Zitat Autor
Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

Newsletter Anmeldung

+ monatliche Erscheinung
+ aktuelle Themen und wichtige Termine
+ neue Unternehmensportraits und Unternehmensprofile
Datenverarbeitungshinweis*

Die Welt von Witzenmann wird vielfältiger - auch der Umsatz wächst kräftig

Pforzheim. Auf dem Gelände des Zweigwerks Buchbusch von Witzenmann zeugt am 14. Juli 2023 nichts mehr von der großen Party vor zwei Wochen mit mehreren DJs und zahlreichen Food Trucks. Sowohl in der Produktion als auch im neuen HR Lab, wo das Arbeiten von Morgen erprobt wird, läuft alles seinen gewohnten Gang. Eine gewisse Gelassenheit liegt in der Luft.
Die Führungsriege von Witzenmann (Christine Wüst, Andreas Kämpf, Irene Krings, Philip Paschen) im Gespräch mit der Presse. Foto: Röhr, Pforzheimer Zeitung

18.07.2023

von Katharina Lindt, Pforzheimer Zeitung

„Wir wollen nach den Jahren der Corona-Pandemie die Feierkultur wieder aufleben lassen“, sagt Christine Wüst. Die Geschäftsführerin für People, Marketing und Nachhaltigkeit krempelt im Traditionsunternehmen seit vergangenem Jahr die Unternehmenskultur um. Denn die Transformation trifft den Zulieferer nicht nur technologisch, sondern auch kulturell. Die sich im Wandel befindende Arbeitswelt verlange, eine neue Art zu führen, sagt CEO Andreas Kämpfe. Diesem Punkt räumt die Geschäftsführung bei der diesjährigen Pressekonferenz besonders viel Platz ein.

4411 Mitarbeiter zählt die Witzenmann-Gruppe an 22 Standorten. Das größte Wachstum erfährt das Unternehmen aktuell unter anderem in Spanien und Mexiko.

Es fallen Begriffe wie Augenhöhe, flache Hierarchien, Wertschätzung oder Empowerment. Letzteres ist ein Ansatz, Mitarbeitern mehr Freiräume für die Verwirklichung ihrer Ideen zu gewähren. Es gehe aber auch um die Millennials und die Generation Z, das generationsübergreifende Zusammenarbeiten und den gemeinsamen Austausch, betont Wüst. Zum Beispiel geben Beschäftigte in sogenannten Pulschecks regelmäßig ihren Chefs Feedbacks. „Auch wir bekommen Hausaufgaben“, sagt Philip Paschen, Stellvertretender der Geschäftsführung und Verantwortlicher für Produktion, Digitalisierung und Einkauf (COO/CDO). „Wir haben noch nie so geführt wie jetzt.“

Studie: Beschäftigte unzufrieden mit Führungskultur

Dass hier Witzenmann auf der richtigen Spur ist, zeigt eine aktuelle Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup. Die emotionale Bindung zum Unternehmen sei so niedrig wie seit 2012 nicht mehr. Gallup erhebt den „Engagement Index“ seit 2001. Fast 40 Prozent der Beschäftigten sind demnach gar nicht oder nur mittelmäßig zufrieden mit ihren Chefs. Werden die emotionalen Bedürfnisse übergangen, hätten die Befragten einen höheren Stresslevel. Die Unternehmen müssten deshalb stärker um die Mitarbeiter werben – sowohl um künftige, als auch um die, die bereits da sind, hieß es.

Witzenmann will sich in Zeiten des Fachkräftemangels deshalb als moderner Arbeitgeber präsentieren. Heute heißt das, dass der berühmte Obstkorb nicht mehr ausreicht, weiß die Geschäftsführung. Neu seien 20 Tage „Workation“ im EU-Ausland, flexible Arbeitszeiten- und Modelle auch in der Produktion. Daneben gebe es eine firmeneigene Kita, Jobrad, Frauenförderung, zahlreiche Gesundheitsangebote und ein Studi-Office, um die vielen jungen Menschen individuell zu fördern, zu beraten und zu halten.

Wenig Fluktuation bei Witzenmann

Bei all dem Fokus auf die jüngere Generation will das Unternehmen auch seine ältere Belegschaft nicht aus dem Sichtfeld verlieren. So sei man mit der Caritas im Gespräch, ein Angebot zum Thema Pflege der Eltern zu schaffen. Das kann eine Beratung bis hin zur Hilfe sein, einen Platz im Pflegeheim zu finden, berichtet Wüst. Wenn Mitarbeiter andere rekrutieren, erhielten diese sogar eine Prämie von 1500 Euro netto. „Bares für Rares“, nennt Wüst das Programm. „Die ersten Prämien sind bereits geflossen.“

Diese Bemühungen führten dazu, dass es eine Fluktuation von lediglich 3,5 Prozent gebe. Deutschlandweit liege diese im zweistelligen Bereich. Auch bei der Betriebszugehörigkeit von 14,6 Jahren liege das Unternehmen leicht über dem Schnitt, sagt Wüst. Irene Krings, die neue Geschäftsführerin für Finanzen, Controlling und Recht, ist überzeugt: „Die Investitionen zahlen sich langfristig aus.“ Fluktuation sei für ein Unternehmen wesentlich teurer, ergänzt Kämpfe. Denn es dauere länger, das Wissen, dass verloren gehe, zu ersetzen.

Gute Ertragslage: Umsatz wächst um ein Fünftel

Dennoch: „Die Transformation muss bezahlt werden“, sagt Kämpfe. Und die Haushaltslage sieht gut aus: Im vergangenen Jahr, das von vielen Krisen geprägt war, erwirtschaftete die Witzenmann-Gruppe einen Umsatz von 738 Millionen Euro, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 19 Prozent. Auch dieses Jahr sei die Geschäftsentwicklung positiv – entgegen dem Trend in Europa. „Wir haben eine stabile Ertragslage“, versichert er.

Wasserstoff passt gut zu Witzenmann.

Andreas Kämpfe, Vorsitzender der Geschäftsführung

Auch Investitionen in die CO2-freie Wirtschaft zeigen nun Früchte: Produkte für die E-Mobilität, etwa zur Batteriekühlung, wurden für Kunden realisiert. Nun komme der Wasserstoff-Boom hinzu. Auch in diesem stark wachsenden Bereich will man mitspielen, denn die „Wasserstoff-Welt“ passe gut zur „Witzenmann-Welt“, sagt Paschen. Um Wasserstoff zu transportieren brauche es nämlich Leitungen und Bauteile – das könne Witzenmann. Sie müssten allerdings gut geschweißt und rissfrei sein – eine Herausforderung, der sich das Unternehmen annehmen möchte. Denn noch immer erwirtschaftet die Gruppe ihr Geld mit dem Verbrenner. Doch die Weichen sind längst gestellt.

Lesen Sie auch:

Jetzt Newsletter abonnieren und von vielen Vorteilen profitieren!