Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
14.08.2023
von Tanja Meckler
Die Modewelt ist oft geprägt von Ästhetik und Glamour, doch Claire Common macht Mode zu einem Werkzeug der Veränderung. Die 28-jährige Mannheimerin hat ihre Leidenschaft für Mode mit ihrer Überzeugung von Inklusion und Gleichberechtigung verbunden. Das Resultat ist eine Marke, die nicht nur modisch ansprechend ist, sondern auch eine tiefe Bedeutung trägt. „Ich möchte etwas erschaffen, das bewegt, anregt und vorantreibt. Für mich ist Mode tragbare Aufklärung und Bildungsarbeit. Ich möchte zum Nachdenken, Reflektieren, Zuhören und Kommunizieren anregen“, sagt Claire mit Entschiedenheit.
Claire Common, soziopolitische Designerin aus Mannheim. Foto: Anna Logue
Mit einem akademischen Hintergrund in Politik und Geschichte suchte Claire Common nach einem Weg, ihre Werte in die Tat umzusetzen. Die überraschende Antwort: Mode. Ihr Weg führte sie zur Hochschule Pforzheim, wo sie Modedesign studierte. Bereits früh kristallisierte sich heraus, dass Claire Common eigene Wege gehen würde. „Ich bin ein Freigeist und verlasse mich am besten auf mich selbst. Kein Unternehmen verkörperte meine Vision, zwei Themen miteinander zu verknüpfen“, erklärt sie. Heute beschreibt sie sich selbst als sozialpolitische Designerin, ein Neologismus, den sie selbst geprägt hat.
In einem persönlichen Gespräch mit WirtschaftsKraft verriet Claire Common, wie ein Zeitungsartikel über Fußball ihre Reise zur Gründung einer inklusiven Modemarke ins Rollen brachte.
Die Initialzündung geschah in den eigenen vier Wänden, wo Claire Common nach Inspiration suchte. Anfang 2022 stand die Gründungsidee fest, doch der Druck stieg, endlich mit dem Designprozess zu beginnen. Uninspiriert griff sie zu einer Zeitung und stieß auf einen Fußballartikel. Obwohl Fußball nicht ihr Metier ist, erkannte sie auf einem Foto das entscheidende Detail: Spieler mit nur einem Bein. Der Artikel drehte sich darum, wie Fußball Menschen, die nach einem Unfall ein Bein verloren hatten, half, wieder ins Leben zurückzufinden. Dieser Artikel war ihre Quelle der Inspiration.
Nur einen Tag später wagte Claire den Schritt, sich an einen lokalen Verein zu wenden und ihre Vision einer inklusiven Modemarke zu teilen. Naiv stellte sie sich vor: „Hallo, ich bin Claire, soziopolitische Designerin, könnt ihr mich über eure Themen aufklären?“ Dieser mutige Akt führte zu einem Treffen mit dem Geschäftsführer des Vereins, der sich für Barrierefreiheit in der Region einsetzte. Diese Begegnung öffnete ihre Augen für die bestehenden Ungerechtigkeiten und Herausforderungen in der Gesellschaft.
Claire’s Modemarke fokussiert sich auf Streetwear Fashion. Inklusion und Barrierefreiheit stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die Kleidung wird aus umweltfreundlichen Materialien hergestellt und in inklusiven Werkstätten gefertigt, was ihre Nachhaltigkeitsbemühungen unterstreicht.
„Mehr als nur Mode, es ist eine Botschaft“, erklärt Claire. Ihre Kollektionen zeichnen sich nicht nur durch Komfort aus, sondern auch durch durchdachte Funktionen. Beispielsweise gibt es Kleidungsstücke mit speziellen Taschen für RollstuhlfahrerInnen. Oft vernachlässigte Aspekte wie das An- und Ausziehen für Menschen im Rollstuhl oder mit Mobilitätseinschränkungen werden durch ihre Mode erleichtert.
Funktionelle Taschen und versteckte Raffungen mit Symbolik. Foto: Anna Logue
Eine Tasche ist zum Beispiel extra weiter oben angebracht, so dass wichtige Utensilien, wie Handy oder Geldbeutel direkt am Oberschenkel gespürt werden können, das vermittelt Sicherheit. Eine andere Tasche dient zum Beispiel als Stütze für einen gelähmten Arm. Jedes Kleidungsstück wird von Claire Common mit einer Broschüre ausgestattet, in der die Funktionen erklärt werden. Außerdem stellt sie auf Instagram Videos ein, die die Funktionen auch näher erläutern.
