Zitat Autor
Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

Newsletter Anmeldung

+ monatliche Erscheinung
+ aktuelle Themen und wichtige Termine
+ neue Unternehmensportraits und Unternehmensprofile
Datenverarbeitungshinweis*

IHK: Regional-Wirtschaft startet robust ins Jahr

Trotz der weiterhin herausfordernden Rahmenbedingungen ist die Wirtschaft in der Region Nordschwarzwald gut in das neue Jahr gestartet. die regionalen Firmen bewerten ihre gegenwärtige Geschäftslage nicht nur besser als der Durchschnitt der Unternehmen auf Landesebene, sondern auch deutlich besser als vor einem Jahr. Jedoch trüben hohe Energiepreise, Lieferengpässe und steigende Rohstoffpreise sowie der anhaltende Fachkräftemangel die Geschäftserwartungen. So die Konjunkturumfrage der IHK Nordschwarzwald.
IHK-Präsidentin Claudia Gläser freut sich über die relativ robuste Wirtschaft der Region Nordschwarzwald. ©FotostudioKarin

07.02.2022

Claudia Gläser, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald, freut sich über die relativ robuste regionale Wirtschaft. Indes stellten die Lieferengpässe, die hohen Energie- und Rohstoffkosten, der Fachkräftemangel und nahezu zwei Jahre Corona-Beschränkungen die Wirtschaft weiterhin vor große Herausforderungen.

Dennoch: 53 Prozent der regionalen Unternehmen berichten aktuell von gut laufenden Geschäften, während es im vergangenen Herbst 47 Prozent waren.  37 Prozent (Herbst 2021: 44 Prozent) geben sie noch mit befriedigend an, weitere zehn Prozent (Herbst 2021: neun Prozent) mit schlecht. Dies ist das Ergebnis der aktuellen Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald bei rund 250 Unternehmen aus der Region.

Nicht vergessen dürfe man, dass Branchen wie der stationäre Einzelhandel, das Hotel- und Gaststättengewerbe oder die Messe-, Veranstaltungs- und Reisewirtschaft nach wie vor durch die Corona-Vorgaben erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Diese Wirtschaftsbereiche seien auch weiterhin auf öffentliche Hilfen angewiesen.

Zusätzliche Belastungen drücken auf die Erträge

Mit 57 Prozent verzeichnen zwar die meisten regionalen Firmen in den letzten vier Monaten höhere Umsätze als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Zugenommen hat allerdings ebenfalls der Anteil der Unternehmen, der mit Umsatzverlusten zu kämpfen hat. Die derzeitige Ertragslage wird weiterhin mehrheitlich mit befriedigend angegeben. Nahezu jedes fünfte Unternehmen beurteilt sie als schlecht.

Auswirkungen gestörter Lieferketten

Bei rund 90 Prozent der befragten Unternehmen haben die Störungen in den Lieferketten zu Ertragseinbußen geführt. Die weltweit höhere Nachfrage nach Rohstoffen hat zusammen mit einer Verringerung der Transportkapazitäten und Produktionsausfällen bei den Zulieferern zu dieser Entwicklung beigetragen. Nahezu jedes Unternehmen ist aktuell von den Preisanstiegen bei Rohstoffen und Vorprodukten betroffen, 76 Prozent in erheblichem Umfang.

Zwei Drittel müssen bedeutend länger auf ihre Bestellungen warten. 46 Prozent weisen auf einen stark gestiegenen Planungsaufwand hin. 68 Prozent können aufgrund der Lieferengpässe bestehende Aufträge nicht abarbeiten. Jedes zweite Unternehmen ist aufgrund der Lieferprobleme sogar gezwungen, neue Aufträge abzulehnen.

40 Prozent rechnen im zweiten Halbjahr 2022 wieder mit einer besseren Versorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten, weitere 27 Prozent erst im Jahr 2023.

Lieferengpässe verzögern Auftragsbearbeitungen. ©MichaelSchwarzenberger

Geschäftsperspektiven leicht eingetrübt

Im Vergleich zur letzten Befragung im Herbst 2021 haben sich zu Beginn 2022 die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate leicht verschlechtert. Zwar geht weiterhin eine Mehrheit (52 Prozent) von künftig gleichbleibenden Geschäften aus. 17 Prozent (Herbst 2021: neun Prozent) blicken jedoch eher pessimistisch in die nahe Zukunft.

