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Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Innovation eine Aufgabe für Viele: Interview mit Dr. Sven Schimpf

Im Interview sprachen wir u.a. mit Dr. Sven Schimpf über Innovationskulturen, warum sich der Trend in Richtung einer digitalen Innovations-DNA beschleunigt hat und über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine.
Prof. Dr.-Ing. Sven Schimpf, Foto: Fraunhofer IAO

Dr. Sven Schimpf ist Geschäftsführer des Fraunhofer-Verbunds Innovationsforschung, Professor für Innovations- und Interdisziplinaritätsforschung und einer der drei Direktoren des Instituts für Human Engineering & Empathic Design der Hochschule Pforzheim.

Wie ist Baden-Württemberg, insbesondere auch die Region Nordschwarzwald, in Sachen Innovationen aufgestellt?

In der Vergangenheit ist zum Thema Innovation in Baden Württemberg und auch im Nordschwarzwald einiges bewegt worden. Aus meiner Perspektive sind wir zum Thema Innovation sehr gut aufgestellt. Die Hauptfrage ist allerdings weniger, wie wir aufgestellt sind oder waren, sondern wie sich die Unternehmen der Region bestmöglich für die Zukunft aufstellen können. Von einer zielgerichteten Innovationsstruktur über effiziente Innovationsprozesse hin zu Organisations-Ökosystemen, die auch größere Innovationsschritte ermöglichen sehe ich hier in der Region und in Unternehmen den ein oder anderen Verbesserungsbedarf.

Wie wird die Innovationskultur künftig verändert werden?

Bereits in den letzten Jahrzehnten durften wir einen Wandel von einer sehr technozentrischen Innovationskultur hin zu einer risikofreudigeren und anwendungsorientierten Kultur beobachten. Dies wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Ebenso werden sich Innovationskulturen durch die Konvergenz klassischer Technologiefelder und den allgegenwärtigen Einsatz digitaler Lösungen weiter in Richtung Offenheit und Lernfähigkeit entwickeln.

Brauchen Unternehmen künftig Innovationspartner, sollten sie sich vielleicht auch mehr Start-Ups gegenüber öffnen? Wie muss das Innovationsökosystem im Zeitalter der digitalen Transformation aussehen, um schlussendlich auch erfolgreich zu sein?

Durch ihre einzigartigen und flexiblen Strukturen sind Start-Ups häufig in der Lage Paradigmen besser in Frage zu stellen als traditionelle Unternehmen. Sie stellen daher einen wichtigen Baustein in Innovationsökosystemen dar. Insbesondere mit Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit im Kontext der aktuellen Pandemie müssen Unternehmen die eigene Souveränität mit Hinblick auf Technologien und Innovationen zielgerichteter mit der Nutzung verfügbarer und offener Lösungen kombinieren. Hier spitzt sich die Frage zu, welche Kompetenzen für die Wettbewerbsfähigkeit der Innovationsaktivitäten eines Unternehmens ausschlaggebend sind.

Inwieweit hat Covid 19 die Innovations-DNA beeinflusst?

Die Covid-19 Pandemie wird oft auch als Digitalisierungs-Booster bezeichnet. Zum Thema Innovation betrifft dies sowohl die Digitalisierung von Innovationsaktivitäten selbst, als auch die Entwicklung digitalbasierter Lösungen und Geschäftsmodelle als Ergebnis von Innovationsaktivitäten. Der Trend in Richtung einer digitalen Innovations-DNA wurde durch die Pandemie ebenso wie die Digitalisierung in anderen Bereichen wesentlich beschleunigt. Spannend ist auch das durch die Pandemie gestärkte Nachhaltigkeitsbewusstsein.

Wie wird sich das Verhältnis von Maschine und Mensch ändern? Werden wir alle bald eine gemeinsame neue Sprache sprechen?

Das Verhältnis von Maschine und Mensch hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Dies wird sich insbesondere durch den verstärkten Einsatz von KI-Lösungen auch in Zukunft fortzeichnen. Bisher lässt sich beobachten, dass die erfolgreichsten KI Anwendungen stark an den Bedürfnissen der Nutzer und an deren Sprache orientiert sind.

Wird es in Zukunft noch Forschungs – und Entwicklungsmanager geben?

Ja, ich gehe davon aus, dass es auch in Zukunft noch Forschungs- und Entwicklungsmanager geben wird und geben muss. Allerdings wird sich deren Rolle ändern. Stärker noch als heute wird die Koordination von Beteiligten am Innovations- und FuE-Prozess mit unterschiedlichsten fachlichen, funktionalen und kulturellen Hintergründen im Mittelpunkt der Aufgaben stehen. Der Anteil der fachlichen Expertise wird sich stärker auf die nutzerzentrierte Anwendung fokussieren. Die gängige Praxis, FuE-Manager für Projekte und Abteilungen aus dem Kreis der technischen Experten zu rekrutieren bedarf dabei mehr denn je auch grundlegende und zeitgemäße Weiterbildungsformate.

Mit welchen disruptiven Innovationen rechnen Sie?

Disruptive Innovationen zeichnen sich dadurch aus, dass bestehende Marktstrukturen „disruptiert“ werden, was soviel heißt, dass die Investitionen traditioneller Marktführer obsolet werden und deren Position dadurch in Gefahr gerät. Nicht zu verwechseln ist dies mit radikalen Innovationen, die sich durch die Innovationshöhe und damit die Leistungssteigerung einer Innovation im Vergleich zu bisherigen Referenzlösungen auszeichnen. Beide Innovationsarten können sowohl gemeinsam als auch unabhängig von einander auftreten.

Ein hochaktuelles Beispiel für eine möglicherweise disruptive Innovation ist sicherlich die Automobilindustrie. Eine Substitution der Verbrennertechnologie durch Elektroantriebe und die damit verbundene Entwertung bisherigen Know-Hows und existierender Produktionsstätten würde ich im Zulieferermarkt als eindeutig disruptive Innovation bezeichnen. Auf der Ebene der Automobilhersteller ist mit einer Disruption eher nicht zu rechnen, was natürlich nicht ausschließt, dass es auch hier erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen geben wird.

Sie sind ja auch Professor an der Hochschule Pforzheim. Die Generation Y, Z tickt ja nun ein wenig anders, hat andere Schwerpunkte, eine viele höhere Affinität zur Digitalität, wie wird sich das auf Innovationen auswirken?

Wie jede Generation hat auch die Generation Y und Z im Vergleich zu vorangegangenen Generationen einen anderen Blick auf die Welt. Für Unternehmen gilt es, heutige Lösungen mit Hinblick auf diese Entwicklungen wie der digitalen Transformation auch grundlegend in Frage zu stellen und zu überarbeiten.

Was wollen Sie den Studenten für Ihr Arbeitsleben mitgeben?

Innovation wird häufig als der Wettbewerbsfaktor für Deutschland und Europa angepriesen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es hilfreich, Innovation nicht nur als Aufgabe einiger Weniger, sondern als integralen Bestandteil des Arbeitslebens zu verstehen. Ideen hat jeder. Und Innovation ist, was unsere Studierenden aus ihren Ideen machen.

Das Interview führte Tanja Meckler

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