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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Unternehmen der Schwarzwald AG schlagen sich wacker trotz gefährlicher Krisen-Mischung

Es gibt eine spannendere Konjunktur-Pressekonferenz als die jüngste des Wirtschaftsverbands wvib Schwarzwald AG. Der hat für immerhin 79 Prozent seiner befragten Mitgliedsunternehmen – gemessen an der Lage – durchaus passable Umsatzzuwächse im ersten Halbjahr 2022 verkündet. Spannender werden die Umfrageergebnisse des wvib in spätestens einem Jahr sein. Warum? Dem Ifo-Geschäftsklimaindex zufolge hat sich die Stimmung in der Wirtschaft deutlich abgekühlt. „Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession“, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest. Auch der wvib-Hauptgeschäftsführer sieht fast alle Zukunfts-Indikatoren in „besorgniserregende Richtung“ zeigen.
Gaben Auskunft über die Ergebnisse der jüngsten Konjunktur-Umfrage des Wirtschaftsverbandes wvib Schwarzwald AG (von links): Frank Thieme (Thieme GmbH & Co. KG), wvib-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer, PWO-Vorstandschef Carlo Lazzarini und Polysecure-Geschäftsführer Jochen Mösslein. ©GerdLache

Von Gerd Lache | 31.07.2022

Bislang haben sich die badischen Unternehmen wacker geschlagen, obwohl die Herausforderungen für die Wirtschaft hoch waren und sind, wie wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer, bei der Ergebnisvorlage der jüngsten Konjunkturumfrage des Wirtschaftsverbandes in Freiburg deutlich machte. Er beschrieb eine gefährliche Mischung aus Ukraine-Krieg, Energiepreis- Schocks, destruktivem russischen Gas-Roulette, Engpässen bei Elektronikkomponenten, Vormaterial und Personal und einer daraus resultierenden Rekordinflation.

Knapp 79 Prozent der befragten Unternehmen vermeldeten dennoch im ersten Halbjahr 2022 gestiegene Umsätze – im Vergleichszeitraum des Vorjahres war dies bei 71 Prozent der Fall. Der Umsatzzuwachs betrug durchschnittlich 13,7 Prozent (Erstes Halbjahr 2021: 15,2 Prozent).

Gesunkene Umsätze gaben dagegen nur 19,5 Prozent der Unternehmen an, im Vorjahreszeitraum mussten mehr als 27 Prozent ein Minus hinnehmen. Lediglich 1,5 Prozent meldeten keine Veränderung.

Quelle ©wvib

Branchenübergreifend ist beim Auftragseingang nur ein kleines Plus zu verzeichnen: Wo die Schwarzwald AG im Vorjahreszeitraum ein Plus von 28,7 Prozent angeben konnte, stehen heute nur noch 11,4 Prozent. Bei 65 Prozent der Unternehmen verbesserte sich der Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während 15,3 Prozent gleichbleibende Aufträge verzeichneten und 20 Prozent einen Rückgang. Im ersten Halbjahr 2021 vermeldeten nur zwölf Prozent sinkende Aufträge.

Angesichts der unsicheren Lage und vor allem wegen Unterbrechungen in den Lieferketten hätten viele der Unternehmen ihre Lagerbestände deutlich aufgestockt. Übrigens eine Erscheinung, die bereits in der ersten Hochphase der Corona-Krise von wvib-Mitgliedern beschrieben wurde. Die aktuellen Lager-Aufstockungen brächten zwar Zuwächse bei den Aufträgen. Doch Münzer warnt: Es könnte später zu einem Nachfrageeinbruch kommen und die Katastrophe auslösen.

Quelle ©wvib

Apropos Corona: Die Pandemie sorge in Europa zwar nicht mehr für Schlagzeilen, aber China als „unverzichtbarer Beschaffungs- und Absatzmarkt der Industrie“ sei noch nicht über den Berg. Carlo Lazzarini, Vorstandschef der Progress-Werk Oberkirch AG (PWO), erklärte, sein Unternehmen sei mit einem Produktionsstandort in China engagiert. Allerdings werde PWO das Geschäft nicht weiter ausbauen.

Unterdessen befürchtet Frank Thieme, Chef der Thieme GmbH & Co. KG in Teningen, dass im Herbst eine weitere Corona-Welle hereinschwappen werde, allerdings mit geringen Folgen als die Pandemie bisher ausgelöst habe.

Corona habe uns die Digitalisierung gelehrt und Putin nun das Energiesparen, sagte Münzer. Er glaubt, dass die wvib-Mitgliedsunternehmen trotzt Gasknappheit gut durch den Winter kommen werden. „Im Wettbewerbsvorteil ist, wer nicht auf Gas angewiesen ist“, erklärte Münzer zu der Feststellung, dass im benachbarten französischen Elsass die Abhängigkeit von Russland aufgrund anderer Energieschwerpunkte vergleichsweise gering sei.

Weiterhin Optimismus

Trotz aller Widrigkeiten: Im Ausblick geben sich die Unternehmen der Schwarzwald AG der Konjunkturumfrage zufolge weiterhin optimistisch. 35,3 Prozent erwarten in den nächsten sechs Monaten steigende Umsätze (erstes Halbjahr 2021: 44 Prozent), während 48,2 Prozent keine Veränderung erwarten (erstes Halbjahr 2021: 48 Prozent).

