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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Was hilft bei Lieferengpässen und steigenden Preisen?

Monatelanges Warten auf Materialien veranlasst Unternehmen, über die Anpassung ihrer globalen Lieferketten nachzudenken. Aber: Die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung überwiegen, heißt es beim Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Das ifo-Institut bekräftigt: Gerade der internationale Handel biete Sicherheit gegen länderspezifische Schocks. Beim IfW Kiel wird auf den Europäischen Binnenmarkt als Schutz gegen globale Abhängigkeit verwiesen. Ergebnisse einer breiten Umfrage.
Globale Lieferketten nutzen oder die heimische Produktion nutzen – diese Frage stellt sich bei Unternehmen seit dem Aufkommen der Corona-Pandemie. ©Composing_GerdLache

24.01.2022

Andreas Baur und Lisandra Flach vom ifo-Institut zeigen, dass eine Reshoring-Strategie (Rückholung der Produktion in heimische Gefilde) für Deutschland zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von knapp 10% führen würde. Auch das Nearshoring (Verlagerung betrieblicher Aktivitäten ins nahegelegene Ausland) hätte einen deutlich negativen Effekt in vergleichbarer Größenordnung.

Grundsätzlich sei es gerade der internationale Handel, der Unternehmen und Volkswirtschaften eine Art Versicherungsfunktion gegenüber länderspezifischen Schocks biete. Auch plane lediglich jedes zehnte Unternehmen in Deutschland, die eigene Beschaffung im Inland beziehungsweise im europäischen Ausland auszubauen.

Dr. Lisandra Flach ist Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft und Professorin für Volkswirtschaftslehre an derLudwig-Maximilians-Universität München. ©ifo

Die globalen Lieferketten sind unter Druck geraten. Im Laufe des vergangenen Jahres sind die Preise für zahlreiche Rohstoffe, Vorprodukte und Güter aller Art deutlich gestiegen. Die Unternehmen müssen teils Wochen oder Monate auf bestellte Materialien warten und versuchen, in den letzten Monaten ihre Lieferketten an die herausfordernden Gegebenheiten anzupassen. Aber die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung überwiegen weiterhin. Zu diesem Ergebnis kommen Volker Treier und Carolin Herweg, DIHK.

Wanja Wellbrock, Hochschule Heilbronn, plädiert für ein ganzheitliches Risikomanagement in der Lieferkette und sieht dafür ein erhebliches strategisches Potenzial in dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die geforderte detaillierte Analyse der einzelnen Warengruppen und Lieferantenstrukturen liefere konkrete Ansatzpunkte für Risikomanagementmaßnahmen, die bei weitem nicht auf Menschenrechtsverletzungen beschränkt seien. Das Gesetz biete somit die Möglichkeit, das Risikomanagement im Unternehmen bzgl. der Beschaffungsaktivitäten komplett neu aufzustellen.

ifo Schnelldienst 01/2022

Ronald Bogaschewsky, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, sieht einen Weg zu größerer Resilienz in der Verringerung der Importabhängigkeit bei Rohstoffen. Recycling, Bioökonomie und der Einsatz regenerativer Ressourcen könnten eine nachhaltige Strategie zur Rohstoffversorgung sein.

Katrin Kamin, IfW Kiel, verweist auf den Trend einiger Länder, wie beispielsweise die USA oder China, auf geopolitische Mittel zur Erreichung von ökonomischen und außenpolitischen Zielen zurückzugreifen. Globale Lieferketten seien also vulnerabel gegenüber geopolitischen Faktoren und würden von den häufig damit einhergehenden Handelsbeschränkungen negativ betroffen. Generell könnten Unternehmen die daraus entstehenden Risiken für Lieferketten durch die Diversifizierung ihres Portfolios über Handelspartner und -länder sowie durch Verträge abfedern. Nicht zuletzt sei der Europäische Binnenmarkt ein wichtiger Schutz gegenüber globalen Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten.

Die Nachwirkungen des ersten globalen Corona-Schocks im Frühjahr 2020 führten zu Preissteigerungen. ©Composing_GerdLache

Die Rohstoffmärkte waren 2021 durch starke Preisanstiege, Lieferengpässe und Angebotsverknappungen gekennzeichnet. Claudia Wellenreuther, HWWI, erklärt dies größtenteils durch die Nachwirkungen des ersten globalen Corona-Schocks im Frühjahr 2020. Zudem haben die letzten zwei Jahre die Bedeutung Chinas auf den Rohstoffmärkten deutlich gemacht. Die Entwicklungen dürften auch 2022 von der Corona-Pandemie und der Unsicherheit über neue Lockdown-Maßnahmen in einzelnen Ländern dominiert werden. Wichtig werde außerdem sein, wie die großen Akteure OPEC und/oder China auf diese Entwicklungen reagieren.

ifo Schnelldienst 01/2022

Wolfgang Weber, ZVEI, schätzt, dass der diesjährige Umsatz der Elektro- und Digitalindustrie ohne die bestehenden massiven Engpässe an Vorprodukten und -materialien um bis zu 10% höher ausfallen könnte. Besonders deutlich seien die Lieferengpässe bei Halbleitern, die global zu industrieweiten Knappheiten führen. Deshalb sei die Halbleiterindustrie als eine der Schlüsselbranchen so auszubauen, dass ein hohes Maß an technologischer Souveränität sichergestellt werden könne. Aber auch die globalen Wertschöpfungsnetzwerke seien künftig zu erhalten.

Angela Mans, VDA, stellt fest, dass ohne die globale Präsenz die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen für die Automobilindustrie noch schwieriger sei. Durch die bisher erfolgreiche Strategie der Globalisierung und Diversifizierung konnten deutsche Hersteller und Zulieferer, trotz aller widrigen Umstände, ihre Erfolgsgeschichte fortführen. (pm/gel)

ifo Schnelldienst 01/2022

Aufsatz „Die Globalisierung als Sündenbock?“ zum Download HIER

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