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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Jobsharing: Der heimliche Star der Arbeitswelt

Teilzeit ist kein Makel und warum es sich lohnt aus eins zwei zu machen. Rebecca Zöller und Lydia Leipert, sind besser bekannt als das Job-Tandem Lydecca - einer Mischform der beiden Vornamen. Seit fünf Jahren teilen sie sich ein Teamlead im digitalen Bereich des Bayerischen Rundfunks. Jetzt haben die beiden BR-Autorinnen ein Buch veröffentlicht. Lydeccas Jobsharing-Reiseführer geleitet die LeserInnen zum Kontinent New Work. Sicherheitsgurt anlegen nicht vergessen.
Lydia Leipert (l.) und Rebecca Zöller (r.) teilen sich eine Vollzeitstelle beim Bayrischen Rundfunk. Foto: Julia Bradley

von Tanja Meckler

"Da Jobsharing leider noch ein als eher ungewöhnlich angesehenes Arbeitsmodell wahrgenommen wird, muss man vielleicht mit mehr Selbstverständlichkeit und Sicherheit in das Modell starten. Denn es gilt einen Exotenstatus zu etwas Gewöhnlichem zu machen."
Rebecca Zöller

Ein Anruf auf der Autobahn zwischen Bologna und Venedig markiert für Lydia Leipert und Rebecca Zöller den Start eines spannenden Roadtrips Richtung Jobsharing. Inzwischen sind fünf Jahre vergangen. Eine Zeit in der viel passiert ist. Natürlich gab es schreckliche Sitzungen, aber eben auch viele Erfolgserlebnisse. Der neuste Meilenstein von Lydecca ist das erste gemeinsame Buch: „Geteilte Arbeit, doppelt durchstarten. So funktioniert Jobsharing.“

Das Vorwort hat Fränzi Kühne übernommen. Sie betont: „Eine Tandembesetzung hat aber nicht nur nach außen Signalwirkung, sondern auch ins Unternehmen hinein. Wenn ein Unternehmen die Strukturen für die Umsetzung von Jobsharing bietet, weiß man, ob es mit der Modernisierung wirklich ernst gemeint ist.“

Für Lydia Leipert und Rebecca Zöller ist Jobsharing einfach der heimliche Star unter den Arbeitsmodellen.

Jobsharing ist viel mehr als nur ein temporäres Modell für Mütter, deren Kinder ja auch irgendwann größer werden. Jobsharing ist in so vielerlei Hinsicht eine Bereicherung, dass wir so weit gehen zu sagen, unsere Gesellschaft wäre besser, wenn viel mehr Menschen sich eine Stelle teilen würden.

Lydecca

WirtschaftsKRAFT: Ein Job, zwei Frauen, vier Kinder, wie kann man sich Ihr Jobsharing konkret vorstellen und wie kam es dazu? Wie ist die Idee entstanden, gab es Vorbilder? Fühlen Sie sich als Exotinnen?

Rebecca: Die Idee dazu entstand spontan: Ich bekam einen spannenden Vollzeitsjob angeboten. Da mein zweites Kind noch nicht mal ein Jahr alt war, war mir klar, dass ich das nicht alleine machen kann und will. Deshalb habe ich einfach Lydia angerufen, die selber kurz vor der Rückkehr aus der zweiten Elternzeit stand und sie hat zum Glück „Ja“ gesagt.

WirtschaftsKRAFT: Wie führt man Jobsharing ein, damit es auch in der Praxis wirklich klappt, sprich wie teilt man Aufgaben sinnvoll auf? Hatten Sie Hilfe von außen?

Lydia: Wir hatten das Glück, relativ zum Start unseres Tandems ein Coaching zu bekommen, das uns dabei geholfen hat die strukturellen und organisatorischen Grundlagen festzuklopfen. Das war eine große Hilfe und das können wir für den Start jedes Tandems sehr empfehlen.

