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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Aufschwung nimmt im Nordschwarzwald Fahrt auf

Der konjunkturelle Erholungsprozess für die Wirtschaft der Region Nordschwarzwald hat sich weiter fortgesetzt. Allerdings hemmen unter anderem steigende Rohstoff- und Energiepreise die weitere Erholung. Das berichtet die IHK Nordschwarzwald als Ergebnis ihrer jüngsten Herbst-Konjunkturbefragung.
Die Auftragsbücher füllen sich bei den Unternehmen der Region Nordschwarzwald, das ergab die Herbst-Konjunkturumfrage der IHK Nordschwarzwald. ©WilfriedPohnke

Ergebnis der Herbst-Konjunkturumfrage der IHK | 10.10.2021

In der Konjunkturumfrage der IHK Nordschwarzwald geben  47 Prozent der Unternehmen aus der Region eine gute Geschäftslage an (Frühsommer 2021: 39 Prozent), weitere 44 Prozent (Frühsommer 2021: 38 Prozent) bezeichnen sie noch als befriedigend.

Der Anteil der Firmen mit schlecht laufenden Geschäften hat sich auf neun Prozent (Frühsommer 2021: 23 Prozent) verringert. Vor einem Jahr zu Beginn der zweiten Corona-Welle lag dieser Anteil noch bei 41 Prozent, während lediglich 20 Prozent von gut laufenden Geschäften berichteten. Damit hat sich im Vergleich zum Vorjahr die Stimmung in der Region noch deutlicher verbessert.

„Nach einer langen Zeit, in der die Corona-Pandemie die wirtschaftlichen Aktivitäten bremste, nimmt der Aufschwung an Fahrt auf“, freut sich Claudia Gläser, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald, über die Ergebnisse, die nahezu der Einschätzung auf Landesebene entsprechen.

Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung und die Eindämmung der Pandemie seien weiterhin notwendig. „Die neue Corona-Verordnung führt jedoch schon in der Warnstufe zu großen Ungleichbehandlungen in einzelnen Branchen. Die neuen Regelungen dürfen nicht erneut auf Kosten der bislang schon stark belasteten Branchen aus dem Tourismus, dem stationären Einzelhandel und dem Dienstleistungsbereich gehen“, fordert die IHK-Präsidentin.

Fordert von der künftigen Bundesregierung für die Wirtschaft eine Entbürokratisierung: Claudia Gläser, Präsidentin der IHK Nordschwarzwald. ©FotostudioKarin

Umsatzzuwächse bei weiterhin befriedigender Ertragslage

49 Prozent freuen sich über steigende Umsätze in den letzten vier Monaten, bei weiteren 42 Prozent sind sie gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum konstant geblieben. Im Vergleich zur letzten Befragung im Frühsommer, aber vor allem gegenüber dem Vorjahr hat sich die Ertragssituation verbessert. 37 Prozent der Firmen aus der Region verzeichnen eine gute Ertragslage, 51 Prozent bewerten sie noch mit befriedigend.

Geschäftsaussichten sind unsicherer geworden trotz guter Auftragslage

Die Orderbücher füllen sich stärker als noch im Frühsommer. 39 Prozent der regionalen Firmen berichten von steigenden Auftragseingängen, bei rund der Hälfte haben sie sich nicht verändert. 55 Prozent gehen von einer gleich bleibenden Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten aus. 36 Prozent erwarten eine weitere Verbesserung ihrer Geschäfte. Im Frühsommer war dies noch bei rund der Hälfte der Unternehmen der Fall. Neun Prozent blicken eher pessimistisch in die nahe Zukunft.

Steigende Rohstoffpreise als wachsende Herausforderung

Bei wichtigen Rohstoffen (etwa Stahl, Kunststoffe, Aluminium oder Holz) und Vorprodukten (zum Beispiel Halbleiter) führt die hohe globale Nachfrage bei pandemiebedingten Produktionsausfällen aufseiten der Zulieferer zu Lieferengpässen, verbunden mit einem starken Preisanstieg und langen sowie ungewissen Lieferzeiten. Fehlende Frachtkapazitäten und Handelsrestriktionen verschärfen die Situation.

Während der Corona-bedingten Einschränkungen der Wirtschaft war vielerorts die Produktion nach unten angepasst und die Nachfrage zum Teil aus Lagern bedient worden. Nicht immer kann bei der nun wieder anspringenden Konjunktur die Erzeugung rasch genug auf die hohe weltweite Nachfrage angepasst werden. Wegen Materialknappheit müssen viele Betriebe ihre Produktion drosseln, sodass Auftragseingänge nur begrenzt abgearbeitet werden können.

Auch hohe Energiepreise können wirtschaftlichen Aufschwung bremsen

Aufgrund der mit der Konjunkturerholung einhergehenden, weltweit wachsenden Energienachfrage sind auch die Preise für Gas, Strom und Öl stark gestiegen. Preiserhöhungen im Gas-Großhandel beeinflussen auch den Strompreis, da sich die Stromerzeugung in Gaskraftwerken verteuert – neben dem weiterhin hohen Anteil der Steuern, Abgaben und Umlagen an den Stromkosten. Beim Erdöl kann die erhöhte Nachfrage nicht durch eine Ausweitung der Förderung in den Förderländern ausreichend bedient werden.

