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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Sitzschalen, Solarpunk und Schokolade: Sommerwerkschau 2025 der HS PF

Pforzheim. Wo Gestaltung zur Sprache wird und Visionen Form annehmen, lädt die Fakultät für Gestaltung zur Sommerwerkschau ein. Am 11. und 12. Juli zeigen die Studierenden, was sie bewegt – und was sie bewegen wollen. Mit Themen, die unter die Haut gehen, und Entwürfen, die über das Ästhetische hinausdenken. Zum Auftakt blickte Prodekan Prof. Sebastian Hackelsperger zurück auf ein intensives Semester.
Die Studierenden präsentieren ihre Semester- und Abschlussarbeiten im Rahmen der Sommerwerkschau. Foto: Sandra Gallian

10.07.2025

von Sandra Gallian

Ideen aus dem Innenhof – und darüber hinaus

Das diesjährige visuelle Konzept des Werkschau Programm-Flyers basiert auf dem Innenhof der Hochschule selbst: Das geometrische Raster der Pflastersteine inspirierte Studierende zur Gestaltung kleiner Figuren, die in Form von 3D-gedruckten Schlüsselanhängern an die Besucher verschenkt werden. „Ein schönes Sinnbild dafür, wie wir hier aus Alltäglichem Neues schaffen“, so Hackelsperger.

Das Interesse an der Fakultät bleibt stabil: 557 Bewerbungen gingen für das kommende Wintersemester ein – ähnlich viele wie im Vorjahr. Besonders stark nachgefragt sind Industrial Design (104 Bewerbungen) und Visuelle Kommunikation (61 Bewerbungen). „Die Klassiker sind überbucht – aber auch Accessoire- und Modedesign legen leicht zu“, sagt Hackelsperger. Im Masterbereich sticht vor allem Transportation Design mit 114 Bewerbungen hervor.

Austausch, Preise und neue Perspektiven

Zu den Highlights des Semesters zählte ein neu konzipierter Bachelor-Infotag mit Mappenberatungen und Vorträgen. Einblicke in die Studiengänge und praxisnaher Austausch standen hier im Vordergrund. Ausgezeichnet wurde zudem das Orientierungsprogramm „Katapult“, ein gestalterischer Vorkurs, der jungen Talenten die Möglichkeit gibt, sich künstlerisch auszuprobieren – laut Hackelsperger „in dieser Form einzigartig in Deutschland“.

Dass Interdisziplinarität an der Fakultät großgeschrieben wird, zeigte sich auch in Formaten wie dem „Colour Summit“, einem Workshop-Tag rund um Farbe in Kooperation mit dem Font-Verlag. Eine KI-Vortragsreihe mit hochkarätigen Gästen wie dem renommierten Automobilfotografen René Staud oder auch die Ausstellung „Story of HipHop“ im Schmuckmuseum, die bis Oktober verlängert wurde, zeugten von der Relevanz gestalterischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen.

Ein weiteres Aushängeschild: das Projekt „FlachsMeile“, das sich mit dem nachhaltigen Rohstoff Flachs beschäftigt. Hier erarbeiteten Studierende aus verschiedenen Disziplinen interaktive Installationen, Produkte und Kommunikationsformate – ein gelungenes Beispiel für zukunftsorientierte und nachhaltige Gestaltungsansätze.

Auch auf der Berlin Fashion Week war die Hochschule erneut vertreten: Die Modedesign-Studierenden Lennart Bohle und Henning Sadau präsentierten ihre Arbeiten auf einer der wichtigsten Bühnen der Branche – ein weiterer Beleg für die überregionale Strahlkraft der Fakultät.

Abschlussarbeiten mit Tiefgang und Vision

Wie breit gefächert, engagiert und experimentierfreudig das gestalterische Denken an der Hochschule Pforzheim ist, zeigte sich in den Abschlussarbeiten und einer Semesterarbeit der Studierenden, die im Anschluss von PR-Referentin Emmelie Ödén vorgestellt wurden.