Für die meisten Menschen ist die Raffung eine vertraute Naht, die Stoff verengt und charakteristische „Rüschen“ erzeugt. Doch für Claire Common geht die Bedeutung der Raffung weit darüber hinaus. Sie erläutert, dass eine Raffung durch ein Gummi oder ein Band entstehen kann, was sie zu einem dynamischen Element macht – entweder veränderbar oder statisch. Dieses Detail symbolisiert für sie die Vielfalt des Lebens, die Möglichkeit zur Veränderung und Anpassung, vergleichbar mit erlernten Mustern. Eine besondere Raffinesse zeigt sich in Claires Ansatz, Raffungen unter großzügig geschnittenen Ärmeln zu verbergen, wenn sie ein Outfit gestaltet. Diese scheinbar einfache Entscheidung birgt eine tiefere Symbolik – sie verknüpft das Visuelle mit dem Verborgenen, das Offensichtliche mit dem Versteckten.
Claire Common setzt mit ihrer Marke einen wichtigen Wandel in einem Markt um, der nach wie vor zu wenig inklusive Angebote bietet. Ihre Kollektionen sind für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen gedacht.
Ein besonderes Anliegen ist es Claire, die oft übersehenen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu adressieren. Sie spricht Themen an, die für viele unbequem sind, aber dringend diskutiert werden müssen. „Mode sollte nicht nur ästhetisch sein, sondern auch ein Mittel der Kommunikation“, betont sie. Vor Kurzem war Claire Common zu Gast bei Engelhorn, einem renommierten Modehaus in Mannheim, wo sie ihre Mode und Vision präsentierte. Das Feedback war äußerst positiv: „Die Erfahrung war großartig. Viele äußerten ihre Anerkennung dafür, dass ich mich so engagiere. Einige gaben zu, vorher gar nicht gewusst zu haben, wie wichtig so etwas ist. Es bestätigt, dass es lohnenswert ist, nach außen zu gehen und solche Anliegen zu teilen – und meistens kommt dies sehr gut an.
Während des Designprozesses wurde Claire Common bewusst, dass sie sich zunächst auf Menschen mit Mobilitätseinschränkungen konzentriert hatte. „Das zeigt, dass auch ich nicht frei von Vorurteilen bin. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, wie ich Mode noch vielfältiger gestalten kann“, erklärt sie. Da sie in der Region oft an Blindenwanderungen teilnimmt, stellte sie sich die Frage, warum Themen wie Blindheit oder Gehörlosigkeit oft vernachlässigt werden, ebenso wie nicht sichtbare Krankheiten. Aus diesem Grund entschied sich Claire Common, T-Shirts mit Brailleschrift zu bedrucken, damit Menschen mit Sehbehinderungen die aufgedruckten Statements ohne Unterstützung lesen können und so auch an ihrer Mode teilhaben können.
Inklusive Teilhabe an Mode. T-Shirt mit Brailleschrift. Foto: Anna Logue
Heraus gekommen sind drei freche Statement-T-Shirts. Das erste lautet: „Zwinkern geht auch ohne Augenlicht. Blödi.“ Dann gibt es noch: „2 do: keep on rolling“ und die dritte Version lautet: „Du kannst mich mal: ganzheitlich.“
Ganz billig sind die Kleidungsstücke allerdings nicht, die Preise liegen zwischen 95 € und 260 €. „Preisleistungsmäßig kann ich nicht gerade mit H&M standhalten, was auch bedeutet dass sich manche das nicht leisten können, aber dahin komme ich noch indem ich dann wirklich größere Produktionsmengen ansteuern kann, wenn Sichtbarkeit und Marke positioniert sind.“
In nur zwei Jahren hat Claire nicht nur ihre Modemarke aufgebaut, sondern ist inzwischen auch Vorstandsvorsitzende eines inklusiven Vereins. Sie geht in Unternehmen und spricht über die Bedeutung von Inklusion und wie sie in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Ihr Fokus liegt darauf, Barrieren abzubauen und Menschen mit Behinderungen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Claire Common ist das lebende Beispiel dafür, wie ein Artikel zu einer tiefen Mission werden kann und wie Mode nicht nur für Stil steht, sondern auch für sozialen Wandel und Empowerment.
Ihre Arbeit ist inzwischen auch preisgekrönt. Claire Common zählt mit ihrer sozialpolitischen Mode zun den IDEENSTARK-PreisträgerInnen 2022. Die Auszeichnung wird von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg vergeben.
