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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Provokativer Werbespot wird zum viralen Video-Hit

Linz ist out, ist ein Dorf, ist eintönig und ohnehin halten sich in der oberösterreichischen Stahlstadt nur Senioren auf. Provokativ und ironisch startet ein Video, das zum Ende hin eine versöhnliche Auflösung bietet. Wählen Touristen eine derart dargestellte Destination für ihren Urlaub? Der Tourismusverband glaubt ja. Die Stadtpolitik ist entsetzt.
Das virale Werbevideo für den Tourismus der Stadt Linz hat einige provokative Sequenzen. ©Screenshot_GerdLache

Von Gerd Lache | 07.08.2021

Auf Georg Steiner prasselt derzeit eine Mischung aus heftiger Kritik und überschäumendem Lob nieder. Der Tourismus-Direktor von Linz – mit knapp über 200.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt in Österreich nach Wien und Graz –  will die ausgetrampelten Werbepfade verlassen und hat von der Linzer Agentur Forafilm ein Video produzieren lassen, das sich ob seiner provokativen Inhalte zu einem viralen Hit entwickelt hat: Annähernd 50.000 Aufrufe am ersten Tag auf Youtube, mehr als 200.000 waren es bis 07.08.2021. Und in rund 1000 Youtube-Kommentaren sind beim schnellen Durchscrollen überwiegend positive, teils euphorische Anmerkungen zu dem Video zu lesen. Auch auf Facebook generierte das Video beim Start eine hohe Klickzahl.

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VIDEO ©Tourismusverband Linz/Forafilm Linz

Während sich die digitale Gemeinde also durchaus offen für eine etwas andere Art des Tourismusmarketing zeigt, macht die Stadtpolitik von Linz sowie Teile der Gastronomie und Hotellerie geschlossen Front gegen Steiner. „Das ist nicht mein Linz“, wird Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) in einem Beitrag von ORF Oberösterreich zitiert. Und Vizebürgermeister Klaus Hein (FPÖ) will sogar die künftigen Zuwendungen an den Tourismusverband – eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts – auf den Prüfstand stellen.

Der Werbeclip-Zwist ist inzwischen nicht nur in namhaften österreichischen Medien ein Thema, auch in der Schweiz und in Deutschland berichten Blätter und Online-Kanäle darüber, unter anderem Stern und Fokus.

Muss derzeit einiges an Kritik aushalten: Der Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner. ©Steiner/Composing_GerdLache

Was hat sich der Tourismusdirektor mit der Kampagne „Linz ist Linz“ eigentlich gedacht? Er wolle „die wirklich neugierigen Touristen ansprechen“, die nicht den ausgetrampelten Massentourismus-Pfaden folgen, erklärt er im Oberösterreichischen ORF. Ausgetrampelte Werbepfade, das sind für ihn beispielsweise Postkarten-Landschaften, fröhlich entspannte Menschen und das Bild einer atemlos schönen Reise-Destination. Und am Ende steht das Versprechen, auf eine perfekte Stadt zu treffen.

Er habe noch in keinem anderen Werbevideo so oft den Mittelfinger gezeigt bekommen, sagt der Kritiker der Produktion, der Linzer Bürgermeister-Stellvertreter Markus Hein. ©Screenshot_GerdLache

Dem deutschen Fachmagazin w&v (Werben und Verkaufen) sagt Steiner unter anderem: „Wir sind der Meinung, dass Linz sich auch etwas trauen darf. Darum gehen wir mit dieser Kampagne einen Schritt weiter und zeigen eben nicht die schönen Bilder der Stadt. Mit dieser Werbelinie wollen wir herausarbeiten, wie vielfältig Linz ist, eine Portion Humor und Augenzwinkern sind natürlich auch dabei. Man darf sich selbst nicht immer zu ernst nehmen. Das ist bei Menschen und auch bei einer Destination letzten Endes sehr sympathisch.“

Regisseur und Forafilm-Chef Sinisa Vidovic aus Linz wird von w&v wie folgt zitiert: „Linz ist Stahl statt Hochkultur. Graffitis statt weißer Verputz. Taxler statt Fiaker. Vielfalt statt Einfalt. Linz braucht deshalb nicht zu versuchen mit den Wiens und Salzburgs der Alpenrepublik mitzuhalten. Linz muss einfach nur seinen eigenen Standpunkt zeigen. Ungeschönt, kantig, echt.“ Mit einer Portion Humor präsentiere sich die Stadt so, wie sie wir wirklich sei: ehrlich und vielfältig.