Sorgen bereitet der regionalen Wirtschaft im Nordschwarzwald der Preisanstieg bei Energie. ©Anlogicus

Gewichtung der Risiken hat sich verändert

Im Unterschied zum Frühsommer, als die Corona-Pandemie als primäres Risiko für die künftige wirtschaftliche Entwicklung betrachtet wurde, bereiten aktuell die hohen Rohstoff- und Energiepreise die meisten Sorgen. An zweiter Stelle rangiert – noch vor der Corona-Pandemie – der in Zeiten starker Corona-Beschränkungen etwas weniger beachtete Mangel an Fachkräften. Rund zwei Drittel der Firmen aus der Region können derzeit offene Stellen nicht besetzen, weil sie nicht die passenden Fachkräfte finden. Bei Stellenangeboten für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung ist der Mangel besonders stark sichtbar.

Positive Exporterwartungen auf unsicherem Fundament

Nahezu jedes zweite Unternehmen aus der Region rechnet künftig mit weiteren Exportsteigerungen. Dauer und Ausmaß der Ausfuhrzuwächse dürften insbesondere davon abhängen, wie lange der Materialmangel und die Lieferengpässe bestehen bleiben und zu Verzögerungen in der Produktion und im Versand der Exportgüter führen. 42 Prozent der Firmen gehen von gleich bleibenden Exporten in den kommenden zwölf Monaten aus.

Investitionsneigung bleibt bei stabiler Beschäftigtenzahl auf hohem Niveau

Die regionale Wirtschaft zeigt sich bei ihren Investitionsplanungen im Inland zuversichtlich, aber auch vorsichtig. Rund 42 Prozent beabsichtigen, das gegenwärtige Investitionsniveau aufrechtzuerhalten. 37 Prozent wollen ihre Investitionen sogar erhöhen. Vorrangiges Investitionsmotiv bleibt die Deckung des Ersatzbedarfs. An zweiter Stelle folgt der Wunsch, verstärkt in die Digitalisierung zu investieren. Die Beschäftigtenzahl soll dabei stabil bleiben.

Investitionen in Digitalisierung nennt die regionale Wirtschaft an zweiter Stelle nach der Deckung des Ersatzbedarfs. ©Galtmann

IHK-Präsidentin fordert rasche Regierungsbildung

Angesichts der Defizite, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gefährden, ist es aus Sicht der IHK-Präsidentin wichtig, dass in den anstehenden Koalitionsverhandlungen auf taktische Manöver, die wertvolle Zeit kosten, verzichtet wird. „Die Parteien müssen Verantwortung zeigen und rasch die notwendigen Entscheidungen zugunsten einer wirksamen Entbürokratisierung und von mehr Zukunftsinvestitionen in die Digitalisierung, in den Klimaschutz und in die Infrastruktur, treffen“, so Gläser abschließend.


Lage in ausgewählten Wirtschaftszweigen

Verarbeitendes Gewerbe

Mit 57 Prozent bewertet ein über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft liegender Anteil der regionalen Firmen aus der Industrie die aktuelle Geschäftslage mit gut. Weitere 36 Prozent geben sie noch mit befriedigend an. Umsatzsteigerungen konnten in den letzten vier Monaten insbesondere im Ausland erzielt werden. Die Kapazitäten sind mit 86 Prozent stärker als noch bei der letzten Befragung im Frühsommer ausgelastet. Die Auftragseingänge haben sich im Vergleich zum Frühsommer kaum verändert. Allerdings sind die Geschäftsaussichten für die nächsten zwölf Monate nicht mehr so zuversichtlich wie bei der letzten Befragung.

Auch bei den Unternehmen der Metallerzeugung und –bearbeitung gewinnt die Konjunktur an Dynamik. ©MichaelSchwarzenberger

Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen

Bei den regionalen Firmen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung und der Herstellung von Metallerzeugnissen hat die konjunkturelle Erholung weiter an Dynamik gewonnen. 71 Prozent freuen sich über gut laufende Geschäfte. 57 Prozent haben in den vergangenen vier Monaten ihre Umsätze gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum erhöhen können. Bei einer Auslastung der Kapazitäten von 84 Prozent hat sich auch die Ertragssituation verbessert. 46 Prozent geben sie mit gut an, ein gleich hoher Anteil noch mit befriedigend. Im Vergleich zum Frühsommer sind jedoch die positiven Geschäftserwartungen stark zurückgegangen.

Maschinenbau

Trotz starker Umsatzsteigerungen in den vergangenen vier Monaten und einer Kapazitätsauslastung von 88 Prozent haben sich die Geschäfte im Maschinenbau der Region nicht weiter verbessert, sondern sich auf hohem Niveau stabilisiert. 55 Prozent geben sie mit gut an. Die Auftragseingänge haben zugenommen. Gleichzeitig rechnet die Branche jedoch aufgrund der Rohstoffknappheit mit steigenden Beschaffungskosten, was wiederum die Geschäftserwartungen leicht eintrübt.