14.08.2023
"Mit meinem Modelabel verwende ich unseren alltäglichen Begleiter Mode als Kommunikationsmittel, um sozialpolitische Aufklärung zu leisten. Hierfür recherchiere ich zu bestimmten Themen und extrahiere Kernaussagen. Diese werden symbolisch mit Designelementen übersetzt und in den Kleidungsstücken integriert.“
von Tanja Meckler
Die Modewelt ist oft geprägt von Ästhetik und Glamour, doch Claire Common macht Mode zu einem Werkzeug der Veränderung. Die 28-jährige Mannheimerin hat ihre Leidenschaft für Mode mit ihrer Überzeugung von Inklusion und Gleichberechtigung verbunden. Das Resultat ist eine Marke, die nicht nur modisch ansprechend ist, sondern auch eine tiefe Bedeutung trägt. „Ich möchte etwas erschaffen, das bewegt, anregt und vorantreibt. Für mich ist Mode tragbare Aufklärung und Bildungsarbeit. Ich möchte zum Nachdenken, Reflektieren, Zuhören und Kommunizieren anregen“, sagt Claire mit Entschiedenheit.
Claire Common, soziopolitische Designerin aus Mannheim. Foto: Anna Logue
Mit einem akademischen Hintergrund in Politik und Geschichte suchte Claire Common nach einem Weg, ihre Werte in die Tat umzusetzen. Die überraschende Antwort: Mode. Ihr Weg führte sie zur Hochschule Pforzheim, wo sie Modedesign studierte. Bereits früh kristallisierte sich heraus, dass Claire Common eigene Wege gehen würde. „Ich bin ein Freigeist und verlasse mich am besten auf mich selbst. Kein Unternehmen verkörperte meine Vision, zwei Themen miteinander zu verknüpfen“, erklärt sie. Heute beschreibt sie sich selbst als sozialpolitische Designerin, ein Neologismus, den sie selbst geprägt hat.
In einem persönlichen Gespräch mit WirtschaftsKraft verriet Claire Common, wie ein Zeitungsartikel über Fußball ihre Reise zur Gründung einer inklusiven Modemarke ins Rollen brachte.
Die Initialzündung geschah in den eigenen vier Wänden, wo Claire Common nach Inspiration suchte. Anfang 2022 stand die Gründungsidee fest, doch der Druck stieg, endlich mit dem Designprozess zu beginnen. Uninspiriert griff sie zu einer Zeitung und stieß auf einen Fußballartikel. Obwohl Fußball nicht ihr Metier ist, erkannte sie auf einem Foto das entscheidende Detail: Spieler mit nur einem Bein. Der Artikel drehte sich darum, wie Fußball Menschen, die nach einem Unfall ein Bein verloren hatten, half, wieder ins Leben zurückzufinden. Dieser Artikel war ihre Quelle der Inspiration.
Nur einen Tag später wagte Claire den Schritt, sich an einen lokalen Verein zu wenden und ihre Vision einer inklusiven Modemarke zu teilen. Naiv stellte sie sich vor: „Hallo, ich bin Claire, soziopolitische Designerin, könnt ihr mich über eure Themen aufklären?“ Dieser mutige Akt führte zu einem Treffen mit dem Geschäftsführer des Vereins, der sich für Barrierefreiheit in der Region einsetzte. Diese Begegnung öffnete ihre Augen für die bestehenden Ungerechtigkeiten und Herausforderungen in der Gesellschaft.
Claire’s Modemarke fokussiert sich auf Streetwear Fashion. Inklusion und Barrierefreiheit stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die Kleidung wird aus umweltfreundlichen Materialien hergestellt und in inklusiven Werkstätten gefertigt, was ihre Nachhaltigkeitsbemühungen unterstreicht.
„Mehr als nur Mode, es ist eine Botschaft“, erklärt Claire. Ihre Kollektionen zeichnen sich nicht nur durch Komfort aus, sondern auch durch durchdachte Funktionen. Beispielsweise gibt es Kleidungsstücke mit speziellen Taschen für RollstuhlfahrerInnen. Oft vernachlässigte Aspekte wie das An- und Ausziehen für Menschen im Rollstuhl oder mit Mobilitätseinschränkungen werden durch ihre Mode erleichtert.
Funktionelle Taschen und versteckte Raffungen mit Symbolik. Foto: Anna Logue
Eine Tasche ist zum Beispiel extra weiter oben angebracht, so dass wichtige Utensilien, wie Handy oder Geldbeutel direkt am Oberschenkel gespürt werden können, das vermittelt Sicherheit. Eine andere Tasche dient zum Beispiel als Stütze für einen gelähmten Arm. Jedes Kleidungsstück wird von Claire Common mit einer Broschüre ausgestattet, in der die Funktionen erklärt werden. Außerdem stellt sie auf Instagram Videos ein, die die Funktionen auch näher erläutern.
