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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Quereinstieg: Aus der Schreinerei in den Kreißsaal

Siloah St. Trudpert Klinikum und Helios Klinikum Pforzheim sind neue Kooperationspartner der dualen Hochschule Karlsruhe (DHBW).Sich beruflich neu zu orientieren, erfordert Mut. Mit dem Beginn ihres Studiums für Angewandte Hebammenwissenschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) haben im Oktober 2021 vier junge Frauen aus der Region nicht nur einen neuen Lebensabschnitt begonnen, sondern zum Teil auch eine komplett andere berufliche Laufbahn eingeschlagen.
vlnr: Tina Basler, Marina Jähnig, Christiane Walter, Lea Mara Nikolai und Klara John: Foto: Schwara, Helios Klinikum

"Es gibt immer wieder Quereinsteigerinnen. Teils fühlen sich die Frauen erst später reif genug für den herausfordernden Beruf oder aber sie kommen erst durch eigene Kinder auf die Idee, Hebamme zu werden."
Christiane Walter, Ausbildungsleiterin

Zwar haben sich Lea Mara Nikolai, Klara John, Tina Basler und Marina Jähnig schon immer für die Themen Schwangerschaft und Geburten interessiert, drei von ihnen sind jedoch komplette Quereinsteigerinnen: Die 24-jährige Lea Mara Nikolai ist gelernte Tischlerin und arbeitete in einer Schreinerei. Ihre Kommilitoninnen, die 32-jährige Tina Basler ist gelernte Bankkauffrau, die 36-jährige Marina Jähnig studierte Bankfachwirtin. Drei Studentinnen aus völlig unterschiedliche Bereichen und doch der gleiche Beschluss: Hebamme werden.
Quereinsteigerinnen sind nicht selten, bestätigt Christiane Walter, die die Studentinnen in ihren praktischen Phasen am Helios Klinikum und Siloah St. Trudpert Klinikum betreut und Koordinatorin der praktischen Hebammenausbildung ist. „Es gibt immer wieder Quereinsteigerinnen. Teils fühlen sich die Frauen erst später reif genug für den herausfordernden Beruf oder aber sie kommen erst durch eigene Kinder auf die Idee, Hebamme zu werden. Andere wollen Hebamme werden, um einen für sie sinnvolleren Beruf zu erlernen. Und wieder andere sehen den Beruf der Hebamme schlicht als Berufung“, so die Ausbildungsleiterin.

Bei Lea Mara Nikolai waren es die Schwangerschaften ihrer Mutter und ihre drei kleinen Geschwister, die das Interesse für den Beruf früh weckten. „Ich finde es sehr spannend, den biologischen Prozess einer Schwangerschaft zu begleiten, neuem Leben auf die Welt zu helfen und der Frau in einem so intimen Moment zur Seite zu stehen. Das alles macht für mich den Beruf der Hebamme so interessant“, beschreibt die Studentin, für die es jetzt direkt aus der Schreinerei in den Siloah-Kreißsaal geht.

Marina Jähnig kennt die Arbeit im Kreißsaal schon sehr gut: Sie war bereits als Pflegehelferin am Helios Klinikum Pforzheim tätig und hat eine Ausbildung als Doula – eine Geburtsbegleiterin ohne medizinischen Hintergrund. Dieses Wissen wird Sie nun mit dem Studium ergänzen: „Jetzt, mit 36 Jahren, geht für mich ein Traum in Erfüllung. Ich kann endlich den Beruf der Hebamme studieren“, freut sie sich.

Mit dem Beruf der Hebamme bereits in Berührung waren auch Klara John und Tina Basler. Die 21-jährige Klara John bestärkte ein Praktikum in ihrem Berufswunsch. Bei Tina Basler, waren es die Geburten ihrer drei Kinder, die ihren Wunsch verstärkten, einen neuen Beruf als Hebamme zu ergreifen.

Der Beruf der Hebamme, jahrzehntelang ein Ausbildungsberuf, wurde mit der Verabschiedung des Hebammenreformgesetzes akademisiert. Wer Hebamme werden möchte, kann ab sofort studieren. Das duale Studium umfasst sieben Semester und schließt mit dem Bachelor of Science ab. Der praktische Teil hat einen hohen Stellenwert und wird in Kooperation mit Praxis-Einrichtungen wie Geburtskliniken durchgeführt. Die Studentinnen lernen Kreißsäle sowie Mutter-und-Kind-Einheiten kennen und gewinnen intensive Einblicke in die Hebammenarbeit: Etwa im Perinatalzentrum Level I des Helios Klinikums, das direkt an die Kinderklinik angeschlossen ist und dessen Kreißsaal, der auf Basis des salutophysiologischen Hebammenbetreuungsmodell arbeitet. Genauso wie in die „Babyfreundliche Geburtsklinik“ des Siloah St. Trudpert Klinikums, die den Fokus auf eine natürliche und familienorientierte Geburt legt sowie auf eine optimale Unterstützung beim Stillen. Auch die Begleitung von Hebammen, die freiberuflich tätig sind, z. B. in der Wochenbettbetreuung oder auch in Geburtshäusern ist ein Teil des Studiums, der durch außerklinische Einsätze vermittelt wird. In freiwilligen Einsätzen auf Palliativstationen, in Schreiambulanzen oder in der Stillberatung lernen die Studentinnen weitere Aspekte und Bereiche des Hebammenberufes kennenlernen.

Die DHBW Karlsruhe bietet das Studium Angewandte Hebammenwissenschaft in Zusammenarbeit mit Dualen Partnerkliniken an. „Wir sind stolz, den primärqualifizierenden Studiengang anbieten zu können, und so unserer Vorreiterrolle in der Akademisierung der Gesundheitsberufe weiter auszubauen,“ sagte die neue Leiterin des Studiengangs Prof. Dr. Anneliese Tometten-Iseke. Sie hat erst im Frühjahr 2021 den Ruf als Professorin angenommen, und ist damit die dritte Professorin der Hebammenwissenschaft in Baden-Württemberg.

32 angehende Hebammen haben Anfang Oktober 2021 das Bachelorstudium des nachgefragten Studiengangs begonnen. Die Plätze seien schnell vergeben gewesen . Studierende, die sich an der Hochschule zur Hebamme ausbilden lassen, erhalten eine Vergütung. Für diese kommen die Praxiseinrichtungen auf. Hebamme Sonja Heinemann, die ebenfalls zum Team des neuen Studiengangs gehört, sieht einen großen Erfolg in der Akademisierung. „Hebammen haben über Jahre dafür gekämpft“, sagt Heinemann. In allen anderen europäischen Ländern läuft die Ausbildung seit langem nur über die Hochschulen. „Der Mehrwert eines akademischen Abschlusses liegt in dem Erwerb der wissenschaftlichen Kompetenzen und der Vertiefung geburtshilflichen Wissens“, ergänzt Professorin Anneliese Tometten-Iseke. „Durch das Studium erlangen die Studierenden die Fähigkeit zur professionellen Beurteilung und Entscheidungsfindung. Die Studierenden erwerben die Kompetenzen, die sie für eine evidenzbasierte Hebammenarbeit benötigen.“

pm/tm

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