WirtschaftsKRAFT: Was waren/ sind für die wichtigsten Learnings bei dieser Jobkonstellation?

Rebecca: Das sind so viele, da müssen sie schon unser Buch lesen (lacht). Im Ernst: Ein Learning ist tatsächlich, wie großartig, effizient und positiv die Konstellation fürs Tandem, Team und Unternehmen ist. Jobsharing ist der heimliche Star der Arbeitswelt und wir wollen ihn gerne bekannter machen.

Wie sieht der Arbeitsalltag ganz praktisch aus? Wie kommuniziert ihr miteinander, dass ihr wirklich immer auf dem gleichen Stand seid? Wer ist wann erreichbar?

Lydia: Übergaben sind das A und O beim Jobsharing. Dafür muss man sich ausreichend Zeit einräumen, idealerweise hat man einen oder sogar mehrere fixe Termine, an denen das passiert. Wir nutzen auch verschiedene Tools, wo man zum Beispiel Sitzungen mitschreiben kann und so selbst kleine Details nicht verloren gehen.

Rebecca: Wir sind vormittags immer beide im Dienst und nachmittags abwechselnd. Freitag hat eine immer alternierend frei.

Wie handhaben Sie es mit den Ferien, die sind ja für sie Beide identisch?

Rebecca: Klar, wir haben beide Kinder und sind an die Schulferien gebunden. Aber die sind ja zum Glück – gerade im Sommer – sehr lang und wir finden in der Regel immer eine Lösung, mit der alle zufrieden sind.

Ist es leichter einen Job zu zweit zu machen? Wie schafft man es, dass man nicht gegeneinander ausgespielt wird? Wie hat das Team es aufgenommen, war es komisch, dass es plötzlich zwei Ansprechpersonen gibt?

Lydia: Das Team muss spüren, dass kein Blatt zwischen das Tandem passt. Dass alles besprochen wird und dass keine wichtige Entscheidung ohne Rücksprache gefällt wird. Ist das klar, ist es vor allem ein Vorteil fürs Team, wenn man – zum Beispiel bei privaten Themen – die Auswahl zwischen zwei unterschiedlichen Ansprechpartnerinnen hat. Weil mit der einen kann man ein Problem vielleicht einfacher ansprechen, weil sie einem mehr liegt.

Oft ist es ja so, dass wenn man aus der Elternzeit zurück kommt erstmal in einer etwas schlechteren Position landet, was ja schade ist – kann Jobsharing das abfedern und vielleicht auch zu mehr Zufriedenheit beitragen?

Rebecca: Genau das konnten wir ja erleben. Und genau das ist extrem wichtig: Denn gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter:innen müssen nicht – nur weil sie Kinder haben, ihre Eltern pflegen oder sich stärker einem Hobby widmen wollen – einem Job mit weniger Verantwortung ausüben. Teilzeit ist kein Makel.

Sie beide sind ja von diesem Arbeitsmodell richtige „Fans“ geworden, was sind die wichtigsten Vorteile, die Jobsharing schafft, vielleicht auch für den Arbeitgeber?

Lydia: Neben der garantierten Erreichbarkeit, der quasi nicht existenten Fehltage (denn Abwesenheit durch Krankheit und Urlaub wird ja so von der jeweils anderen abgefedert), hat ein Tandem wie wir sogar Superkräfte: Wenn wichtige Sitzungen zur selben Zeit stattfinden, können beide besucht werden; wir sind ja zu zweit.

Kann man als Jobtandem auch gemeinsam Karriere machen?

Rebecca: Na das hoffen wir mal. Tatsächlich gibt es schon einige Beispiele, die beweisen, dass man nicht nur erfolgreich seine Tandempartner:in wechseln kann, sondern auch gemeinsam aufsteigen kann.

Was bedeutet New Work für Sie ganz konkret? Wohin geht die Reise ihrer Meinung nach?

