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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Corona-Kurzarbeit: Fiktive Einkunft kann zu Steuernachzahlung führen

Beschäftigte, die 2020 in Kurzarbeit waren, müssen wegen des Progressionsvorbehalts bei der Steuererklärung mit Nachforderungen des Finanzamts rechnen. WirtschaftsKRAFT erklärt die Hintergründe.
Bezieher von Kurzarbeitergeld müssen eine Steuererklärung abgeben, auch wenn sie in den vorhergehenden Jahren dazu nicht verpflichtet waren. © Gerd Lache

Gerd Lache

Bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 2020 und 2021 kann es gegebenenfalls zu Einkommensteuernachforderungen kommen
Aus einer Mitteilung des Bundesfinanzministeriums

Die Überraschung kommt mit der nächsten Steuererklärung: Arbeitnehmer in Kurzarbeit beziehen ihr Kurzarbeitergeld zwar steuerfrei, aber die Leistung unterliegt dem sogenannten Progressionsvorbehalt. In der Folge drohen den Arbeitnehmern in einigen Fällen deshalb sogar Steuernachzahlungen, warnt der Bund der Steuerzahler (BdSt). Er empfiehlt ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), möglichst einen gewissen Prozentsatz der Auszahlung – etwa 10 bis 12 Prozent – für den Fall der Fälle beiseite zu legen.

Was ist der Progressionsvorbehalt?

Wie das Bundesfinanzministerium (BMF) Ende September 2020 in einer Mitteilung erklärt hat, kann es bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 2020 und 2021  „gegebenenfalls zu Einkommensteuernachforderungen kommen“. Das liege daran, dass

zu der Ermittlung des persönlichen Steuersatzes das Kurzarbeitergeld (einschließlich steuerfreier Arbeitgeberzuschüsse) den steuerpflichtigen Einkünften fiktiv zugerechnet wird. Dadurch ergibt sich ein höherer Steuersatz.

In einem zweiten Schritt wird dieser erhöhte Steuersatz auf das steuerpflichtige Einkommen (ohne das Kurzarbeitergeld und steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse) angewendet. Da der Progressionsvorbehalt nicht bereits beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber berücksichtigt wird, sondern erst bei der Einkommensteuerveranlagung durch das Finanzamt, kann es zu Steuernachforderungen kommen.

Hat der Steuerzahler grundsätzlich mit einer Nachforderung zu rechnen?

Nein, meint der BdSt. Die meisten Kurzarbeiter müssen nach der Abgabe ihrer Steuererklärung nicht mit einer Nachzahlung rechnen.

Müssen Bezieher von Kurzarbeitergeld grundsätzlich eine Steuererklärung abgeben?

Ja, für das Jahr, in dem Lohnersatzleistungen bezogen worden sind, muss eine Steuererklärung abgegeben werden. Laut BdSt auch dann, wenn in den vorhergehenden Jahren keine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung vorgelegen hatte. Voraussetzung sei, dass der Beschäftigte mehr als 410 Euro Kurzarbeitergeld im Jahr erhalten hat.

Wird die Lohnsteuer bei Arbeitnehmern im Fall von angeordneter Kurzarbeit angepasst?

Ja, erklärt das Bundesfinanzministerium. Und zwar hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer automatisch anzupassen. Demnach unterliegt nur der steuerpflichtige Arbeitslohn der Lohnsteuer.

Dürfen Kurzarbeiter in anderen Jobs dazuverdienen?

Ja, heißt es beim Bund der Steuerzahler. Nehmen Arbeitnehmer nach Beginn der Kurzarbeit eine Nebentätigkeit auf, wird diese normalerweise auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Diese Regelung wurde nun aber als Maßnahme in der Krise gelockert. Kurzarbeiter können demnach seit 1. April in sogenannten systemrelevanten Bereichen, die also der Aufrechterhaltung der Infrastruktur und Versorgung dienen – beispielsweise Landwirtschaft oder medizinische Bereiche –, bis zur Höhe des vorherigen Einkommens hinzuverdienen, ohne dass dies beim Kurzarbeitergeld angerechnet wird.

Welche Zuschüsse und Bezüge sind steuerfrei?

Das Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung. Sie ist steuerfrei und wirkt sich nur im Einkommensteuerveranlagungsverfahren bei der Ermittlung des Steuersatzes aus (siehe oben: Progressionsvorbehalt).

Auch Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld, zum Saison-Kurzarbeitergeld und zum Transferkurzarbeitergeld sind steuerfrei, soweit sie zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 % des Unterschiedsbetrages zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch nicht übersteigen. Außerdem müssen die Zuschüsse laut BMF in  Zeiträumen geleistet worden sein, „die nach dem 29. Februar 2020 beginnen und vor dem 1. Januar 2021 enden“.