Risikoeinschätzung verfestigt sich

Die bisherige Einschätzung der Risikofaktoren für die weitere wirtschaftliche Entwicklung hat sich verfestigt. 71 Prozent erwarten weitere Kostenbelastungen durch die hohen Energie- und Rohstoffpreise. Für 64 Prozent wird der Mangel an Fachkräften auch in der nahen Zukunft ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten begrenzen. 62 Prozent rechnen auch in den nächsten zwölf Monaten mit Corona-bedingten Einbußen. 46 Prozent befürchten einen Anstieg der Arbeitskosten. Ursächlich dafür dürfte die auch durch die höheren Energiepreise gestiegene Inflationsrate sein, die bei einem Lohnausgleich eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnte.

Exporterwartungen setzen intakte Lieferketten voraus

Erfreulich positiv fallen nach wie vor die Exporterwartungen aus. Rund die Hälfte der Firmen aus der Region rechnet in der nahen Zukunft mit weiter steigenden Ausfuhren. Da für die Produktion einiger Exportgüter Rohstoffe und Vorprodukte benötigt werden, deutet die Zuversicht bei den Ausfuhren darauf hin, dass die regionale Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten von einem Ende der Lieferkettenprobleme ausgeht.

Die Corona-Pandemie war ein Treiber der Digitalisierung. ©geralt

Investitionen in Digitalisierung und Umweltschutz

Die Bereitschaft, künftig mehr im Inland zu investieren, hat ebenfalls zugenommen. Während im Herbst 2021 37 Prozent diese Absicht äußerten, ist dieser Anteil zu Jahresbeginn auf 48 Prozent gestiegen. Als vorrangiges Investitionsmotiv wird dabei nicht nur die Deckung des Ersatzbedarfs angegeben, sondern nahezu gleichrangig der Wunsch, noch mehr in die Digitalisierung zu investieren. Ein wesentlicher Beschleuniger dürfte hier die Corona-Pandemie sein, durch die die Digitalisierung in den Unternehmen einen deutlichen Schub erfahren hat. So werden Dienstreisen vermehrt durch virtuelle Treffen ersetzt und mobiles Arbeiten verstärkt.

Der Wunsch der regionalen Wirtschaft, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, zeigt sich auch darin, dass immer mehr Firmen in den Umweltschutz und ihre Energieeffizienz investieren wollen.

Entlastung bei Energiekosten gefordert

Mit 59 Prozent gehen die meisten Firmen von einer künftig stabilen Beschäftigtenzahl aus. Auch die besonders von Corona-Beschränkungen belasteten Branchen wie der stationäre Einzelhandel oder die Hotellerie und die Gastronomie bemühen sich, trotz der Corona-bedingten Ertragseinbußen ihre Fachkräfte zu halten.

Aus Sicht der IHK-Präsidentin stellt die vorgesehene Abschaffung der bisherigen EEG-Umlage eine wichtige Maßnahme dar, um die Kostenbelastung durch stark gestiegene Strompreise teilweise zu kompensieren. „In der weiterhin fragilen wirtschaftlichen Situation brauchen unsere Unternehmen dringend Entlastungen, auch im Energiebereich. Dazu müssen alle Steuern, Abgaben und Umlagen, die die Energiepreise in die Höhe treiben, auf ein wettbewerbsfähiges Maß gesenkt werden“, sagt Claudia Gläser.

IHK-Präsidentin Claudia Gläser fordert eine Entlastung bei den Energiekosten. ©Analogicus

Lage in ausgewählten Wirtschaftszweigen

Verarbeitendes Gewerbe

In der Industrie der Region ist die Stimmung nach wie vor positiv. 56 Prozent berichten von gut laufenden Geschäften, weitere 40 Prozent noch von einer befriedigenden Situation. Die Umsätze mit dem Ausland haben sich besser entwickelt als im Inland. Die Kapazitätsauslastung ist auf 88 Prozent gestiegen, was darauf hindeutet, dass die Lieferketten wieder besser funktionieren und akute Engpässe bei den benötigten Rohstoffen und Vorprodukten teilweise abgebaut werden konnten.

