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Wirtschaftskraft ist in der Tat ein „Plus“ – ein Mehr an Themen, an Hintergründen und an Aktualität. Mit dieser Plattform wird die wirtschaftliche Kompetenz des Standortes Pforzheim medial begleitet und weit in die Region getragen.

Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Badisches Autohaus geht steil auf Tiktok

Social-Media-Plattformen boomen. Vor allem die Videoplattform TikToK wächst rasant. Vor allem junge Leute bekommen von den kurzen, kreativen Videos nicht genug. Aber lohnt sich TikTok auch für kleinere, lokale Unternehmen? Das Autohaus Stoppanski aus Karlsruhe ist auf der Videoplattform sehr erfolgreich und knackte teilweise schon die magische Zahl von einer Million Aufrufe. WirtschaftsKRAFT sprach mit Marketingleiter Patrick Walz über eigene Erfahrungen, virale Hits und darüber, wie TikTok tickt.
Hier entsteht gerade ein neues TikTok Video. Dreharbeiten per Smartphone. Foto: Autohaus Stoppanski

von Tanja Meckler

Und Action: Beim Autohaus Stoppanski bei Karlsruhe, wird gerade ein neues Video für die Video-Plattform TikTok produziert. Gedreht wird mit einem aktuellen Smartphone, für Tonaufnahmen wird ein externes Mikro angeschlossen. Die Darsteller sind die eigenen Mitarbeiter. Das Video selbst wird entweder direkt in der TikTok-App geschnitten oder im Nachgang am PC.

„Sogar meine Oma kennt TikTok“, erzählt Patrick Walz, Marketingleiter des Autohauses Stoppanski im Gespräch mit WirtschaftsKRAFT. Seit März 2020 ist das lokale Unternehmen auf TikTok präsent und gehört somit zu einem der ersten Autohäuser aus der Region, die diesen Schritt gewagt haben. Ein glückliches Händchen, nennt Walz diese Entscheidung.

Es geht nicht um Hochglanz-Videos

TikTok sehe ich als Imagekanal und das genau spielen wir auch, wir zeigen unsere Mitarbeiter. Zum Beispiel zeigen wir die Werkstatt und da wird das Ölfass in der Ecke einfach stehen gelassen. Ungeschönte, authentische Inhalte, das kommt gut an. Natürlich machen die Hersteller tolle, aufwendige Hochglanzvideos und stellen uns diese auch zur Verfügung. Auf TikTok interessiert das aber keinen.

Patrick Walz, Marketingleiter Autohaus Stoppanski

Der Aufwand pro Video ließe sich nicht pauschal in Minuten oder Stunden ausdrücken. Patrick Walz erzählt von spontanen One-Take-Aufnahmen, d.h. das Video wird direkt in der App in einem Rutsch abgedreht, in diesem Fall seien die Captions (Untertitel) sehr entscheidend. Demgegenüber stehen aber auch sehr schnitt- und drehintensive Videoclips. Allerdings sage der Aufwand eines Videos nichts über den möglichen Erfolg aus, meint Walz. Vielmehr komme es drauf an die Sprache der Plattform zu verstehen und Trends zu erkennen.

Zweimal pro Woche will das Autohaus Stoppanski bei TikTok ein Video posten. Foto: Autohaus Stoppanski

Knackige, kreative, kurze Videos mit einem gewissen Unterhaltungswert boomen derzeit. Auf TikTok gibt es davon quasi ein ganzes Meer und ist man erstmal eingetaucht in diese Welt, ist das Auftauchen gar nicht so einfach. Aus mal eben fünf Minuten lustige Videoschnipsel schauen wird schnell mal eine Stunde. Man hat das Gefühl, TikTok ist gekommen, um zu bleiben. Das soziale Netzwerk hat seinen Ursprung in China und wächst seit Jahren rasant. Weltweit gibt es über eine Milliarde NutzerInnen. Inzwischen haben auch immer mehr kleinere Unternehmen TikTok auf dem Schirm. Der besondere Reiz liegt darin, dass es auf TikTok möglich ist, große Reichweiten zu erzielen, ohne selbst viele Follower haben zu müssen.

Das Autohaus Stoppanski hat keine Vollzeitstelle für das Aufbereiten von Inhalten für TikTok. Die Social-Media-Abteilung besteht aus Patrick Walz und einem Azubi, wenn man so will also relativ überschaubar. Deshalb ist das eigentliche Ziel, zwei Videos pro Woche auf TikTok einzustellen auch nicht immer machbar, realistisch sei derzeit eines. Der TikTok Algorithmus belohnt Aktivität, deshalb sei eine gewisse Regelmäßigkeit wichtig.