Allerdings sei beabsichtigt, den Zeitraum für die Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld, zum Saison-Kurzarbeitergeld und zum Transferkurzarbeitergeld um ein Jahr zu verlängern. Die Steuerfreiheit gilt damit bis Ende 2021. Die Zuschüsse sind auf der Lohnsteuerbescheinigung(Nummer 15) auszuweisen und sie müssen in der Einkommensteuererklärung angegeben werden.

Wegen möglicher Steuernachzahlungen für das Corona-Jahr 2020 ist es ratsam, eine Rücklage beiseite zu legen. © Gerd Lache

Berechnungsbeispiele für Steuernachzahlung

Ein Single (Steuerklasse I) erzielt ein Monatsbruttoeinkommen von 2.500 Euro. 2020 erhält er für 6 Monate Kurzarbeit, das heißt, er erhält in dieser Zeit einen monatlichen Bruttolohn von 1.250 Euro und zusätzlich Kurzarbeitergeld. Letzteres beträgt für die ersten drei Monate jeweils 429 Euro und ab dem vierten Monat 500 Euro (insgesamt also für 6 Monate 2.787 Euro). Unterm Strich ist sein Nettolohn mit Kurzarbeitergeld damit höher, als wenn er nur Kurzarbeitergeld bekommen hätte. Für seinen regulären Arbeitslohn von 2.500 Euro hat der Arbeitgeber bereits Lohnsteuer von monatlich rund 284,50 Euro und für den Arbeitslohn während der Kurzarbeit 21,25 Euro einbehalten (insgesamt für das Jahr 2020 also 1834,50 Euro). Mit dem Kurzarbeitergeld ergibt sich für 2020 eine festzusetzende Einkommensteuer von 2.136 Euro. Da er durch den Lohnsteuerabzug lediglich rund 1.835 Euro getilgt hatte, ergibt sich für diesen Single eine Steuernachzahlung in Höhe von 301 Euro (mit Soli 318 Euro).

Ein verheirateter Arbeitnehmer (Steuerklasse 3) mit 2 Kindern erzielt ein monatliches Bruttoeinkommen von 4.500 Euro. 2020 arbeitet er 9 Monate regulär und erhält für 3 Monate  Kurzarbeitergeld, also 2.250 Euro brutto zuzüglich Kurzarbeitergeld. Letzteres beträgt monatlich rund 881 Euro (insgesamt 2.643 Euro). Für seinen regulären Arbeitslohn in Höhe von 4.500 Euro hat er für 9 Monate bereits 4.329 Euro Lohnsteuer und für den Arbeitslohn von 2.250 Euro für 3 weitere Monate 81 Euro Lohnsteuer gezahlt (insgesamt rund 4.410 Euro). Mit dem Kurzarbeitergeld ergibt sich für 2020 eine festzusetzende Einkommensteuer von 4.650 Euro.

Da er durch den Lohnsteuerabzug bereits 4.410 Euro getilgt hatte, ergibt sich für diesen Arbeitnehmer eine Steuernachzahlung in Höhe von 240 Euro (mit Soli 240 Euro).

Hinweis: Pauschal berücksichtigt wurde der Arbeitnehmerpauschbetrag von 1.000 Euro, der Sonderausgabenpauschbetrag von 36 Euro bzw. 72 Euro bei Ehepaaren, ohne Kirchensteuer.

Berechnungsbeispiele für Steuererstattung

Ein Single (Steuerklasse I) erzielt ein Monatsbruttoeinkommen von 4.500 Euro. 2020 erhält er für 3 Monate Kurzarbeit, das sind monatlich rund 1.640 Euro, also insgesamt 4.920 Euro im Jahr. Für seinen regulären Arbeitslohn hat der Arbeitgeber bereits Lohnsteuer von monatlich rund 820 Euro einbehalten (insgesamt für 9 Monate also 7.380 Euro). Mit dem Kurzarbeitergeld ergibt sich für 2020 eine festzusetzende Einkommensteuer von rund 6.632 Euro.

Da er durch den Lohnsteuerabzug bereits 7.380 Euro gezahlt hatte, bekommt dieser Single eine Steuererstattung in Höhe von rund 748 Euro (mit Soli 790 Euro).

Ein verheirateter Arbeitnehmer (Steuerklasse 3) mit 2 Kindern erzielt ein monatliches Bruttoeinkommen von 4.500 Euro. 2020 arbeitet er  9 Monate regulär und erhält für 3 Monate Kurzarbeitergeld (0). Letzteres beträgt monatlich 2.072 Euro (also insgesamt 6.216 Euro). Für seinen regulären Arbeitslohn hat er bereits monatlich rund 481 Euro Lohnsteuer gezahlt, also für 9 Monate insgesamt rund 4.329Euro. Mit dem Kurzarbeitergeld ergibt sich für 2020 eine festzusetzende Einkommensteuer von 3.722 Euro.

Da er durch den Lohnsteuerabzug bereits 4.329 Euro getilgt hatte, ergibt sich für diesen Arbeitnehmer eine Steuererstattung in Höhe von 607Euro (mit Soli 607 Euro).

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