Zitat Autor
Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

Newsletter Anmeldung

+ monatliche Erscheinung
+ aktuelle Themen und wichtige Termine
+ neue Unternehmensportraits und Unternehmensprofile
Datenverarbeitungshinweis*

Isabelle Possehl aus Pforzheim will mit ihren DIY-Schuhen einen neuen Mainstream-Trend schaffen

Sie zählt nicht die Stunden, sondern verfolgt mit Feuereifer ihre Träume und die sind groß. Ihr Startup mabottie soll zum Synonym von DIY-Schuhen werden und den Handwerksmarkt erobern.
Isabelle Possehl, Gründerin mabottie GmbH. Foto: Cecile Zahorka

Von Tanja Meckler

"Der DIY Schuh wird so richtig im Mainstream ankommen."
Isabelle Possehl, Gründerin mabottie GmbH

So wird ein Schuh draus!

Isabelle Possehl ist eine echte Macherin und Mutter von drei Kindern. Für viele Frauen ist sie eine Art Rolemodel. An dieser Begrifflichkeit stört sie sich gelegentlich, da sie nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden möchte.

Manchmal braucht eine Idee Zeit, Zeit bis sie reif ist einen Markt zu erobern. Bei Isabelle Possehl sind es acht Jahre, die zwischen der ersten Idee und der Gründung stehen. Ein Schuhkonzept im Studium, das den schnellen Stylingwechsel proklamierte, war der Auslöser. Das Konzept wird 2008 im Rahmen der größten internationalen Schuhmesse in Düsseldorf, der GDS, vom Hauptverband der deutschen Schuhindustrie mit dem zweiten Platz des Fashion Footwear Future Award ausgezeichnet. Dann liegt das Projekt erst einmal auf Eis. Gedanklich entwickelte sie es jedoch Jahr für Jahr weiter. 2016 ist Isabelle Possehl dann bereit, ein neues Kapitel in ihrem Leben zu schreiben. Gemeinsam mit ihrer Mutter Claudine Vigouroux gründet sie die mabottie GmbH. Den Fokus legen sie bewusst auf „Do-it-yourself“. Die Basis der selbstgemachten Schuhe wird eine Sohle, an der Isabelle Possehl fünf Monate lang getüftelt hat.

Botties sollen zum Trendsetter werden

„Die Entscheidung, nicht auf dem Schuhmarkt, sondern auf dem Handarbeitsmarkt zu starten war rein strategisch. Hier war der Schuh noch ein totales Randprodukt und die Bühne für einen „Do-it-yourself Schuh“ noch frei“, erzählt die Jungunternehmerin gegenüber WIRTSCHAFTSKRAFT.

Der Weg zum eigenen Start-up

Es gibt ihn, diesen Moment X, der eine entscheidende Wendung bringt. Bei Isabelle Possehl war es eine Rückfahrt aus Paris. Damals beschloss sie, das lang auf Eis gelegte Schuhprojekt jetzt doch aktiv anzugehen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste sie, wie es läuft die eigene Leistung zu verkaufen, jetzt sollte ein skalierbares Produkt in Angriff genommen werden. Nach dem Studium hatte Possehl bereits mit einer damaligen Kommilitonin das Designstudio DMBO gegründet. „Zeitgleich bauten wir uns mit dem Label DUMBO AND GERALD ein Profil für die Kreativleistungen mit Tape Art auf“, erzählt Isabell Possehl. „Ich wusste also, dass es viel Leidenschaft, Motivation und Zeit benötigt, um sich auf dem Markt zu etablieren.“

Geduld ist der Schlüssel

Isabelle Possehl hält sich gern an ein Zitat von Wilhelm Busch. Er sagte einmal: „Geduld wird früher oder später belohnt. Meistens aber später.“ Und damit ist sie d‘accord. Possehl hat Geduld und ist bereit viel zu arbeiten. Andere Menschen können darüber manchmal nur den Kopf schütteln. Aber der jungen Frau ist es wichtig, ihre Träume zu verwirklichen. Mabottie ist bereits ihr drittes Startup. Isabelle Possehl ist es gewöhnt, erst einmal zu investieren. Stress mag sie trotzdem nicht und mit der Liquidität verbindet Possehl inzwischen eine Hassliebe.

Bei mabottie haben wir als Produkt eine Sohle, die es in 13 Größen gibt. Für die Spritzgusswerkzeuge waren große Investitionen notwendig. Die Produktion erfolgt immer mit stark zeitlichem Verzug zu den Umsatzerlösen. Es ist unheimlich kapitalintensiv. Und die Überschuldung hängt täglich bedrohlich wie so ein Damoklesschwert über dem Kopf. Immer bereit, auf einen herab zu fallen. Hier die richtige Balance zu finden, ist teilweise schier unmöglich, da ja auch sehr viele externe Faktoren eine Rolle spielen.

Isabelle Possehl

Trotz allem findet sie die Idee vom eigenen Unternehmen romantisch: „Immerhin spielt man die Hauptrolle in seinem eigenen Märchen.“ Die Zielgruppe ist ganz klar weiblich. Das Alter spielt keine Rolle, dafür aber das Thema Nachhaltigkeit. Inzwischen ist mabottie zu einem Fulltimejob geworden. Das Team umfasst zehn Leute. In den letzten Jahren musste immer wieder ordentlich nach finanziert werden, um weiter im Geschäft zu bleiben. Im Mai 2021 stieg dann die MEZ Crafts Group als Teilhaber ein. Der führende Anbieter von Handarbeitsprodukten nimmt das Startup jetzt an die Hand. In fünf Jahren, so die Vision, sollen die Botties Synonym sein, für DIY Schuhe aller Couleur. „Ich kann mir vorstellen, dass meine Reise in der DIY und Schuhwelt dann auf ihrem Höhepunkt angekommen ist und ich mir wieder Gedanken machen werde, mich anderen Ideen zu widmen. Da schlummern noch einige in mir“, sagt Isabelle Possehl.