Auch der österreichische Komponist Anton Bruckner wird im Linz-Video auf die Schippe genommen. ©Screenshot_GerdLache

Auf der Website https://www.linztourismus.at heißt es: „Der Aufbau der Kampagne ist wohl überlegt. In einem ersten Schritt wurden Recherchevideos mit Einwohnern gemacht, um zu eruieren, mit welchen Vorurteilen Linz zu kämpfen hat. Diese Kurzclips sind nicht nur der erste Part der Online-Bewerbung, schrittweise thematisiert die Kampagne, etwa durch begleitende Plakate, diese Sichtweisen.“

Und weiter: „Durch eine Änderung der Sichtweise oder eine Hervorhebung von Tatsachen wird mit vorhandenen Vorurteilen aufgeräumt. Alle Interessierten bekommen außerdem ihr eigenes Stück Linz. In der Tourist Information am Hauptplatz werden ab Mitte August kostenlos die Plakate und Postkarten zur Kampagne ausgegeben.“

Am Ende wird es für den Zuseher versöhnlich im Linz-Video. ©Screenshot_GerdLache

Marketingexperte Rainer Reichl, Chef einer renommierten Agentur in Österreich spricht von einem „kommunikativen Super-GAU“. Der Grund: Mit der Kampagne würden negative Vorurteile aktiviert. Auch wenn diese an späterer Stelle wieder relativiert werden, blieben diese hängen.

Andreas Winkelhofer, Geschäftsführer des Oberösterreich-Tourismus ist anderer Meinung. Mit Ironie und Überzeichnung präsentiere die Kampagne ein weltoffenes Bild von Linz. Immerhin habe es das Video geschafft, zum weitreichenden Gesprächsthema zu werden. Tourismuswerbung dürfe ungewöhnliche Wege gehen, erklärt er in den Oberösterreichischen Nachrichten.

Im Schwarzwald mag sich mancher an einen ebenfalls ironisch gemeinten, aber ansonsten etwas anders gelagerten Zwist um eine Tourismuswerbung erinnern. Die Stadt Triberg warb 2014 für ihren ersten Männerparkplatz mit einem Plakat, auf dem die Umrisse einer unbekleideten Frau mit leicht gespreizten Beinen zu sehen waren. Der Plakat-Text dazu: „Steile Berge, feuchte Täler – in unserem einzigartigen Triberg im Schwarzwald“. Immerhin füllte das Thema ebenfalls die Zeitungsspalten und Online-Kanäle.


©Screenshot GerdLache

Vom staubigen Image zur Kulturmetropole

Linz ist die Landeshauptstadt von Oberösterreich und mit 206.537 Einwohnern (Stand Januar 2021) nach Wien und Graz die drittgrößte Stadt Österreichs und das Zentrum des mit 805.770 Menschen (Stand 2020) zweitgrößten Ballungsraumes des Landes.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1945) hatte Linz den Ruf einer staubigen Stahlstadt, den sie dem größten Arbeitgeber, den Stahlwerken der heutigen Voestalpine AG, verdankte. Doch durch verbesserten Umweltschutz und zahlreiche Initiativen im Kulturbereich, beispielsweise Veranstaltungen wie die Linzer Klangwolke, das Bruckner-Fest, das Pflasterspektakel und den Prix Ars Electronica beziehungsweise das Ars-Electronica-Festival, gewann die Stadt sukzessive ein neues Image.

Seit 2004 wird jährlich das Filmfestival Crossing Europe veranstaltet. 2013 wurde das neue Musiktheater am Volksgarten, ein modernes Theater- beziehungsweise Opernhaus, eröffnet. Linz konnte sich mit diesen und weiteren Initiativen als Kulturstadt positionieren, wobei auch Strukturen der alten Industriestadt zum Teil noch sichtbar sind. Dazu passend weist Linz als Universitätsstadt mit mehreren Universitäten auch zahlreiche Studienangebote im künstlerischen und kulturellen Bereich auf.

Die Stadt ist namensgebend für die Linzer Torte, deren Rezept als das älteste bekannte Tortenrezept der Welt gilt.

Inoffiziell wird die Stadt auch als Linz an der Donau bezeichnet, um nicht mit der deutschen Stadt Linz am Rhein verwechselt zu werden. (wikipedia)

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