Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
17.06.2024
Wie sich Misserfolge auf die Psyche der Spieler auswirken und der gefürchteten Abwärtsspirale entgegengewirkt werden kann, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer kürzlich veröffentlichten Studie untersucht. Im German Journal of Exercise and Sport Research zeigen sie, wie lang anhaltende Krisen mit unerwarteten Misserfolgen beginnen und sich in der Folge, auf individueller wie auf mannschaftlicher Ebene, psychodynamisch zuspitzen. Für die Praxis fordern die Autoren ein verstärktes Augenmerk auf Strategien zur Prävention beziehungsweise Bewältigung solcher Krisen.
Seit dem WM-Sieg in Brasilien 2014 erlebt die deutsche Männer-Fußballnationalmannschaft eine Phase des sportlichen Misserfolgs. Ob ein neues „Sommermärchen“ die nunmehr zehnjährige Durststrecke beendet, werden die anstehenden Partien zeigen. Offensichtlich ist jedoch, welch negative und anhaltende Dynamik Teamkrisen wie diese entfalten können.
Hier setzte das Forscherteam um den Sportpsychologen Professor Darko Jekauc vom Institut für Sport und Sportwissenschaft (IFSS) des KIT an: „Unsere Studie beleuchtet die tief verwurzelten psychologischen und sozialen Mechanismen, die Fußballteams in Krisenzeiten beeinflussen. Die Ergebnisse vermitteln ein ziemlich ganzheitliches Bild davon, wie sich Krisen im Fußball entwickeln und welche Faktoren ihre Entwicklung fördern.“
Eine qualitative Analyse von ausführlichen Interviews mit sechs aktuellen und drei ehemaligen Profifußballern ergab, dass eine Krise damit beginnt, dass das Team selbstgesteckte oder von außen angetragene Erwartungen nicht erfüllt. Diese können zu Druck, Angst, verringertem Selbstvertrauen und körperlichen Symptomen wie erhöhtem Blutdruck führen. Auf Mannschaftsebene führen diese negativen Affekte zu einer toxischen Gruppendynamik, die von Motivationsverlust, schlechter Kommunikation, Konflikten und schwindendem Zusammenhalt geprägt ist.
Auf dem Spielfeld, so die Wissenschaftler, bewirke diese Gemengelage häufig eine übertrieben defensive Einstellung, mitsamt dem Wunsch, Fehler zu vermeiden. Die hieraus resultierende geringere Teamleistung führe meist zu weiteren schlechten Resultaten und ziehe den Krisenprozess – den die befragten Sportler als Teufelskreis, negative Spirale oder Strudel bezeichnen – weiter in die Länge.
Die Sportwissenschaftler des KIT und der TU Braunschweig kommen zu dem Schluss, dass ein Krisenmanagement-Training darauf abzielen sollte, Erwartungen zu managen, positive affektive Zustände zu fördern und eine gesunde Motivation aller Teammitglieder zu unterstützen. Vor allem das direkte Umfeld einer Profimannschaft ist hier gefordert: „Besonders in Zeiten hoher Erwartungen und öffentlichen Drucks ist es entscheidend, dass Trainer und Management proaktiv unterstützende Strategien entwickeln, welche die Resilienz der Spieler stärken und die Teamdynamik erhalten“, unterstreicht Jekauc, der am IFSS den Arbeitsbereich Gesundheitsbildung und Sportpsychologie leitet. Interventionen in akuten Krisensituationen schließlich könnten Teambildungsaktivitäten, Konfliktlösungstrainings sowie psychologische Hilfestellung für Athleten, die besondere emotionale Belastungen erleben, umfassen.
„Die Studie lehrt uns, dass es bei einer Teamkrise bei weitem nicht nur um Dinge geht, die auf dem Platz zu sehen sind“, sagt Jan Spielmann, Geschäftsführer des TSG ResearchLab und leitender Sportpsychologe des Bundesligavereins TSG Hoffenheim. „Die Implikationen für die Praxis“, so Spielmann, „liegen auf der Hand: mehr Sensibilisierung für das Thema bei Spielern und Trainerstab, Monitoring und mehr psychologisches Know-how bei der Kommunikation in der Krisenintervention.“ Das TSG ResearchLab plant in Kooperation mit dem KIT bereits aufbauende Studien zum Thema Krisen im Fußball.
pm/tm
17.06.2024
Wie sich Misserfolge auf die Psyche der Spieler auswirken und der gefürchteten Abwärtsspirale entgegengewirkt werden kann, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer kürzlich veröffentlichten Studie untersucht. Im German Journal of Exercise and Sport Research zeigen sie, wie lang anhaltende Krisen mit unerwarteten Misserfolgen beginnen und sich in der Folge, auf individueller wie auf mannschaftlicher Ebene, psychodynamisch zuspitzen. Für die Praxis fordern die Autoren ein verstärktes Augenmerk auf Strategien zur Prävention beziehungsweise Bewältigung solcher Krisen.
