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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Bergauf mit angezogener Bremse

Angesichts voller Auftragsbücher und erfreulicher Umsatzzuwächse sollte bei der mittelständische Industrie im Südwesten alles bestens laufen. Sollte man meinen. Aber: Obwohl die industriellen Unternehmen den Corona-Einbruch 2020 besser als erwartet verkraftet haben, drücken Sorgen: Lieferengpässe bremsen den Aufschwung.
Die aktuellen Lieferengpässe in allen Bereichen bezeichnet der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes wvib, Christoph Münzer (Mitte), als ausgewachsenes Problem. Von links: OWIS-Geschäftsführer Rüdiger Ruh und Präsidiumsmitglied Bert Sutter bei der Ergebnisvorlage der Konjunktur-Umfrage. ©GerdLache

Von Gerd Lache | 14.08.2021

Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Industrieller Unternehmen Baden (wvib) bringt das Ergebnis der Sommer-Konjunkturumfrage unter den rund 1000 Verbandsmitgliedern so auf den Punkt: „Wir fahren bergauf, leider mit angezogener Bremse.“ Zwar seien die Auftragsbücher fast überall gut gefüllt – jedoch bremsten Lieferengpässe bei Rohmaterialien und Vorprodukten den Aufschwung.

Münzer warnt davor, Lieferengpässe nur als kleines Hindernis zu begreifen. „Nachschubprobleme sind Wohlfahrtsverluste. Wenn die Produktion steht, gibt es nur Kosten ohne Umsatz. Das ist kein kleiner Wermutstropfen, sondern ein ausgewachsenes Problem.“

Der Umfrage zufolge hatten die Mitgliedsunternehmen der wvib Schwarzwald AG im ersten Halbjahr 2021 einen Umsatzzuwachs von durchschnittlich 15,2 (Vergleichszeitraum 2020:12) Prozent. Branchenübergreifend gebe es beim Auftragseingang gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Plus von 28,7 Prozent.

 „Der kalte Schweiß der Corona-Krise ist überraschend dem heißen Schweiß der Jagd nach Komponenten und Vorprodukten von Elektronikbauteilen über Granulate bis Stahl und Holz gewichen“, resümiert der Hauptgeschäftsführer

Auftrieb gibt vor allem das Auslandsgeschäft in den USA und in China. Münzer: „Wir exportieren uns praktisch aus der Rezession heraus.“ Überraschend sei, dass der Umsatz besonders stark im Automotive-Zulieferbereich angezogen habe. Mit der Bemerkung „Totgesagte leben länger“, stellt der Hauptgeschäftsführer fest: Deutschland werde 2021 zum größten Hersteller von E-Fahrzeugen weltweit.

Unterdessen würden die Unternehmen im Bereich der Abgasreinigung weiterhin auf den Verbrenner setzen, da hierfür insbesondere in China eine Nachfrage bestehe. Und: „Der Weltmarkt will wieder SUVs mit Dieselantrieb.“

Der Nachwuchs- und Fachkräftemangel wird weiter zunehmen, befürchtet wvib-Präsidiumsmitglied Bert Sutter. ©GerdLache

Bert Sutter, Mitglied im wvib-Präsidium und geschäftsführender Gesellschafter der Sutter Medizintechnik GmbH, stellt für seine Branche fest, dass finanzielle Mittel für Gesundheitsausgaben vorhanden seien. In den USA zögen die Ausgaben für Medizintechnik an und den chinesischen Markt bezeichnete er als gut.

Derweil befürchtet Sutter für die Zukunft eine weitere Zunahme des Nachwuchs- und Fachkräfteproblems. „Wir tun alles, um auszubilden und Fachkräfte heranzuziehen“. Dennoch könne sich das Thema in spätestens fünf Jahren weiter zuspitzen.

Dieses Problem sei schon immer präsent gewesen, erklärt Rüdiger Ruh, geschäftsführender Gesellschafter der OWIS GmbH. Das wvib-Mitgliedsunternehmen stellte seine Räume für die wvib-Pressekonferenz in Staufen zur Verfügung.