Mit sinkenden Umsätzen rechnen dagegen 16,5 Prozent der Unternehmen. In der Umfrage vom Sommer des vergangenen Jahres gingen für das zweite Halbjahr 2021 noch acht Prozent von sinkenden Umsätzen aus.

Betrachtet man die Umsatzentwicklung differenziert, ergibt sich laut Münzer „naturgemäß ein heterogenes Bild“: Die wvib-Branchencluster Automotive (10,2 Prozent), Maschinenbau (10,4 Prozent) und Medizintechnik (12,9 Prozent) liegen mit ihren Umsatzzuwächsen im ersten Halbjahr 2022 unter dem Wert über alle Branchen hinweg (13,7 Prozent).

Autozulieferer besonders gefährdet

Unterdessen seien vor allem Automobilzulieferer, die in der Schwarzwald AG ein Drittel der Wertschöpfung ausmachen, durch die ruppigen Machtverhältnisse in ihrer Branche gefährdet. Münzer: „Der Preiskampf hat weiter an Härte zugelegt. Wenn Automobilhersteller ihre Preise saftig erhöhen und selbst Rekordergebnisse verkünden und gleichzeitig ihren langjährigen Zulieferern keinen Ausgleich etwa für steigende Energie- oder Personalkosten gewähren, sind die Lasten auf dem Tandem Hersteller-Zulieferer unfair verteilt.“

Siehe Bericht zum Automotive-Gipfel auf WirtschafsKraft HIER

Beim Blick in die Zukunft ergibt sich in den Clustern ein gemischtes Bild: Rechnen über alle Branchen hinweg 35,3 Prozent mit steigenden Umsätzen, gehen im Automotive-Cluster nur 29 Prozent, im Maschinenbau 44,4 Prozent und in der Medizintechnik 38,5 Prozent davon aus.

Mess- und Regeltechnik legt deutlich zu

Überdurchschnittlich gut entwickelte sich die Mess- und Regeltechnik mit einem Plus von 19 Prozent. Mit weiter steigenden Umsätzen rechnet hier ebenfalls mehr als der Schnitt der Unternehmen, nämlich 38,7 Prozent.

Schlusslicht ist die Kunststoffbranche. Hier konnten die Unternehmen nur um 8,7 Prozent gestiegene Umsätze vermelden. Auch für die Zukunft ist der Blick in der Kunststoffbranche eher verhalten: In der Branche rechnen nur 31 Prozent mit steigenden Umsätzen.

Quelle ©wvib

Beim Auftragseingang ist der Blick auf die Zukunft zurückhaltend. Aktuell erwarten nur noch 22,6 Prozent der befragten Unternehmen einen weiter steigenden Auftragseingang, wohingegen im Sommer des Vorjahres 26,6 Prozent von steigendem Auftragseingang ausgingen. Dagegen rechnen mehr als 49 Prozent mit unveränderten Auftragseingängen (erstes Halbjahr 2021: 58,2 Prozent), während 28 Prozent für die nächsten sechs Monate mit sinkendem Auftragseingang rechnen (erstes Halbjahr 2021: 15 Prozent).

Quelle ©wvib

Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist der wvib-Umfrage zufolge auch im ersten Halbjahr 2022 weiter deutlich zu spüren. Dennoch konnten 58,8 Prozent der Unternehmen ihre Belegschaft vergrößern (erstes Halbjahr 2021: 51 %), während 30,8 Prozent sinkende Beschäftigungszahlen verzeichneten (erstes Halbjahr 2021: 36 %). Bei 10,4 Prozent der Befragten hat sich die Zahl der Beschäftigten nicht verändert.

In den Prognosen zur Entwicklung der Mitarbeiterzahl geben sich die Unternehmen optimistisch – hier rechnen die wenigsten mit sinkenden, 38,4 Prozent erwarten weiter steigende Zahlen, 56,3 Prozent gehen von einem gleichbleibenden Personalstamm aus, nur knapp fünf Prozent von einem Rückgang der Mitarbeiterzahl. In der letzten Sommerumfrage rechneten sieben Prozent mit einer negativen Entwicklung.

Quelle ©wvib

Polysecure – für jedes Produkt ein eigener Code

Die wvib-Konjunktur-Pressekonferenz fand dieses Mal in den Räumen der Firma Polysecure statt. Das Unternehmen hat eine Methode entwickelt, mit der jedem Produkt bei der Herstellung – vereinfacht gesagt – ein chemischer Code verpasst werden kann. Es handelt sich dabei um winzig kleine innovative Fluoreszenz-Materialien, sogenannte Fluoreszenz-Marker.

Für welche Zwecke kann die Erfindung der 2009 in Freiburg gegründeten Firma eingesetzt werden? Zum einen wird damit die Mülltrennung erleichtert. Desweiteren können Unternehmen, die diese Methode einsetzen, nachweisen, ob es sich bei einem Produkt um ihr Original oder um ein Plagiat handelt.

Laut Geschäftsführer Jochen Mösslein können schier unendlich viele dieser auf chemischer Basis generierten Codes ausgegeben werden, die für das Auge nicht sichtbar sind. Unter anderem mit einem kleinen „Lesegerät“ kann der fluoreszierende Code, der sich im Innern des Produkts befindet, ausgelesen und die Herkunft identifiziert werden. (gel)

Kleines Gerät mit großer Wirkung: Damit kann der fürs menschliche Auge unsichtbare chemische Code von Polysecure aus Produkten ausgelesen werden, erläutert Dr.-Ing. Philip Katus. ©GerdLache

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