Lydia: Für uns bedeutet das vor allem Vertrauensarbeit für unser Team, sprich: jeder kann seine Aufgaben wann und wo erledigen, wann es ihm oder ihr passt. Hauptsache, das Ergebnis ist gut. Flache Hierarchien sind wir uns wichtig, genauso wie transparente Entscheidungsfindung und viel respektvolle Kommunikation. Gerade durch Corona haben wir erlebt, wie effizient Home Office sein kann. Vertrauensarbeit ist für uns deshalb ein wichtiges Element, was in unseren Augen stärker kommen wird.

Sie wollen auch andere ermutigen, wie kann man den Arbeitgeber von Jobsharing überzeugen? Wie bildet man ein Tandem sinnvoll? Welche vielleicht persönlichen Voraussetzungen spielen eine Rolle?

Rebecca: Wir glauben, dass sich jeder Mensch, der Lust auf Kommunikation hat, für ein Tandem im Beruf eignet. Wenn beide Jobsharenden es gemeinsam hinbekommen wollen, dann wird das klappen. Wir haben von vielen Tandems gehört, wie wichtig der Wille ist, es umzusetzen. Der Weg findet sich immer.

Ist Jobsharing das neue Must-have? Inwieweit kann so ein Arbeitsmodell auch eine Unternehmenskultur verändern?

Lydia: Auf jeden Fall. Denn es fordert automatisch mehr Offenheit vom Team und Kolleg:innen ein. Bestehende Kommunikations- und Arbeitsstrukturen werden durchbrochen und alte Denkmuster über den Haufen geschmissen. Jobsharing ist ein Tool, was durchaus erstmal allen Flexibilität abverlangt, aber dann eben auch Flexibilität schenkt.

Sie haben ein Buch geschrieben, warum und an wen richtet es sich konkret?

Lydia: Dieses Buch ist für alle Menschen, die sich für Jobsharing und neue Formen des Arbeitens interessieren. Mit den Learnings aus fünf Jahren als Tandem, gepaart mit spannenden Interviews mit Experten und erfolgreichen Jobsharenden wollen wir allen Mut machen, sich selbst im Tandem auszuprobieren. Denn doppelt hält einfach besser.

5 Tipps zum perfekten Jobsharing
1. Offenheit: Geben Sie sich nicht mit dem Erstbesten zufrieden, nur weil Sie nicht in Vollzeit arbeiten können oder wollen. Teilzeit ist kein Makel. Seien Sie offen für das Konzept Jobsharing! 

2. Ziele: Definieren Sie eine gemeinsame Vision. Was ist Ihnen wichtig? Was und bis wann wollen Sie das gemeinsam erreichen? Legen Sie sich beide auf diese Vision fest. Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse und überprüfen Sie sie gemeinsam in regelmäßigen Abständen. 

3. Aufgaben: Stecken Sie die Aufgaben klar ab und halten Sie fest, wer welche Tätigkeiten übernimmt. Regelmäßige Planungssitzungen helfen dabei, auch kleinteilige Aufgaben im Blick zu behalten und Zuständigkeiten zu klären. 

4. Übergaben: Suchen und nutzen Sie geeignete Tools für Übergaben und gegenseitigen Informationsaustausch (Mails/WhatsApp/Trello usw.). Sitzungs- und Gesprächsprotokolle sind für den Informationstransfer wichtig und können von dem anderen Teil des Teams jederzeit eingesehen werden. 

5. Kommunikation: Es bedarf eines wöchentlichen Updates für Langfristplanung und Aufgabenverteilung. Und lieber einmal zu viel Nachhaken, denn der anderen Person fällt garantiert noch etwas Sinnvolles zum Thema ein. Sprechen Sie nach außen mit einer Stimme (und gleichen Sie Prioritäten und Entscheidungen dementsprechend vorher ab). Geben Sie sich auch in der Kommunikation Regeln (Beispiel: Welche Mails muss man in CC schicken, welche nicht?).
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