Im Vergleich zur letzten Befragung im Herbst hat sich die Ertragssituation allerdings leicht eingetrübt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich aufgrund der Lieferengpässe die Rohstoffpreise zuletzt stark erhöht haben.

Metallerzeugung und -bearbeitung

Überdurchschnittlich positiv beurteilen die Firmen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung und der Herstellung von Metallerzeugnissen ihre wirtschaftliche Lage. 59 Prozent geben gut laufende Geschäfte an, bei weiteren 41 Prozent werden sie noch mit befriedigend bewertet. Die Ertragssituation hat sich auch in dieser Branche leicht verschlechtert, liegt aber weiterhin über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.

Maschinenbau plant Personalaufbau

Im Maschinenbau der Region wird die Geschäftslage ähnlich beurteilt wie noch bei der letzten Befragung im Herbst 2021. 55 Prozent verweisen auf gut laufende Geschäfte, nur sieben Prozent schätzen sie als schlecht ein. Mit 89 Prozent liegt die Kapazitätsauslastung weiterhin auf hohem Niveau.

Eine besondere Herausforderung sieht die Branche in den stark gestiegenen Rohstoffpreisen. Dennoch erwarten 55 Prozent der Firmen aus der Branche künftig bessere Geschäfte. Dabei setzen sie erneut auf höhere Exporte, insbesondere in die Euro-Zone und nach Asien, aber auch nach Nordamerika.

61 Prozent planen darüber hinaus, in den kommenden zwölf Monaten ihre Investitionen im Inland zu steigern. Dafür soll auch die Zahl der Beschäftigten erhöht werden.

Überdurchschnittlich positiv sind die Firmen der Metall verarbeitenden Industrie. ©WilfriedPohnke

Elektrotechnik

Rund 60 Prozent der regionalen Firmen aus der Elektrotechnik können sich über gut laufende Geschäfte freuen. Angesichts der mit den Lieferengpässen verbundenen Preissteigerungen für Rohstoffe wird jedoch die Ertragssituation lediglich mit befriedigend bewertet.

Der hohe Auftragsbestand führt allerdings dazu, dass knapp 70 Prozent der Firmen aus der Branche von einer künftigen Verbesserung ihrer Geschäfte ausgehen. Auch die Exportperspektiven sind optimistisch. 73 Prozent erwarten künftig höhere Ausfuhren, vor allem in die Euro-Zone und nach Nordamerika. Auch soll in der nahen Zukunft im Inland verstärkt nicht nur in den Ersatzbedarf, sondern auch in die Digitalisierung investiert werden.

Möbel

Obwohl die regionale Möbelindustrie von gut laufenden Geschäften berichtet und aktuell die Kapazitäten überdurchschnittlich ausgelastet sind, bewertet sie ihre Ertragssituation mehrheitlich mit schlecht.

Ein Grund könnte in den stark gestiegenen Rohstoffpreisen (insbesondere bei Holz) liegen, die die Kosten der Branche in die Höhe treiben und neben den hohen Energiepreisen die Erträge mindern. Dennoch will die Möbelindustrie in den kommenden zwölf Monaten mehr im Inland investieren, vor allem in die Digitalisierung und Rationalisierung ihrer Prozesse.

Die Region Nordschwarzwald profitiert vom hier ansässigen Versandhandel. Der stationäre Einzelhandel leidet noch immer unter der Pandemie. ©Pexx

Handel

Im regionalen Handel (Groß-, Einzel- und Versandhandel) hat sich die wirtschaftliche Lage im Vergleich zum Vorjahr, als der Lockdown die Branche erheblich unter Druck setzte, stark verbessert. Rund die Hälfte der Händler gibt aktuell gut laufende Geschäfte an.

Dieses Ergebnis ist auch auf den in der Region stark vertretenen Versandhandel zurückzuführen, der von dem in der Pandemie boomenden Online-Handel profitiert. Rund ein Viertel der regionalen Händler gibt in der aktuellen Befragung an, 25 bis 50 Prozent ihrer Produkte mithilfe von digitalen Kanälen (zum Beispiel Onlineshops, Plattformen) zu vertreiben.

