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Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Kulturwandel vs. Neue Technologien – ein Gespräch mit Petra Jaschhof, CIO der BWI

Seit mehr als 30 Jahren ist Petra Jaschhof in der IT-Branche bei namhaften Unternehmen unterwegs. Aktuell verantwortet die Managerin bei der BWI den Bereich Chief Information Office (CIO). Die BWI ist der IT-Dienstleister von Bundeswehr und Bund. Petra Jaschhof ist aktiv daran beteiligt die digitale Zukunftsfähigkeit unseres Landes herzustellen und voranzutreiben.
Petra Jaschhof, CIO bei der BWI, dem IT-Dienstleister von Bundeswehr und Bund. Foto: BWI

von Tanja Meckler

"Leadership ist für mich eine Lebenseinstellung. Ich übernehme Verantwortung für mein Handeln oder Nicht-Handeln - auf jeder Ebene und in jeder Beziehung.“
Petra Jaschhof, CIO, BWI

„Stillstand ist für mich keine Option. Man kann in die falsche Richtung gehen und daraus lernen. Aber wenn man stehen bleibt, passiert nichts“, sagt Petra Jaschhof. „Als ich vor drei Jahren bei der BWI anfing, hatten wir Optimierungsbedarf, um IT-seitig vorne mit dabei zu sein.“ Durch die Verschmelzung der BWI aus zwei Gesellschaften zu einem Gesamtunternehmen gab es unterschiedliche Voraussetzungen in der IT-Landschaft des Unternehmens. Um diese weiter zu modernisieren, mussten verschiedene Elemente der IT-Landschaft in der BWI harmonisiert und standardisiert werden.

Es gibt nicht das eine Rezept für Veränderung, die Kultur spielt jedoch eine tragende Rolle und sollte keinesfalls unterschätzt werden. Für einen Change-Management-Prozess, den die Digitalisierung ja in einem rasanten Tempo fordert, ist es wichtig, jeden Einzelnen mit auf die Reise zu nehmen und vor den Augen aller das Big Picture entstehen zu lassen. „Denn nur wer wirklich den Kontext, in dem man unterwegs ist, begreift, kann auch intrinsisch motiviert sein“, meint Petra Jaschhof. Ihr selbst ist es wichtig – sowohl privat als auch geschäftlich – immer das große Ganze im Kopf zu haben, um einschätzen zu können, in welche Richtung es inhaltlich gehen soll. Ihre innere Grundeinstellung charakterisiert sie als neugierig, innovativ und flexibel. Flexibilität gepaart mit der nötigen Gelassenheit lernte sie in Thailand kennen.

Wenn man einmal länger in Bangkok gelebt hat, ist ein wichtiges Learning, dass viele Dinge nicht planbar sind. Manches braucht einfach Zeit, Geduld und Gelassenheit. Der Straßenverkehr folgt hier beispielsweise seiner ganz eigenen Logik. Selbst wenn man nach deutschem Pflichtbewusstsein extra zwei Stunden für die Fahrt zum Meeting einplant, kann es trotzdem sein, dass man am Ende einen halben Tag für die Anfahrt braucht.

Petra Jaschhof


Learnings aus Asien

Die Karriere von Petra Jaschhof verlief nicht immer gradlinig, doch sie hielt stets an ihrem persönlichen Big Picture fest – und in der Rückschau zeigt sich die Bedeutsamkeit der einzelnen Stationen für ihre Entwicklung. Vor ihrer Tätigkeit bei der BWI war sie fast 30 Jahre im Siemens-Konzern in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt als Leiterin Strategie und Projektkommunikation des Konzernforschungsbereichs Energie und Elektronik. Aus privaten Gründen zog es sie Anfang 2000 nach Thailand. Dort war sie unter anderem als Consultant und Projektleiterin für verschiedenste internationale Projekte tätig. Insgesamt lebte und arbeitete sie rund zehn Jahre lang in Asien. In diesem Zeitraum lernte Petra Jaschhof viel über Change-Management und kulturelle Unterschiede. In einem anderen kulturellen Kontext bedarf es oft einer besonderen Sensitivität. Einmal hielt sie in Hongkong einen Change-Workshop, sie glaubte ihn mit Bravour gemeistert zu haben und alle an Bord zu haben. Im Nachgang bekam sie von einer jungen Teilnehmerin eine vermeintlich lobende Mail. Ein chinesischer Kollege erklärte ihr dann aber die Botschaft, die zwischen den Zeilen stand: Für die Teilnehmerin sei noch vieles sehr unklar und sie wünsche sich eine weitere Workshoprunde. Ein anderes Beispiel an das sich Jaschhof erinnerte, war ein Projekt, das in Taiwan super funktionierte, auf den Philippinen so aber nicht umsetzbar war. Diese Erfahrungen waren für sie enorm wichtig und haben ihr gezeigt, dass ein gemeinsames Kulturverständnis für den Erfolg von Projekten eine entscheidende Rolle spielt.

