der Kontakt zu den anderen Bewohnern ist freundlich, aber nicht aufdringlich – unter der Woche hat jeder mit seinem Beruf zu tun. Doch Freunde und Bekannte sind gern gesehene Gäste. Technisch ist alles angeschlossen – Strom, Wasser, Kanal. „Man braucht einfach Struktur“, sagt Thorsten. „Sonst geht es nicht.“ Und im Alter? „Vielleicht ziehen wir nochmal um – mit dem Unimog“, sagt er lachend.

Gärtnerglück auf kleiner Fläche: Matthias Weber

Das zweite Tiny House gehört Matthias Weber. Er lebt seit drei Jahren hier – und liebt es. Nach einer Trennung suchte er einen Neuanfang. Die Anzeige „Grundstück für Tiny House zu vermieten“ kam wie gerufen. „Ich habe keine drei Wochen gesucht und hatte das Grundstück“, erzählt er.

Weber lebt schon immer minimalistisch – und das zeigt sich auch in seiner Lebensweise. „Ich habe einen minimalen Reinigungsaufwand“, sagt er. „Ich fege nur, schüttle die Teppiche aus. Nass gewischt habe ich noch nie.“

Ist im Sommer Selbstversorger: Matthias Weber zwischen Salatbeeten und Kräutern vor seinem Tiny Haus.

Das Herzstück seiner kleinen Welt ist der Garten. Salate, Erdbeeren, Kräuter, Obst – im Sommer ist er Selbstversorger. „Das ist mein Hobby“, sagt Weber. Auf Klimaanlagen verzichtet er – stattdessen wird klassisch gelüftet. Neben einer Infrarotheizung sorgt ein kleines Balkonkraftwerk für Strom. Sein Tipp: „Erst den Stellplatz sichern, dann das Haus kaufen. Und ein Tiny-House-Verein kann helfen.“ Sein Haus hat rund 75.000 Euro gekostet.

Hightech auf zwei Etagen: Iris und Sascha

Ein paar Stufen weiter unten steht das modernste Haus der kleinen Siedlung: ein zweigeschossiges Designerhaus mit 3,90 Metern Höhe, drei Eingängen und großen Fensterflächen. Iris Przybille und Sascha Weisel wohnen hier mit ihrer Hündin Angel – seit Oktober 2024.

Fünf Jahre lang lebte das Paar zuvor in einem Wohnmobil mit nur zwölf Quadratmetern – unterwegs in ganz Europa. „Jetzt haben wir uns mit dem Tiny House wieder vergrößert“, sagt Sascha und lacht.

Der Techniker hat das Haus selbst konzipiert, 40 Prozent selbst ausgebaut – inklusive Rückzugsräumen mit Türen, durchdachter Belichtung und viel Technik. „Die Technik war mir wichtig – und dass man im oberen Bereich stehen kann. Das gibt es sonst in Deutschland kaum.“

Technisch durchdacht und durchdesignt haben ihr Häuschen Sascha Weisel und Iris Przybille.

Die Investition: rund 250.000 Euro. Dafür ist das Paar im Sommer nahezu autark: Photovoltaik auf und am Haus liefert den Strom. „Wir wollten die Vorteile eines Hauses – aber mit einem Drittel der Investition“, erklärt Sascha. Kein direkter Nachbar, ein kleiner Garten, viel Privatsphäre – das war ihnen wichtig.

Die Besucher staunen – und träumen

Viele Besucher zeigten sich begeistert. „Ich war einfach neugierig – und bin total beeindruckt“, sagt Markus B. aus Karlsruhe. „Das Schlafzimmer oben, das Arbeitszimmer gegenüber – ein echtes Raumwunder!“

Auch Michael Seichter ist fasziniert. „So einfach zu leben – das hat was“, meint er. „Mit Familie wäre das für mich schwierig, aber wenn man zu zweit ist… warum nicht?“ Ob er bereit wäre, auf so vieles zu verzichten? „Das müsste ich nochmal in Ruhe überlegen“, sagt er und lacht.

Alle Fotos: Sandra Gallian

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