Zukunft gestalten mit Geschwindigkeit und Geist

Im Bereich Transportation Design ließ Kaan Hizal mit seinem futuristischen Fahrzeugkonzept für den Autohersteller Mazda im Rahmen seiner Bachelor Abschlussarbeit TENSEI ONE aufhorchen. „Ich wollte den Zeitgeist einfangen, den Mazda selbst in den 60er Jahren als ‚Challenger Spirit‘ bezeichnet“, erklärt Kaan Hizal. Dafür tauchte er tief in die Unternehmensgeschichte ein – von den Anfängen mit Korkprodukten bis zum Automobilbau. Besonders prägend seien der Werkstoff Kork und der Wankelmotor gewesen, die er bewusst überzeichnete: als Korkmodell mit Überschallantrieb und als futuristisches 3D-gedrucktes Fahrzeug namens TENSEI ONE, mit weißer Lackierung und orangenem Glasdach – inspiriert vom KOI-Fisch, Symbol für Freiheit, Mut und Ausdauer. Marktanalyse oder Zielgruppenstrategien spielten keine Rolle: „Ich wollte reine Gestaltung.“ Entstanden ist eine filmisch inszenierte Zukunftsvision für eine fiktive Elite namens „Aero Avantgard“ – im Stil des sogenannten Solarpunk, einer utopischen Ästhetik, die Gestaltung ohne Grenzen erlaubt.

Kaan Hizal mit seinem futuristischen Fahrzeugmodell für den Autohersteller Mazda.

Luxus als Ausdruck von Individualität

Im Masterstudiengang Transportation Design präsentierte Rohit Iyer mit Rebel Luxury in seinem Entwurf einen neuartiges Sitzkonzept für Porsche. Im Gegensatz zu herkömmlichen Vorstellungen von Luxus – etwa in Form von Geld, Gold oder dem auffälligen Markenstatus – setzt Rebel Luxury nicht auf Konformität, sondern auf die Freiheit zur Individualisierung. „Genau das entspricht der DNA von Porsche“, erklärt Rohit Iyer, der bereits ein  einjähriges Praktikum bei dem Automobilhersteller absolviert hat. Die Abschlussarbeit, ein Schalensitz, verbindet klassische Designelemente mit modernen Materialien und 3D-Drucktechnologien. „Luxus ist Freiheit zur Wahl“, erklärt Iyer. So präsentiert Rebel Luxury das Porsche-Sitzdesign als ein einzigartiges Erlebnis für eine neue Generation von Luxuskonsumenten, die Exklusivität und zukunftsweisendes Design suchen.

Rohit Iyer zeigt seinen Entwurf für einen neuartiges Sitzkonzept für Porsche mit dem Namen Rebel Luxury.

Zwischen Muskelbild und Männlichkeitskritik

Paul Kaisers Bachelorarbeit im Accessoire Design trägt den Titel „Arnold, ich und das Patriarchat„. Darin hinterfragt er tradierte Vorstellungen von Männlichkeit und deren Einfluss auf Körperbilder – inspiriert vom Bodybuilding. In Form von Taschen, Gürteln, Handschuhen und Ringen übersetzt er diesen inneren Zwiespalt in starke gestalterische Objekte.

Paul Kaiser präsentiert am Model die Accessoires seiner Abschlussarbeit Arnold, ich und das Patriarchat.

Geisterhafte Eleganz im Modedesign

Mit dem Gefühl von Heimweh an einem Ort, der sich verändert, befasst sich Valentin Langer in seiner Bachelor Abchlussarbeit Solastalgia. Das im Kontext eines AI-Fashion-Kurses entstandene KI-generierte Modevideo setzt frühere Kollektionen in Szene und schafft mithilfe von Sounddesign und spiritueller Bildsprache eine emotionale, fast gespenstische Ästhetik.

Valentin Langer präsentiert sein KI-generiertes Modevideo Solastalgia.

Kontraste, die Produkte lebendig machen

Jonathan Müller – gelernter Schreiner – widmet sich in seiner Industrial Design-Abschlussarbeit created by contrast dem Spannungsfeld von Gegensätzen. Durch handwerkliche Verfahren wie Shou-Sugi-Ban oder Bugholztechnik kombiniert mit digitalen 3D-Druck Methoden entstanden Hocker und Leuchten, die zeigen, wie Kontraste in der Form und Materialien wie Holz und Beton die Funktionalität und Lesbarkeit eines Produkts verbessern können.

Jonathan Müller präsentiert seine kontrastreiche Abschlussarbeit created by contrast in Form von Möbeln und Leuchten.