Was wünscht sich Petra Jaschhof von der neuen Bundesregierung in Sachen Digitalisierung?

Den aktuellen gesellschaftlichen Wandel sieht sie als die größte Herausforderung überhaupt. Es hat sich viel verändert, es wird sich viel verändern und die Geschwindigkeit wird immer rasanter. WirtschaftsKRAFT hat sie nach den wichtigsten To dos der neuen Bundesregierung in puncto Digitalisierung gefragt.
„Die neusten Technologien machen ja noch keine Digitalisierung aus. Es beginnt alles beim Menschen. Es wird nicht funktionieren ohne Kulturwandel, ohne die Bereitschaft zur Veränderung. Wir brauchen eine echte Mindset-Veränderung. Deshalb würde ich eine Initiative innerhalb der Ämter starten, die Mut zur Veränderung schafft. Außerdem fände ich es begrüßenswert, die „best practices“ der Welt anzuschauen und von ihnen zu lernen. Wie bei vielen Unternehmen besteht auch unser staatliches System aus zu kleingliedrigen Prozessen, da würde ich mir mehr Standardisierung und Mut zur Disruption wünschen. Zudem sind Bildung und Schule wichtige Faktoren, bei denen in puncto Digitalisierung mehr möglich wäre. Das offenbart ja auch der Blick in andere Länder: Ich selbst habe viele Jahre in Singapur gelebt, da war es bereits vor vielen Jahren normal, dass die Lehrer die Hausaufgaben virtuell nachgehalten haben und auch online für Coaching-Stunden zur Verfügung standen. Um Vergleichbares in Deutschland umzusetzen, bedürfe es gar nicht viel neuer Technologien, sondern man müsste einfach mal machen.“

Der Weg zum Social Intranet

Neue Wege bedeuten manchmal auch einen echten Kraftakt. Gespürt hat Petra Jaschhof das konkret vor zwei Jahren, als sie und ihr Team bei der BWI ein Social Intranet eingeführt haben. Die sogenannten „Bewahrer“ wollten an der gewohnten klassischen top-down Kommunikation festhalten, da diese besser kontrollierbar sei. „Das Social Intranet hat einen regelrechten Kulturwandel hervorgerufen. Nun sind alle Beschäftigten befähigt, den Content, der dort geteilt wird, selbst zu bestimmen und auch zu verantworten. Das entspricht unserem CIO-Selbstverständnis: Wir möchten Enabler sein und gehen dafür in den aktiven Dialog mit den Fachbereichen“, so Jaschhof. Jedem obliege nun die Eigenverantwortung für sich zu filtern, an welchen Beiträgen und Diskussionen er und sie sich beteiligen möchte – vom „push“ zum „pull“ von Informationen. Für die neue digitale Welt ist es für die CIO der BWI unerlässlich, dass die Menschen die Fähigkeit entwickeln, immer weiter zu lernen. Die Geschwindigkeit der Veränderungen fordere diese Eigeninitiative. „Erfolgreiche Menschen investieren intrinsisch motiviert viel Zeit in ihre Bildung. Dabei ist die Art der Auseinandersetzung mit neuen Themen sekundär, ob über Seminare, Konferenzen, Online-Angebote oder Fachbücher“, erzählt Petra Jaschhof. Sie selbst liest sehr bunt gefächert, gerne noch traditionell gedruckte Bücher, aktuell das Buch „Soziokratie 3.0 – Der Roman: Das volle Potenzial von Menschen und Organisationen freisetzen.“ Sich Zeit zu nehmen, um sich intensiv mit Dingen auseinanderzusetzen, dürfe durchaus auch entspannend sein, findet Jaschhof. Die BWI habe beispielsweise unter anderem extra Lernräume entwickelt, um Mitarbeiter*innen kreative Freiräume zu ermöglichen: Mit LinkedIn Learning stellt die BWI allen Mitarbeitenden eine Lernplattform zur Verfügung, über die die Mitarbeiter*innen videobasierte Kurse zu allen Themen, die ihnen in der alltäglichen Arbeit begegnen, beziehen können.

Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

Das Motto „Der Weg entsteht unter deinen Füßen“ begleitet Petra Jaschhof quasi durchs Leben. Eine ehrliche Kommunikation im Unternehmen ist ihr wichtig. Eine ihrer ersten Missionen bei der BWI war es deshalb auch, die Kommunikation zu den Kolleginnen und Kollegen rund um die interne IT zu intensivieren. „Es sind natürlich nicht immer alle User begeistert, wenn wir ihre alltäglichen Prozesse mit einer neuen Software verändern. Die meisten stehen aber hinter den Projekten, wenn sie die Gesamtzusammenhänge verstehen.“
Kommunikation ist der Schlüssel für vieles. Petra Jaschhof selbst ist hochgradig schwerhörig und weiß daher, wie wichtig es ist, immer wieder zu überprüfen, ob alle alles gehört und verstanden haben. Durch ihren offenen Umgang mit der Thematik wurde Petra Jaschhof im Nachgang von Meetings oft Positives zurückgespiegelt, im Sinne von: „Hey, das ist ja cool, dass du das gesagt hast, jetzt haben wir wieder besser darauf geachtet, dass wir hintereinander sprechen und profitieren alle davon.“  

Diverse Teams und bunte Lebensläufe

Petra Jaschhof ist eine Freundin von diversen Teams und meint damit nicht nur die Geschlechterbesetzung. Viel wichtiger ist ihr, dass die beteiligten Personen unterschiedliche Mindsets mitbringen.

Ein sehr harmonisches Team tut nur vermeintlich gut und ist sicher schön, wenn es um den Wohlfühlfaktor geht. Für Inhalte sind aber Reibungen wichtig. Deshalb sollten Teammitglieder unterschiedliche Perspektiven und Fähigkeiten mitbringen

Petra Jaschhof


Überhaupt, findet die Managerin, sollte generell mehr auf Fähigkeiten geachtet werden. Die Zertifizierungskultur empfindet sie als „typisch deutsch“ und oft als hinderlich. Denn hinter jedem Ergebnis stecke ein Weg der Fähigkeiten. Deshalb freut sie sich auch immer, wenn sie auf ihrem Schreibtisch unter den Bewerbungen bunte Lebensläufe findet. Für sie birgt dies nichts Negatives, sondern zeugt davon, dass der Mensch mit Veränderungen umgehen kann. Und genau das brauche die Gesellschaft.

Die Mutmacherin

Als eine der wenigen weiblichen CIOs in der deutschen Unternehmerlandschaft, gilt Petra Jaschhof oft als Role-Model. Auch im Gespräch mit Frauen bei der BWI oder aus dem privaten Umfeld, findet sie sich oft in der Rolle der Mutmacherin wieder. Vor kurzem saß sie mit rund 50 CIOs aus unterschiedlichen Branchen bei einem Roundtable zusammen. Die anwesenden Männer klagten darüber, dass sie für ausgeschriebene Führungspositionen keine Bewerbungen von Frauen erhalten würden. Der Markt sei wie leergefegt – obwohl die Stellen da seien. Petra Jaschhof glaubt, dass Frauen vor einer Bewerbung eher zurückschrecken, weil sie gefühlt nur 90% der Anforderungen erfüllen. Männer hingegen würden sich selbst dann noch bewerben, wenn sie nur 60% der geforderten Skills mitbrächten. Deshalb ist ihr Appell an die Frauen: „Seid mutiger, traut euch, man darf und soll eine neue Rolle ja auch gestalten und vielleicht wird es dann eine andere als ursprünglich gedacht, aber das kann ja durchaus positiv sein.“

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