Patrick Walz, Marketingleiter Autohaus Stoppanski. Foto: Autohaus Stoppanski

WirtschaftsKRAFT: Das Autohaus Stoppanski ist auf TikTok mittlerweile sehr erfolgreich, wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen ab März 2020 auf der Videoplattform präsent zu sein?

Es war natürlich keine Entscheidung die über Nacht gefallen ist. Ich hatte damals gar keinen eigenen Account. TikTok war damals schon in den oberen Rängen bei den Downloadcharts. Es war auch kein Hype, der nach kurzer Zeit  wieder vorbei war (Flashback: der Hype um Clubhouse dauerte nur kurze Zeit). Ich bin der Meinung wenn man auf einer Plattform, die sich wirklich etabliert hat, einer der Ersten ist, dann kann es nur von Vorteil sein und so war es dann auch. Wir waren zu der Zeit sicherlich eines der ersten Autohäuser mit einem eigenen TikTok Kanal. Als dann im Sommer 2020 die Runde machte, dass der damalige US-Präsident Donald Trump die Videoplattform in seinem Land verbieten wollte, gingen die Nutzerzahlen durch die Decke. Inzwischen haben wir unsere Erfahrungen gemacht und konnten und so auch einen gewissen Vorsprung erarbeiten.

WirtschaftsKRAFT: Können Sie sich noch an die Anfangszeit erinnern? Wann hatten Sie die ersten Erfolge?

Bei den ersten Videos haben wir einfach mal rumprobiert . Wir haben zum Beispiel den Content von Instagram Stories hochgeladen oder ein Facebook-Video vertikal getrimmt und auf TikTok platziert. Uns war aber schnell klar, dass das nicht funktioniert. Die Systematik von TikTok ist eine andere. Uns war schnell bewusst, dass wir speziell für diese Plattform Videos kreieren müssen und so haben wir es gemacht und hatten dann auch Erfolge

Auf TikTok heißt es immer Trend, wenn eine Art Video von vielen Usern umgesetzt wird. Das wird dann nach Schema F produziert. Es ist dieselbe Musik und im Prinzip derselbe Ablauf. Natürlich kann man im Nachgang noch ein paar Kniffe einbauen, aber es ähnelt sich sehr. Das haben wir dann für uns übernommen und so ein Thema tatsächlich in der Werkstatt gespielt. Sind da mit Drehplan und Ziel an die Sache ran gegangen und so haben wir unseren ersten viralen Hit für die damalige Zeit gelandet. Plötzlich hatten wir 50 000 Aufrufe, diese Zahl hatten wir damals nicht auf dem Zettel, als eher kleines Unternehmen. Bei Instagram und Facebook hatten wir eine solche Reichweite eher nicht. Später sind weitere dazu gekommen , da waren wir dann plötzlich bei über einer Million Aufrufe, da ist dann die Zahl 50 000 wieder klein.

WirtschaftsKRAFT: Wie tickt Tiktok, gerade auch im Vergleich zu Facebook oder Instagram?

Ich sehe Facebook und Instagram schon als Informationskanal. TikTok bezeichnet sich selbst als Unterhaltungsplattform. Viele konsumieren einfach. Wenn man will, ist es eine Art TV. Die Schwierigkeit ist es, den richtigen Nerv zu treffen. Die Aufmerksamkeitsspanne ist sehr kurz, das nächste interessante Video ist quasi schon bereit. Natürlich gibt es das auf jeder Social Media Plattform, aber bei Tiktok ist das irgendwie nochmal krasser. Man muss wirklich schauen, dass die ersten zwei Sekunden zünden, sonst wird sofort weiter gescrollt  und dann straft der Algorithmus auch extrem schnell ab. Wir können das teilweise wirklich beobachten, wenn wir ein Video posten. Wir merken, wie es langsam Views (Ansichten) gewinnt und dann wird plötzlich so ein Turbo gezündet, der geht dann entweder zwei, drei Tage lang und dann haben wir einen viralen Hit oder er startet kurz und fällt dann schon wieder ab. Das ist dann der Punkt an dem der Algorithmus das Video als nicht so spannend eingestuft hat. Und dann ist es auch schon wieder in der Versenkung verschwunden oder der andere Fall tritt ein und es geht steil und dann hat es auch eine relativ lange Haltbarkeitszeit, deutlich länger als bei Facebook. Wir können dann über Wochen noch nennenswerte Zuwächse an Views generieren , weil das Video dann immer wieder ausgespielt wurde.

WirtschaftsKRAFT: Wie kommen Sie auf die Content Ideen, gibt es eine Strategie?

