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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Chinesen fahren auf Premium-Autos ab – der Boom beschert dem Nordschwarzwälder Abgastechnik-Spezialisten Boysen 2020 eine milliardenschwere Umsatz-Bestmarke

Während das Gros der internationalen Automobilzulieferer im Pandemie-Jahr 2020 prognostizierte Umsatzeinbrüche zwischen 13 und 24 Prozent verkraften musste, hat der Abgastechnik-Spezialist Boysen mit Stammsitz in Altensteig (Landkreis Calw) erneut zugelegt. Wie Geschäftsführer Rolf Geisel bekannt gab, liegt die neue Umsatzbestmarke bei 2,4 Milliarden Euro – und damit fast zwölf Prozent über dem Vorjahreswert von 2,15 Milliarden Euro.
Vermeldet erneut Wachstum bei Umsatz und Beschäftigtenzahl: Boysen Geschäftsführer Rolf Geisel. ©Boysen

13.02.2021

Wir arbeiten ausschließlich für Premiumhersteller. Und Premium ist auch in Pandemie-Zeiten gefragt.
Rolf Geisel, Geschäftsführer der Boysen Gruppe (Altensteig/Nordschwarzwald)

Ebenso positiv bewertet der Geschäftsführer den Umstand, dass die Unternehmensgruppe 2020 rund 400 neue Arbeitsplätze geschaffen hat, womit die Zahl der Beschäftigten erstmalig auf mehr als 5.000 angewachsen ist: „Das hat Seltenheitswert. Zumindest sind mir ähnliche Beispiele aus der Branche nicht bekannt. Im Gegenteil: Die Fachpresse berichtet meist von Entlassungswellen.“

Allerdings hat auch Boysen das Krisenjahr 2020 nicht unbeschadet überstanden: „Alleine die Zeit von Mitte März bis Mitte Mai, in der der Großteil unserer Produktionsstätten im Zuge der ersten Lockdown-Welle geschlossen war, hat uns umsatzseitig rund 300 Millionen Euro gekostet.“

Beim Ergebnis, zu dem das Stiftungsunternehmen keine genauen Angaben macht, stehe circa ein Drittel weniger zu Buche als 2019. Jedoch könne sich die Boysen Gruppe mit Blick auf die Gesamtauswirkungen der Pandemie glücklich schätzen, zu den wenigen zu zählen, die am Ende überhaupt noch auf der Gewinnerseite stehen: „Laut Angaben des VDA wurden 2020 in Europa nur noch rund 12 Millionen Pkw neu zugelassen. Das ist fast ein Viertel weniger als noch 2019. Für solch eine Entwicklung gibt es keinen Plan und auch kein Regiebuch.“

©Grafik_GerdLache/Quelle:Boysen

Dass Boysen seinen Wachstumskurs trotz COVID-19 fortsetzen konnte, begründet sich laut Geisel vor allem in der Kundenstruktur, die auf Premiumhersteller ausgerichtet ist. So vor allem im wichtigsten und größten Automobilmarkt China. Dort waren die zwei Boysen Standorte in Shenyang und Langfang ab Ende Januar 2020 zwar als erste vom Lockdown betroffen. „Jedoch jeweils nur für drei Wochen, wobei ein Teil davon in die Zeit des chinesischen Neujahrsfestes fiel, in der sowieso fast alle Firmen geschlossen sind. Danach konnten wir die Produktionen wieder sukzessive hochfahren“, erklärt Geisel und fügt hinzu: „In den Folgemonaten erlebte der Absatz von Premiumfahrzeugen in China einen regelrechten Höhenflug, womit wir die Umsatzausfälle in den anderen Ländern zum größten Teil ausgleichen konnten.“

Aufgrund der weiteren enormen Wachstumspotenziale im Reich der Mitte, in dem gemäß der Statistiken auf 1.000 Einwohner nur etwas mehr als 100 Fahrzeuge kommen, hat die Boysen Gruppe im vergangenen August mit dem Bau eines weiteren Produktionswerks in Shenyang begonnen. Bereits ab September 2021 sollen dort die ersten Vorserienteile für einen Folgeauftrag von BMW gefertigt werden.

Die hohe Nachfrage nach Premiumautos in China macht’s möglich: Die Boysen-Fertigung in Shenyang wird bis zum Sommer 2021 um ein zweites Produktionswerk erweitert. ©Boysen

Corona-bedingt hinter den Planungen zurück liegt hingegen das bislang größte Boysen Auslandswerk im nordserbischen Subotica, in dem auf 38.000 Quadratmetern unter anderem die Abgastechnik für Großraumlimousinen, leichte Nutzfahrzeuge und schwere Lkw gefertigt werden soll: „Eigentlich wollten wir mit der Produktion am neuen Standort in Serbien bereits im vergangenen Herbst beginnen“, so Geisel, „doch aufgrund der massiven Reisebeschränkungen hatten wir kaum Zugriff auf das neue Werk, weshalb sich der Start auf Mitte 2021 verschieben wird.“

Zudem hat die Boysen Gruppe im Dezember die vollständige Übernahme der MHG Fahrzeugtechnik Heubach sowie des rumänischen Partners MHG Isorom vollzogen. Mit Kleinserien und Einzelanfertigungen für Supersport- und Rennwagen decken diese Unternehmen den Highend-Bereich der Abgastechnik ab.