Seit dem WM-Sieg in Brasilien 2014 erlebt die deutsche Männer-Fußballnationalmannschaft eine Phase des sportlichen Misserfolgs. Ob ein neues „Sommermärchen“ die nunmehr zehnjährige Durststrecke beendet, werden die anstehenden Partien zeigen. Offensichtlich ist jedoch, welch negative und anhaltende Dynamik Teamkrisen wie diese entfalten können.
Hier setzte das Forscherteam um den Sportpsychologen Professor Darko Jekauc vom Institut für Sport und Sportwissenschaft (IFSS) des KIT an: „Unsere Studie beleuchtet die tief verwurzelten psychologischen und sozialen Mechanismen, die Fußballteams in Krisenzeiten beeinflussen. Die Ergebnisse vermitteln ein ziemlich ganzheitliches Bild davon, wie sich Krisen im Fußball entwickeln und welche Faktoren ihre Entwicklung fördern.“
Eine qualitative Analyse von ausführlichen Interviews mit sechs aktuellen und drei ehemaligen Profifußballern ergab, dass eine Krise damit beginnt, dass das Team selbstgesteckte oder von außen angetragene Erwartungen nicht erfüllt. Diese können zu Druck, Angst, verringertem Selbstvertrauen und körperlichen Symptomen wie erhöhtem Blutdruck führen. Auf Mannschaftsebene führen diese negativen Affekte zu einer toxischen Gruppendynamik, die von Motivationsverlust, schlechter Kommunikation, Konflikten und schwindendem Zusammenhalt geprägt ist.
Auf dem Spielfeld, so die Wissenschaftler, bewirke diese Gemengelage häufig eine übertrieben defensive Einstellung, mitsamt dem Wunsch, Fehler zu vermeiden. Die hieraus resultierende geringere Teamleistung führe meist zu weiteren schlechten Resultaten und ziehe den Krisenprozess – den die befragten Sportler als Teufelskreis, negative Spirale oder Strudel bezeichnen – weiter in die Länge.
Die Sportwissenschaftler des KIT und der TU Braunschweig kommen zu dem Schluss, dass ein Krisenmanagement-Training darauf abzielen sollte, Erwartungen zu managen, positive affektive Zustände zu fördern und eine gesunde Motivation aller Teammitglieder zu unterstützen. Vor allem das direkte Umfeld einer Profimannschaft ist hier gefordert: „Besonders in Zeiten hoher Erwartungen und öffentlichen Drucks ist es entscheidend, dass Trainer und Management proaktiv unterstützende Strategien entwickeln, welche die Resilienz der Spieler stärken und die Teamdynamik erhalten“, unterstreicht Jekauc, der am IFSS den Arbeitsbereich Gesundheitsbildung und Sportpsychologie leitet. Interventionen in akuten Krisensituationen schließlich könnten Teambildungsaktivitäten, Konfliktlösungstrainings sowie psychologische Hilfestellung für Athleten, die besondere emotionale Belastungen erleben, umfassen.
„Die Studie lehrt uns, dass es bei einer Teamkrise bei weitem nicht nur um Dinge geht, die auf dem Platz zu sehen sind“, sagt Jan Spielmann, Geschäftsführer des TSG ResearchLab und leitender Sportpsychologe des Bundesligavereins TSG Hoffenheim. „Die Implikationen für die Praxis“, so Spielmann, „liegen auf der Hand: mehr Sensibilisierung für das Thema bei Spielern und Trainerstab, Monitoring und mehr psychologisches Know-how bei der Kommunikation in der Krisenintervention.“ Das TSG ResearchLab plant in Kooperation mit dem KIT bereits aufbauende Studien zum Thema Krisen im Fußball.
pm/tm
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