Der Fachkräftemangel sei durch Corona lediglich in den Hintergrund gerückt, werde aber bald wieder aktuell sein, insbesondere durch den gestiegenen Auftragseingang. Im Gegensatz dazu geht Ruh davon aus, dass sich die Rohstoffknappheit in etwa einem Jahr auf ein normales Maß zurückbilden werde. Diese sei durch das Zinstief befeuert worden: „Die Unternehmen horten Ware, weil das Geld darin besser aufgehoben ist, als Guthabenzinsen auf der Bank zu bezahlten“, befindet der OWIS-Geschäftsführer.

Rüdiger Ruh hat das Unternehmen mit 50 Beschäftigten zum Jahresbeginn in einem Mangement-Buy-Out übernommen. Weltweit werden die Produkte dort eingesetzt, wo Laser zum Einsatz kommt. OWIS  entwickelt und produziert Komponenten, die den Laser im Nanobereich passgenau in seine Position bringt.

Bilden seit Jahresbeginn 2021 die Führungsspitze der OWIS GmbH: Prokuristin und Personalchefin Annette Ruh sowie geschäftsführender Gesellschafter  Rüdiger Ruh. ©GerdLache

Indes geht der wvib aufgrund der aktuellen Situation von einer Preiserhöhungsrunde im B2B-Bereich aus. Und letztendlich würden die höheren Kosten auf den Konsumenten umgelegt.

Beim Blick in die Zukunft sind die wvib-Unternehmen laut Umfrageergebnis optimistisch. Demnach erwarten 44 (Vergleichszeitraum 2020: 24) Prozent für das zweite Halbjahr 2021 steigende Umsätze. Nur knapp 8 (2020: 35) Prozent würden für den Rest des Jahres mit sinkenden Umsätzen rechnen. Der optimistische Blick in die Zukunft betreffe auch die Erwartung an den Auftragseingang in den kommenden sechs Monaten: Steigerungen erwarten 27 (2020: 29) Prozent, während 15 (2020:31) Prozent mit einem Auftragsrückgang rechnen.

Auch der Beschäftigungsmotor zieht wieder an: Nur noch 36 (Vorjahreszeitraum: 50) Prozent  der Unternehmen verzeichnen demnach sinkende Beschäftigungszahlen. Gestiegen sei der Personalstand bei 51(2020:25) Prozent der Befragten. In den Prognosen sind die Unternehmen laut wvib-Umfrage optimistisch: 43 (2020:10) Prozent rechnen mit steigender Mitarbeiterzahl. Nur noch knapp 7 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer negativen Beschäftigungsentwicklung.


Die wvib Schwarzwald AG

… ist nach eigenen Angaben Sprachrohr und Dienstleister der familiengeprägten, mittelständischen Industrieunternehmen in Baden-Württemberg, die auch jenseits der Ballungszentren global erfolgreich sind.

Das Verbandsprinzip: Unternehmer und Führungskräfte, die sich für ihr Unternehmen, ihre Kunden, ihre Mitarbeiter, die Umwelt und für unsere Gesellschaft engagieren, tauschen sich mit dem Ziel aus, Menschen und Unternehmen wirksamer machen.

Themen seien Werte, Strategie, Führung, Familie, Eigentum, technologische Perspektiven, neue Marktzugänge und Geschäftsmodelle, soziale Marktwirtschaft.

Im 1946 von Unternehmern für Unternehmer gegründeten wvib erwirtschaften 1.049 produzierende Unternehmen mit 384.000 Beschäftigten weltweit 75 Milliarden Euro Umsatz.

In jährlich mehr als 1.000 Veranstaltungen wachsen Unternehmens-Chefs und Führungskräfte im permanenten Erfahrungsaustausch, in Seminaren und Beratungen zu einer lernenden Gemeinschaft zusammen. Mehr als 60 hauptamtliche Beschäftigte spannen ein südwestdeutsches Netzwerk über die weltweit engagierte Schwarzwald AG. (pm/gel)

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