Die Stimmung im Handel fällt schlechter aus als beim Durchschnitt der von der IHK befragten Branchen. ©Pex

Handel

Im regionalen Handel (Groß-, Einzel- und Versandhandel) hat sich die Geschäftslage stabilisiert. Die Stimmung fällt jedoch schlechter aus als im Durchschnitt der gesamten regionalen Wirtschaft. 39 Prozent der Händler berichten von gut laufenden Geschäften, die Hälfte bezeichnet sie als befriedigend. Im Vergleich zum Frühsommer wird die Ertragslage allerdings besser beurteilt. 39 Prozent geben sie mit gut an, weitere 50 Prozent noch mit befriedigend.

Während der Großhandel gleich bleibende Bestellungen verzeichnet, zeigen die Kunden im Einzelhandel ein mehrheitlich zurückhaltendes Kaufverhalten. Insbesondere der stationäre Einzelhandel muss einen erneuten Einbruch der Nachfrage befürchten, wenn bei steigender Hospitalisierungsinzidenz oder höherer Auslastung der Intensivbetten die geplanten Verschärfungen der Corona-Verordnung auch im Einzelhandel angewendet werden müssen. Deshalb betrachtet der regionale Handel auch weiterhin die Corona-Pandemie als größtes Risiko für seine weitere wirtschaftliche Entwicklung.

Tourismus

Das Tourismusgewerbe in der Region hat in den zurückliegenden Sommermonaten vom wachsenden Trend zum Urlaub in Deutschland stark profitiert. Eine große Mehrheit der Betriebe berichtet von gut laufenden Geschäften und Umsatzsteigerungen bei Privat- und Geschäftskunden. Über die Hälfte kann sich auch über eine gute Ertragslage freuen. Im Hinblick auf die Geschäftsaussichten zeigt sich die Branche vorsichtig abwartend. Risiken werden zum einen im Mangel an Fachkräften gesehen, der durch die Abwanderung von Arbeitskräften in andere Branchen, die weniger vom monatelangen Lockdown betroffen waren, verstärkt wurde.

Zum anderen befürchtet der Tourismus höhere Kosten durch steigende Energiepreise sowie weitere Nachteile durch die neue Corona-Verordnung. Die darin enthaltenen unterschiedlichen Regelungen für einzelne Branchen führen zu Irritationen bei den Gästen, welche Regelung in welcher Gefährdungsstufe gilt. Mögliche Konsequenzen sind erneut Konsumzurückhaltung, Nachfrageeinbrüche oder Stornierungen in einer Branche, die bereits überdurchschnittlich stark von der Pandemie getroffen ist. Darüber hinaus ist der Tourismus mit anderen Branchen häufig verbunden: Das touristische Erlebnis besteht nicht selten aus einer Kombination von Anreise, Übernachtung, Kulinarik, Kultur und Einkauf im Einzelhandel.

Der Tourismus hat vom wachsenden Trend zum Deutschland-Urlaub profitiert. ©Coleur

Kreditgewerbe

Die Kreditinstitute aus der Region bewerten ihre Geschäfts- und Ertragslage nach wie vor mit befriedigend. Die Kreditnachfrage von Privat- und Geschäftskunden ist weiterhin mehrheitlich gestiegen, erreicht aber nicht mehr das Niveau des Frühsommers. Während die Kreditvergabe für Investitionen zugenommen hat, ist sie zur Finanzierung von Betriebsmitteln konstant geblieben. Nach wie vor leidet die Branche unter der Entscheidung der Europäischen Zentralbank, die Zinsen auf niedrigem Niveau zu belassen.

Die Risikovorsorge soll künftig verstärkt werden. Darüber hinaus zeigt sich auch im Kreditgewerbe wieder stärker der Mangel an Fachkräften. Trotz der unsicheren Rahmenbedingungen beabsichtigt die Hälfte der Kreditinstitute, künftig im Inland wieder mehr zu investieren. Dabei stehen Investitionen in die Digitalisierung, aber auch in den Umweltschutz und die Energieeffizienz im Vordergrund.

Unternehmensorientierte Dienstleistungen

Die Hälfte der unternehmensorientierten Dienstleister (zum Beispiel Grundstücks- und Wohnungswesen, Datenverarbeitung, Leasing, Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung) gibt nicht nur höhere Umsätze und gut laufende Geschäfte an, sondern berichtet auch von einer guten Ertragslage und einem steigenden Auftragsvolumen. Erneut betrachtet die Branche den Fachkräftemangel als größtes Risiko für ihre weitere wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch erwarten zwei Drittel künftig noch bessere Geschäfte. Daher will die Branche künftig verstärkt im Inland investieren, insbesondere in die Digitalisierung, aber auch in Innovationen (Service, Vertrieb) sowie in den Umweltschutz und die Energieeffizienz. Auch die Zahl der Beschäftigten soll erhöht werden.

(pm/gel)

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