Namen, die Geschichten tragen

Die Abschlussarbeit BENANNT von Lena Emily Dietrich im Bereich Visuelle Kommunikation beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Wirkung von Namen. Durch die Erforschung der  Wirkung von Namen und ihrer Macht will sie auf soziale Missstände oder gesellschaftliche Ungleichheiten aufmerksam machen. Interviews mit Betroffenen, ein erstes Printmagazin sowie digitale Formate wie ein Podcast machen sichtbar, wie stark Namen über Teilhabe und Ausgrenzung entscheiden können. „Diskriminierung bleibt abstrakt – bis sie einen Namen bekommt“, so Dietrich.

Lena Emily Dietrich hat sich in ihrer Abschlussarbeit BENANNT mit der Wirkung von Namen beschäftigt.

Wut als kreative Kraft

Phuong An Phi greift in ihrer Masterarbeit Mirror, Mirror in My Claw das oft tabuisierte Thema weibliche Wut auf. Entstanden sind ausdrucksstarke Fotografien sowie ein experimenteller Kurzfilm „The Feminine Urge“, der unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Theater Pforzheim und dem Kommunalen Kino Pforzheim entwickelt wurde. Gedreht wurde an stimmungsvollen Orten in der Region, darunter die Klosterruine Hirsau, dem Palais Thermal in Bad Wildbad und dem Alten Schlachthof in Pforzheim. Ein feministischer Workshop mit dem Titel „Weiblicher Wutkreis“ sowie die enge Zusammenarbeit mit Modedesignerin Lilian Brade lieferten die gestalterische Grundlage für typografische Arbeiten, Rauminstallationen und die Bildwelt des Kurzfilms. Ziel der Arbeit ist es, weibliche Wut nicht als Gefahr, sondern als kreative, transformierende Kraft sichtbar zu machen.

Phuong An Phi setzt in ihrer Masterarbeit Mirror, Mirror in My Claw das oft tabuisierte Thema weibliche Wut in Bild und Film um.

Schmuck zum Schmelzen

In ihrer Bachelorarbeit schokoladig schmeckend schmücken vereint Schmuckstudentin Felicitas Mercedes Wasner Silber und Schokolade zu einem multisensorischen Erlebnis. „Ich wollte mit der Wertigkeit von Materialien spielen und möchte insgesamt für mehr Wertschätzung plädieren“ so die Schokoladenliebhaberin. Eingebettet in Porzellanschalen, welche aufgeschnittenen Früchten gleichen, liegen fünf Ringe, die die Blüte der Kakaopflanze nachbilden. Ein silbernes Blütenblatt und eine Praline ergeben ein vergängliches Schmuckstück, einen Ring. Doch ist diese Verbindung nicht von Dauer: Beim Tragen beginnt der Ring zu schmelzen und die Materialien trennen sich. Was bleibt, ist die Erinnerung an den Genuss.

Schmuckstudentin Felicitas Mercedes Wasner bringt Silber und Schokolade in Einklang.

Männlichkeit hinter Masken

Julian Graeve untersucht in seiner Arbeit mit dem Titel Mask-ulinity im 2. Semester des Masterstudiengangs Jewellery das soziale Phänomen der Masken als Ausdruck verinnerlichter Rollenbilder. Aus Holz, Metall und Textil fertigte er sechs tragbare Objekte, die emotionale Spannungsfelder männlich gelesener Personen thematisieren – zwischen Anpassung, Ausdruck und Verdrängung.

Julian Graeve untersucht Rollenbilder mit seiner Arbeit Mask-ulinity.

Erinnern im digitalen Raum

Mit Spatial Memories schafft Felina Russ atmosphärische VR-Welten auf Basis persönlicher Erinnerungen. Ihre Arbeit verbindet 3D-Scanning mit der innovativen Visualisierungstechnik Gaussian Splatting. Dabei entstehen keine exakten Nachbildungen – sondern Orte, die zum Nachempfinden, Träumen und Reflektieren einladen. Erinnerung wird hier nicht konserviert, sondern lebendig gemacht.

In Spatial Memories von Felina Russ kann man mittels VR-Brille in wolkenartige Erinnerungen eintauchen.

Alle Fotos: Sandra Gallian

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