WIRTSCHAFTSKRAFT: Worauf kommt es aus Ihrer Sicht beim ersten institutionellen Investor an? Die entscheidenden Jahre geht man ja von nun an zusammen und eine Kündigung ist nicht möglich.

Isabelle Possehl: Eine gemeinsame Vision ist das A und O. Und dann sollte auch die menschliche Komponente eine Rolle spielen: die Chemie muss stimmen. Regelmäßiger Austausch und gegenseitige Transparenz helfen, das Vertrauen zu halten, mögliche Problemsituationen rechtzeitig zu erkennen und gemeinsam anzupacken. In unserem Fall haben wir mit unserem Teilhaber, der MEZ Crafts Group, den absoluten Jackpot getroffen: unsere Produkte ergänzen sich perfekt und wir teilen dieselbe Zielgruppe. Zudem profitieren wir erheblich von der 200-jährigen Tradition, Erfahrung und Infrastruktur. Im Gegenzug strahlt unsere „Jugend“ und Innovationskraft natürlich auch auf unser Partnerunternehmen ab. Ganz nach dem Motto: Synergien erkennen und nutzen!

Ihr Leben in Logos gedacht, welche Marken haben sie beeinflusst?

Mercedes: ich bin in Sindelfingen geboren und aufgewachsen. Gefühlt arbeitet jeder beim Daimler. Meine Eltern hatten immer einen Mercedes. Ich habe vor dem Designstudium dort ein Praktikum gemacht. Der Stern ist für mich ein Sinnbild vom kleinen Schwaben, der groß denkt.

Barbie: ich war ein typisches Mädchen 🙂

Playdooh Knete: ich liebe den Geruch – und habe diese Knete daher auch für meine Kinder gerne gekauft. Knete ist perfekt, um Kreativität zu fördern. Man hat einen Klumpen und 1000 Möglichkeiten etwas daraus zu gestalten.

Apple: seit Beginn meines Studiums arbeite ich mit Apple Geräten. Inzwischen bin ich so gut ausgerüstet, dass Apple mit mir Werbung machen könnte. Meine ganze Familie muss da übrigens mitziehen.

o2: Das war unser erster „Tape Art“ Job mit DUMBO AND GERALD. 2011-2013 haben wir, teilweise zu zehnt, bundesweit die o2 Home Walls mit Klebeband gestaltet. O2 hat mir gezeigt, dass man mit wenig, wir hatten damals kaum Referenzen, viel erreichen kann.

Sind sie gerne eine Rolemodel oder nervt Sie diese Bezeichnung auch? Fränzi Kühne hat ja gerade ein Buch darüber geschrieben: „ Was Männer nie gefragt werden.“

Ich weiß es nicht. Einerseits ja, weil ich merke, dass ich tatsächlich viele Frauen inspiriere. Andererseits wollte ich mich nie auf mein Frausein reduziert sehen. Als es vor ein paar Jahren um die Einführung einer Frauenquote ging, fand ich das ziemlich schräg. Ich beobachte, dass viele Frauen ihre Ziele mit dem ersten Kind aus den Augen verlieren. Wie soll eine Frauenquote denn helfen, die innere Einstellung zu beeinflussen? Ich denke, dass sich viele Frauen viel zu wenig zutrauen. Ich habe meine Träume immer klar vor Augen, sie sind mein Anreiz, das Leben aktiv anzupacken. Das heißt ja aber nicht, keine gute Mutter zu sein und ein erfülltes Familienleben genießen zu können.

Glauben Sie an eine Pro-Family Arbeitswelt? Was ist da Ihr Wunsch an die Gesellschaft?

Ich glaube daran, da wir in den letzten Jahrzehnten schon gewaltige Entwicklungen durchgemacht haben. Es ist eine Frage der Zeit,der Geduld und der inneren Einstellung. Und die kann nicht „von oben“ implementiert werden. Väter müssen das Vater-sein WOLLEN, Mütter müssen loslassen und ihre eigenen Träume verwirklichen WOLLEN. Der eigene Wille spielt hierbei die größte Rolle, alles andere läuft nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage. Je mehr Väter aktiv eine bessere Work-Life-Balance von ihren Arbeitgebern verlangen, desto mehr Spielraum, flexible Arbeitszeitmodelle und Verständnis wird es geben. Das wird dann den Müttern entsprechend in die Karten spielen, die dann genauso aktiv ihren beruflichen Weg einschlagen können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Bevor also die Gesellschaft das alte Rollenbild abschütteln kann, muss die Politik zunächst dafür sorgen, dass die Betreuungssituation verbessert wird. Da hat sich zwar schon einiges getan, aber, wie wir ja auch während der Pandemie-Hochzeiten erleben konnten, sind die Kinder in Deutschland leider noch das Schlusslicht der Gesellschaft.

Was für Tipps haben Sie für angehende Gründer:innen?

Der wichtigste Tipp ist meiner Meinung nach: einfach machen! Probleme werden auftauchen, und zwar am laufenden Band. Fangt nicht an sie zu lösen, bevor sie aufgetreten sind. Bleibt bescheiden und geduldig: ihr werdet viel Schweiß, Zeit und Muskeln investieren. Ihr werdet alles selber machen. Der Rubel wird aber noch lange nicht rollen. Weitermachen!

Botties sind vielfältig. Foto: Cecile Zahorka
Botties sind vielfältig. Foto: Cecile Zahorka

Jetzt Newsletter abonnieren und von vielen Vorteilen profitieren!