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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Das neue Heavy Metal-Mekka liegt im Enzkreis

Ein Tausend-Seelen-Dorf im Enzkreis soll zum Pilgerort für Heavy Metal-Fans aus aller Welt werden? Der Hamberger Unternehmer Sven Bogner hat hierzu ganz konkrete Vorstellungen, wie er im WirtschaftsKRAFT-Interview verrät.
Noch sind nicht alle Kisten ausgepackt: ‚Reigning Phoenix Music‘-Inhaber Sven Bogner mit Mitarbeiterin Vanessa Christodoulou (l.) und Tochter Vanessa. Foto: Christian Roch

22.05.2025

von Christian Roch

Der 50-jährige Sven Bogner aus Hamberg, einem Teilort der Gemeinde Neuhausen im Enzkreis, hat in seiner langen Unternehmerkarriere Beeindruckendes geschaffen: Die elektronischen Bauteile und Systeme seiner H-Tech Firmengruppe sind in Helikoptern und Flugzeugen weltweit im Einsatz. Trotz Geschäftsbeziehungen rund um den Globus ist Bogner seinem Heimatdorf stets treu geblieben und hat dort viel Geld investiert: Er hat den örtlichen Gasthof „Grüner Wald“ wiederbelebt, mit der „Alten Baiz“ Gastro-Sterne nach Hamberg geholt, eine Brauwerkstatt gegründet, ein Hotel gebaut und mehr. Seit 2023 verwirklicht der Hobbymusiker ein weiteres Herzensprojekt: Hamberg ist Sitz des Rock- und Metal-Musiklabels ‚Reigning Phoenix Music‘.

Sven, 2023 hast du das Musiklabel ‚Reigning Phoenix Music‘ gegründet. War das ein Traum von dir als Metal-Fan?

Ich liebe Metal-Musik seit meiner Jugend. In der Rockfabrik Ludwigsburg habe ich viele Szene-Größen persönlich kennengelernt. Vor einiger Zeit fragte mich ein Freund, ob ich mir das Musiklabel ‚Atomic Fire‘ im schwäbischen Donzdorf anschauen wolle. Die Eigentümer würden einen Investor suchen. Nach einigen Gesprächen war uns klar, wenn wir einsteigen, dann richtig. Ich kaufte das Label und machte daraus ‚Reigning Phoenix Music‘.

Zum Verständnis: ‚Atomic Fire‘ ging aus dem szenebekannten Label ‚Nuclear Blast‘ hervor. Wie kam es zur Übernahme?

Das ist etwas komplizierter. ‚Nuclear Blast‘ wurde an ein französisches Medienunternehmen verkauft. Der ehemalige Besitzer durfte unter dem Namen ‚Atomic Fire‘ einige Bands behalten. Das hat aber zu Konflikten geführt und ‚Atomic Fire‘ geriet in Schwierigkeiten. Ich habe auch deshalb zugegriffen, weil viele meiner Lieblingsbands dort unter Vertrag waren.

Wie muss man sich den Betrieb eines unabhängigen Musiklabels auf dem Land vorstellen?

Wir haben die über Deutschland verteilten Büros von ‚Atomic Fire‘ nach und nach in Hamberg zusammengefasst. Inzwischen arbeiten hier etwa 20 Leute. Die Organisation eines Musiklabels unterscheidet sich nicht sehr von anderen Firmen, die Abteilungen heißen nur anders. Im Artist & Repertoire (A&R) kümmern wir uns um die Betreuung und Entwicklung der Künstler. Ein wichtiger Bereich sind die ERA-Administratoren (Entertainment Retailers Association), die das Geschäft mit Plattformen wie Spotify managen. Wir haben Marketing- und Vertriebsabteilungen, machen viel im digitalen Bereich und so weiter. Es gibt ein Büro in Los Angeles und seit kurzem eines in Griechenland. Die Geschäftsführung liegt in den Händen erfahrener Profis. Ich als Inhaber bin nicht so stark ins Tagesgeschäft eingebunden.

Habt ihr euer Personal in der Region rekrutiert, oder habt ihr Mitarbeitende hergelockt?

Wir haben einen recht großen Einzugsbereich. Viele Mitarbeitende sind uns von ‚Atomic Fire‘ nach Hamberg gefolgt. Vanessa Christodoulou, die bei uns unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit macht, kommt aus Stuttgart. Inzwischen haben wir auch Mitarbeitende aus der näheren Region. Zusätzlich haben wir begonnen, selbst Kaufleute auszubilden und freuen uns über motivierte Bewerberinnen und Bewerber.

Wie kam der Name ‚Reigning Phoenix Music‘ zustande?

Wir wollten uns passend zur Entstehungsgeschichte ‚Rising Phoenix‘ nennen. Der Name war aber schon vergeben. Darum wählten wir ‚Reigning Phoenix‘, herrschender Phönix. Die Abkürzung RPM steht auch für „rounds per minute“, also die Drehzahl von Schallplatten. A propos Schallplatten: Wir eröffnen demnächst in Neuhausen ein eigenes Presswerk. „Sounds in Vinyl“ wird in Räume der Firma Klaschka Industrieelektronik einziehen, die seit kurzem Teil meines Hauptunternehmens H-Tech ist.  

Im Musikbusiness ist mit Tonträgern kaum noch Geld zu verdienen. Ist das im Metal anders?