Bauteile aus Simmersfeld für E-Fahrzeuge

Ebenso wurde laut Geisel 2020 der Ausbau neuer Geschäftsfelder forciert, „der für uns immer wichtiger wird, da die Pandemie beim Hype um Elektrofahrzeuge als Brandbeschleuniger wirkt“. Umso erfreulicher: „Unser erster Automobilauftrag abseits des Verbrennungsmotors ist die Fertigung von Strukturbauteilen für E-Fahrzeuge, die im zurückliegenden Januar am Standort Simmersfeld gestartet ist.“ Daneben hat die Boysen Gruppe mit dem Erwerb der Nagolder Firma helag-electronic ihre Expertise im Bereich der Steuerungs- und Sensortechnik ausgebaut und sich folglich bei den Automobilkunden breiter aufgestellt.

Seit Anfang 2021 läuft am Boysen-Standort Simmersfeld (Nordschwarzwald) die Serienproduktion von Strukturbauteilen für Elektrofahrzeuge. ©Boysen

Erste Erfolge vermeldet der Geschäftsführer auch im Bereich Umwelttechnologien: „Über unsere Mehrheitsbeteiligung am Dortmunder Redox-Flow-Batteriehersteller Volterion läuft aktuell das erste Großprojekt mit einem deutschen Energieunternehmen. Und wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Flüssigbatterie-Energiespeicher von Volterion auch fit für den Einsatz in Wohnhäusern zu machen.“

Für 2021 prognostiziert Rolf Geisel einen erneuten Umsatzanstieg auf 2,5 Milliarden Euro. „Dies jedoch unter der Vorgabe, dass es an unseren Standorten keine weiteren Lockdowns geben wird.“ Steigen soll auch die Mitarbeiterzahl, wobei das Wachstum hierbei überwiegend die neuen Standorte in Subotica und Shenyang betreffen wird.

Bau eines Wasserstoffzentrums in Simmersfeld

Währenddessen steht das Großprojekt der Boysen Gruppe für 2021 schon in den Startlöchern: „Noch in diesem Jahr werden wir in Simmersfeld mit dem Bau eines Wasserstoffzentrums beginnen und rund 20 Millionen Euro investieren. Die große Motivation dahinter ist, dass wir die Wasserstofftechnologie in Verbindung mit der Brennstoffzelle als einzig zukunftsfähige Antriebsform für schwere Nutzfahrzeuge sehen.“ Ebenfalls erforscht werden soll in Simmersfeld die Nutzung von Wasserstoff zur Herstellung von bezahlbaren synthetischen Kraftstoffen: „Wem hier der Durchbruch gelingt, wird den Verbrennungsmotor vom Abstellgleis auf die Überholspur bringen.“   pm/gel


Boysen Gruppe

Das Kerngeschäft der Boysen Gruppe mit Stammsitz in Altensteig (Landkreis Calw/Nordschwarzwald) ist die Entwicklung und Fertigung hochleistungsfähiger Abgassysteme und Abgaskomponenten für Pkw, Nutzfahrzeuge und Off-Highway-Anwendungen. Neben den drei Hauptkunden Audi, BMW und Mercedes-Benz arbeitet der Abgastechnik-Spezialist für die deutschen Automobilhersteller Volkswagen und Porsche, die englischen Marken Bentley und Rolls-Royce, die Nutzfahrzeughersteller Daimler und MAN sowie im Bereich Off-Highway-Anwendungen für Krauss Maffei, mtu, Voith und weitere.

Im Zuge des technologischen Wandels innerhalb der Automobilindustrie setzt Boysen neben innovativen Abgastechnologien auch auf neue Produktgruppen, die in allen Fahrzeugen – unabhängig der Antriebsart – zum Einsatz kommen können. Einen weiteren wichtigen Baustein seiner Zukunftsstrategie sieht das Stiftungsunternehmen im Bereich der Energietechnik, wobei vor allem Themen wie Wasserstoff, Brennstoffzellen sowie stationäre Energiespeicher im Fokus stehen.

Die Boysen Gruppe beschäftigt aktuell rund 5.000 Mitarbeiter an 23 Standorten im In- und Ausland. Neben den Entwicklungsstandorten in Altensteig und Nagold verfügt Boysen über Produktionsstandorte in Altensteig, Simmersfeld, Heubach, Salching, Ingolstadt, Plauen und Achim sowie in Frankreich, Ägypten, Südafrika, Indien, China, Mexiko, Serbien, Rumänien und in den USA.  pm

https://boysen-online.de

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