Für die meisten Menschen ist die Raffung eine vertraute Naht, die Stoff verengt und charakteristische „Rüschen“ erzeugt. Doch für Claire Common geht die Bedeutung der Raffung weit darüber hinaus. Sie erläutert, dass eine Raffung durch ein Gummi oder ein Band entstehen kann, was sie zu einem dynamischen Element macht – entweder veränderbar oder statisch. Dieses Detail symbolisiert für sie die Vielfalt des Lebens, die Möglichkeit zur Veränderung und Anpassung, vergleichbar mit erlernten Mustern. Eine besondere Raffinesse zeigt sich in Claires Ansatz, Raffungen unter großzügig geschnittenen Ärmeln zu verbergen, wenn sie ein Outfit gestaltet. Diese scheinbar einfache Entscheidung birgt eine tiefere Symbolik – sie verknüpft das Visuelle mit dem Verborgenen, das Offensichtliche mit dem Versteckten.
Claire Common setzt mit ihrer Marke einen wichtigen Wandel in einem Markt um, der nach wie vor zu wenig inklusive Angebote bietet. Ihre Kollektionen sind für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen gedacht.
Ein besonderes Anliegen ist es Claire, die oft übersehenen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu adressieren. Sie spricht Themen an, die für viele unbequem sind, aber dringend diskutiert werden müssen. „Mode sollte nicht nur ästhetisch sein, sondern auch ein Mittel der Kommunikation“, betont sie. Vor Kurzem war Claire Common zu Gast bei Engelhorn, einem renommierten Modehaus in Mannheim, wo sie ihre Mode und Vision präsentierte. Das Feedback war äußerst positiv: „Die Erfahrung war großartig. Viele äußerten ihre Anerkennung dafür, dass ich mich so engagiere. Einige gaben zu, vorher gar nicht gewusst zu haben, wie wichtig so etwas ist. Es bestätigt, dass es lohnenswert ist, nach außen zu gehen und solche Anliegen zu teilen – und meistens kommt dies sehr gut an.
Während des Designprozesses wurde Claire Common bewusst, dass sie sich zunächst auf Menschen mit Mobilitätseinschränkungen konzentriert hatte. „Das zeigt, dass auch ich nicht frei von Vorurteilen bin. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, wie ich Mode noch vielfältiger gestalten kann“, erklärt sie. Da sie in der Region oft an Blindenwanderungen teilnimmt, stellte sie sich die Frage, warum Themen wie Blindheit oder Gehörlosigkeit oft vernachlässigt werden, ebenso wie nicht sichtbare Krankheiten. Aus diesem Grund entschied sich Claire Common, T-Shirts mit Brailleschrift zu bedrucken, damit Menschen mit Sehbehinderungen die aufgedruckten Statements ohne Unterstützung lesen können und so auch an ihrer Mode teilhaben können.
Inklusive Teilhabe an Mode. T-Shirt mit Brailleschrift. Foto: Anna Logue
Heraus gekommen sind drei freche Statement-T-Shirts. Das erste lautet: „Zwinkern geht auch ohne Augenlicht. Blödi.“ Dann gibt es noch: „2 do: keep on rolling“ und die dritte Version lautet: „Du kannst mich mal: ganzheitlich.“
Ganz billig sind die Kleidungsstücke allerdings nicht, die Preise liegen zwischen 95 € und 260 €. „Preisleistungsmäßig kann ich nicht gerade mit H&M standhalten, was auch bedeutet dass sich manche das nicht leisten können, aber dahin komme ich noch indem ich dann wirklich größere Produktionsmengen ansteuern kann, wenn Sichtbarkeit und Marke positioniert sind.“
In nur zwei Jahren hat Claire nicht nur ihre Modemarke aufgebaut, sondern ist inzwischen auch Vorstandsvorsitzende eines inklusiven Vereins. Sie geht in Unternehmen und spricht über die Bedeutung von Inklusion und wie sie in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Ihr Fokus liegt darauf, Barrieren abzubauen und Menschen mit Behinderungen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Claire Common ist das lebende Beispiel dafür, wie ein Artikel zu einer tiefen Mission werden kann und wie Mode nicht nur für Stil steht, sondern auch für sozialen Wandel und Empowerment.
Ihre Arbeit ist inzwischen auch preisgekrönt. Claire Common zählt mit ihrer sozialpolitischen Mode zun den IDEENSTARK-PreisträgerInnen 2022. Die Auszeichnung wird von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg vergeben.
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