Definitiv ja. Als Metal-Fan fühlt man sich der Szene zugehörig und das zeigt man auch. Mit Band-T-Shirts, Accessoires und eben der Plattensammlung. Tonträger, insbesondere aus Vinyl, sind ganz wichtig. Eine LP hat einen herausragenden Klang, das Cover, die abgedruckten Texte, das Ritual beim Anhören, das gehört einfach dazu. Studien belegen, dass Metal-Fans im Durchschnitt ein höheres Alter, Bildungsniveau und auch Einkommen haben. Außerdem sind sie sehr qualitätsbewusst. Ein Knick im Plattencover kann schon Anlass zum Meckern sein. Das ist auch ein Grund, warum wir künftig selbst pressen.

Mit der Übernahme von ‚Atomic Fire‘ bist du gleich groß eingestiegen. Hattest du einen Businessplan, wie du das Label entwickeln möchtet?

Klar. Aber im Nachhinein stellten sich viele Dinge anders dar als angenommen. Inzwischen haben wir unsere Pläne angepasst. Für die gezielte Entwicklung unserer Künstler haben wir drei Sparten eingerichtet: Weltweit bekannte Acts sind bei ‚Reigning Phoenix Music‘. Musiker, die international den Durchbruch schaffen sollen, betreuen wir unter dem Label ‚Perception‘. Nachwuchs- und sonstige Acts fassen wir bei ‚Roar‘ zusammen. So können wir alle Künstler optimal entwickeln – und das Risiko von Eifersüchteleien klein halten.

Du bist Technik-Unternehmer und seit einiger Zeit auch Hotel-, Restaurant- und Brauereibesitzer. Kannst du aus diesem Hintergrund Nutzen für dein Label ziehen?

Definitiv ja. Zum Thema Strukturen und Prozesse: Diese sind in Technikunternehmen sehr ausgereift, bei Musiklabels traditionell weniger. Das beginnt bei einfachen Dingen wie dem Vier-Augen-Prinzip und setzt sich fort bei Mechanismen zur Fehlervermeidung und -korrektur. Natürlich nützt uns die Infrastruktur mit Hotel und Gastronomie. Ich wollte damit nicht nur meiner Heimat etwas zurückgeben, sondern auch meinen Business-Partnern, egal ob das Vertreter von Airbus oder Metal-Bands sind, ein angemessenes Ambiente bieten. Die Gäste sind vor Ort untergebracht und wir gehen abends gemeinsam essen. So hängt alles miteinander zusammen.

Hast du den Eindruck, dass deine Aktivitäten von Einwohnern und Politik anerkannt werden?

Manche im Dorf feiern es, andere sind dagegen. Das kann ich nicht beeinflussen. Von der Gemeinde werde ich inzwischen gut unterstützt.

Als im September 2024 die Kult-Band Opeth ihr neues Album vorstellte, sah man vor dem Grünen Wald Trauben von Metalheads stehen. Muss sich Hamberg an diesen Anblick gewöhnen?

Definitv ja. Hamberg soll sich zu einem kleinen Rock- und Metal-Mekka entwickeln. In Kürze eröffnet neben unserem Hotel Grüner Wald ein Rock Hotel mit thematisch gestalteten Zimmern. Wir bauen einen Teilbereich unseres Restaurants Braustüble zum Rockstüble um. Es gibt die Hamberger Brauwerkstatt, wir haben bald das Presswerk in Neuhausen und so weiter. Wir werden auch unsere sommerlichen „Calva Rocks“-Konzerte im Braustüble-Biergarten intensivieren. Die Nachbarschaft braucht übrigens keine Angst zu haben (lacht). Zapfenstreich ist gemeindeverträglich spätestens um 22 Uhr.

Wir wollen hier eine Erlebniswelt schaffen, für die Besucher Pauschal-Pakete buchen können, mit Event, Übernachtung, Gastronomie und irgendwann auch einem Fanshop mit Direktverkauf. Dabei soll alles exklusiv und familiär bleiben. Für die fernere Zukunft träume ich von einem Nachwuchsfestival, das Talente hier zusammenbringt. Mal sehen.

Auch Lordi, die finnischen Eurovision Song Contest-Gewinner von 2006, sind bei RPM unter Vertrag. Foto: RPM

Wird ‚Reigning Phoenix Music‘ ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Gemeinde?

Das sind wir schon jetzt. Wir generieren Umsatz, wir schaffen Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten – sagte ich schon, dass wir motivierte Azubis suchen? Im Übrigen haben wir hier, im Unterschied zu meinen Technik-Unternehmen, eine ausgezeichnete Frauenquote. Auch meine Tochter Vanessa arbeitet bei ‚Reigning Phoenix Music‘ mit.

Zum Schluss: Welche Vorurteile gegenüber Metal und seinen Fans gehören unbedingt ausgeräumt?

Das Vorurteil, das mich am allermeisten nervt: Metal sei nur Geschrei. Die Bandbreite von Rock und Metal ist unfassbar groß. Es gibt hochkomplexe Musik mit virtuosem Gesang und anspruchsvollen Melodien. Ich behaupte: Metal ist mit das musikalisch Hochwertigste, das es gibt. Vorurteil Nummer zwei: Metal-Hörer wären Dumpfbacken. Das Gegenteil ist der Fall! Die Szene ist divers, überdurchschnittlich gebildet, tolerant und wertschätzend. Das hat mich als junger Mensch besonders angezogen. Woanders kam man in Turnschuhen nicht rein, bei Rock und Metal war das nie ein Thema. Ich habe in der Rockfabrik Ludwigsburg übrigens immer ein weißes T-Shirt getragen, kein schwarzes!

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