Demgegenüber leidet der stationäre Einzelhandel weiterhin unter der Furcht der Konsumenten vor einer Infektion sowie unter den Corona-Vorgaben, die die Kauflust vor Ort beeinträchtigen.

Bei den Geschäftsaussichten für die kommenden zwölf Monate zeigt sich die Branche daher gespalten. Während zum einen der Anteil der Händler mit verbesserten Geschäftserwartungen zugenommen hat, ist zugleich auch der Anteil derer gestiegen, die von weiteren Verschlechterungen ausgehen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Personalplanungen. 40 Prozent gehen von einer künftig höheren Beschäftigtenzahl aus, während zugleich jeder fünfte Händler gezwungen ist, Personal zu reduzieren.

Getrübte Stimmung im Tourismus

Im Tourismusgewerbe der Region hat sich die Stimmung im Vergleich zum Herbst letzten Jahres eingetrübt. Das durch die neue Virusvariante verstärkte Infektionsgeschehen und die dadurch wieder verschärften Corona-Vorgaben haben die Geschäftsentwicklung beeinträchtigt.

Während der Umsatz im geringer regulierten Geschäftskunden-Bereich in den letzten vier Monaten gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zugenommen hat, stagnieren die Umsätze mit den Privatkunden. Auch die Ertragssituation wird deutlich schlechter eingeschätzt als noch im vergangenen Herbst.

39 Prozent bewerten sie mit gut, weitere 31 Prozent haben mit rückläufigen Erträgen zu kämpfen. Die Branche hofft, dass die mit der gerichtlich festgelegten Rückkehr in ein Stufensystem verbundenen Erleichterungen bei den Corona-Vorgaben die Kundenfrequenz wieder erhöhen. 31 Prozent rechnen in der nahen Zukunft mit einer Verbesserung ihrer Geschäfte. 39 Prozent hingegen gehen von einer weiteren Verschlechterung aus.

Corona drückt auf die Geschäftsentwicklung des Tourismus der Region. ©Coleur

Kreditgewerbe

Die regionalen Kreditinstitute schätzen zu Jahresbeginn ihre wirtschaftliche Lage besser ein – sowohl gegenüber dem vergangenen Herbst als auch im Vergleich zum Vorjahr. Die Hälfte der Kreditinstitute gibt gut laufende Geschäfte an. Dennoch wird die Ertragssituation weiterhin mehrheitlich mit befriedigend bewertet.

Das Kreditgewerbe verzeichnet eine höhere Kreditnachfrage von Privat- und Geschäftskunden. Während mehr Kredite zur Finanzierung von Investitionen vergeben wurden, ist die Kreditvergabe zur Finanzierung von Betriebsmitteln zurückgegangen.

Stabilität kennzeichnet die Erwartungen für die nächsten zwölf Monate. Dies betrifft die Geschäfte allgemein, aber auch die Risikovorsorge und die im Inland geplanten Investitionen. Rund die Hälfte der Institute rechnet jedoch im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Branche mit einer künftig geringeren Beschäftigtenzahl.

Unternehmensorientierte Dienstleistungen

Bei den unternehmensorientierten Dienstleistern (zum Beispiel Grundstücks- und Wohnungswesen, Datenverarbeitung, Leasing, Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung) hat sich die Geschäftslage weiter verbessert. Teile der Branche profitieren von der im Zuge der Corona-Pandemie gestiegenen Nachfrage.

Dazu gehören beispielsweise IT-Dienstleister, die durch die Digitalisierung und vermehrtes Arbeiten im Homeoffice verstärkt in Anspruch genommen werden oder die Steuerberatung, die häufig bei der Beantragung von staatlichen Corona-Hilfen beauftragt werden.

Rund die Hälfte der Dienstleister berichtet daher auch von einer guten Ertragslage. Die größte Herausforderung der Branche besteht nach wie vor darin, geeignete Fachkräfte zu finden.

Die Bereitschaft, künftig im Inland mehr zu investieren, ist hoch. Vorrangige Investitionsmotive sind neben der Deckung des Ersatzbedarfs die weitere Digitalisierung, aber auch der Umweltschutz und die Energieeffizienz. (pm/gel)

Jetzt Newsletter abonnieren und von vielen Vorteilen profitieren!