Unsere Grundstrategie liegt darin die eigenen Mitarbeiter als Mikro-Influencer aufzubauen. Viele zeigen ja die Autos in den Showrooms, das machen und können wir auch, aber wir haben irgendwann angefangen die Werkstatt zu zeigen. Vor allem auch die Menschen die dort arbeiten. Das ist glaube ich ein guter Insight, sieht man auch bei vielen anderen Content Creators, da sitzt zum Beispiel eine Person bei Aldi an der Kasse und zeigt einfach mal wie sie da arbeitet. Wenn das dann mit einem Unterhaltungsaspekt schön und kurz aufbereitet wird,  dann interessiert es die Leute, weil es sich um echte Insights handelt. Meiner Erfahrung nach gehen die Videos viral, bei denen es um Personen geht. Ansonsten holen wir uns die Ideen auch einfach aus der Plattform selbst. Wir sind selber Konsument, es bringt nichts sich ein weißes Blatt Papier hinzulegen und dann zu überlegen. Man muss wirklich Nutzer der Plattform sein und schauen was funktioniert da. Die Plattform hat sich auch extrem gewandelt. Am Anfang lag der Fokus auf Tanzvideos, mittlerweile gibt es für alle möglichen Nischen TikTok-Kanäle. Die Tagesschau ist auf TikTok  und produziert da kleine Schnipsel, das funktioniert super. Man kann wirklich über mehrere Ebenen seinen Weg finden, aber man muss verstehen was funktioniert.

WirtschaftsKRAFT: Erhalten Sie aufgrund von TikTok auch direktes Feedback?

Was  wir als Feedback bekommen sind einzelne Highlights. Ein Verkäufer hat berichtet, dass ein Kunde der nicht aus unserem Einzugsgebiet stammte, extra zu uns kam, weil er bei dieser einen Person die er von TikTok kannte, das Auto kaufen wollte. Das war das maximal beste Beispiel. Wir haben aber auch schon Anfragen für Praktikums oder Ausbildungsstellen bekommen, die konkret auf TikTok zurück zu führen waren.

WirtschaftsKRAFT: Was sind Ihre persönlichen Trends in Sachen Social Media Marketing?

Ich denke im Social Media Marketing geht es ganz klar in Richtung live Kommunikation. Auf Instagram, Youtube oder auch Facebook, wird das Format extrem gepusht. Und ich glaube, dieser Push ist nicht nur künstlich, sondern der Markt will das. Format Live wird das nächste Level sein und da muss man dann auch als Unternehmen aktiv werden. Das wird schon sichtbar bei den großen Unternehmen. Dm hat zum Beispiel hier in Karlsruhe ein eigenes Filmstudio gebaut und sendet auf einer eigenen App. ( Zum Hintergrund: Mit dmLIVE bietet Deutschlands größter Onlinehändler für Drogeriewaren ein neues, innovatives E-Commerce-Format exklusiv in der eigenen Mein dm-App an. Expertinnen und Experten, Markenbotschafter, Hebammen oder dm-Mitarbeiterinnen streamen ab sofort regelmäßig live zu verschiedenen Themen). Wir als kleineres Unternehmen haben natürlich eine begrenztere Kapazität. Aber ich glaube, auch hier müssen für Social Media die Inhalte stimmen, es geht nicht um eine perfekte Hochglanzproduktion. Wir werden das Smartphone aufs Stativ schnallen, den Aufwand in Maßen halten und guten Inhalt liefern. Ideen gibt es schon ein paar. 

dm setzt auf ein neues, innovatives E-Commerce-Format.
©dm

WirtschaftsKRAFT: Haben Sie Tipps für Neulinge?

Ja. Zunächst einmal Nutzer werden, Apps runterladen, Profil erstellen selber konsumieren und dann in einem weiteren Schritt analysieren. Also sich selbst die Fragen zu stellen,  warum schaue ich das Video, warum wird es mir vorgeschlagen, warum ist es so erfolgreich? Für sich selbst aufzugliedern was passiert in  den ersten ein, zwei Sekunden. Im Fachjargon  nennt sich das Thumb Stopper (Daumen Stopper), dh. das Video wird nicht weggewischt, sondern man ist daran hängen geblieben.  Diese Analyse ist ein riesen Hebel. Und dann ist mein Rat, einfach selbst ausprobieren und authentischen Content produzieren, es ist nicht zwingend notwendig eine extrem teure Marketing Agentur zu beauftragen, man kann die Systematik selbst lernen. Dran bleiben, Geduld haben, die ersten Videos werden keine viralen Hits, das kann aber kommen.

Von Vorteil ist, den Unterschied zwischen organischen und paid Content zu kennen. Es bringt nichts immer nur diese organischen Videos zu bringen, wirklich Erfolg hat man, wenn auch in bezahlte Werbeanzeigen auf den Social Media Kanälen investiert wird.

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