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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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„Alles ist möglich“

KI-Experte Carsten Kraus sieht im disruptiven Wandel große Chancen für jene Unternehmen, die sich den Herausforderungen stellen
Carsten Kraus © Karsten Brand

Von Gerd Lache

„Unternehmen, die das Potenzial der neuen Technologien nicht voll ausschöpfen verschwinden nach und nach vom Markt.“
Carsten Kraus, Geschäftsführer der Omikron Data Quality GmbH

Hat die Region Nordschwarzwald, haben Deutschland und Europa überhaupt noch eine wirtschaftliche Chance angesichts der digitalen Vormachtstellungen der USA und von China? Ja, „wir sind sogar in einer guten Position“, sagt Carsten Kraus. Er ist Gründer des nach eigenen Angaben führenden deutschen Unternehmens im Bereich Datenqualität und europäischer Marktführer für Suche und Navigation in Online-Shops. Die Omikron Data Quality GmbH mit rund 150 Beschäftigten hat ihren Sitz in Pforzheim. Kraus ist Experte für Künstliche Intelligenz (KI). Schon früh beschäftigte er sich mit diesem Thema. Aus seiner Neugier für Algorithmen und KI entstanden zahlreiche Produkte, die inzwischen die Stammdaten von Großkonzer­nen bereinigen und die nahezu jeder Europäer beim Einkaufen im Internet verwendet. Aufgrund sei­ner Expertise wurde er zum Vorsitzenden der Fachgruppe KI im bwcon (Baden-Württemberg Connected e.V.) gewählt.

KI werde die Welt in den kommenden 20 Jahren gewaltig verändern. Kraus begreift die digitale Transformation „als Evolution mit weitreichenden Auswirkungen auf die Wertschöpfung der Zukunft“. Er prophezeit: „Unternehmen, die das Potenzial der neuen Technologien nicht voll ausschöpfen verschwinden nach und nach vom Markt.“ Aber er macht auch deutlich: „Wenn sich ein Markt wandelt, dann ist alles möglich“, zum Beispiel Wachstumsraten von 50 bis 100 Prozent und mehr. Es komme vor allem darauf an, die eigenen Stärken richtig einzusetzen.

Was die Amerikaner erfolgreich antreibe, sei das sture Starren auf Profit. Soll ein neues Produkt auf den Markt gebracht werden, zähle einzig die Frage: Kann ich damit schnelles Geld machen. Die Chine­sen hingegen seien von dem Ehrgeiz und „wahnsinnigen Willen“ besessen, an die Weltspitze zu gelangen. Mit Unterstützung der Regierung werde dabei alles aus dem Weg geräumt, was stört, „egal ob es Menschen sind oder Datenverordnungen“. Was ihnen jedoch fehle, das sei das kreative Element. Chine­sische Beschäftigte würden stur nach vorgegebenem Schema arbeiten.

Das große Plus der deutschen Unternehmen und ihrer Mitarbeiter sieht Kraus in ihrer Kultur, ihrer Innovationskraft und der Eigenschaft, neugierig zu sein. „Und wir haben nicht die Angewohnheit nur das zu machen, was der Chef sagt.“ Zwar komme man mit Neugierde alleine nicht ans Ziel. Doch „die Kombination macht’s“, empfiehlt der Unternehmer. Soll heißen: Ein wenig von den USA und ein bisschen von China übernehmen, „ohne die
eigenen Stärken zu vernachlässigen“. Zeit bleibe den Akteuren allerdings nicht. „Der Wandel wandelt sich immer schneller, über alle Branchen hinweg.“ 

Die Notwendigkeit zu weitreichenden Veränderungen sieht Kraus auch bei den Freiräumen für die Beschäftigten. Stichwort Fehlerkultur: Mitarbeiter sollen die Möglichkeit haben, Neues auszuprobieren – und dabei auch scheitern dürfen. „Was nicht funktioniert, bleiben lassen. Was funktioniert, weiter ausbauen“, sagt er. 

Im eigenen Unternehmen hat der Unternehmer diese Kultur längst etabliert, mehr noch: In Future-Days erarbeiten die Beschäftigten eigene Gedanken, in Learning Days bilden sie sich in selbst bestimmten Bereichen weiter und unter dem Stichwort „Spiele“ schafft Omikron sogenannte Gadges wie 3-D-Brille, Roboter oder Drohnen an, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Umgang mit der neuesten Technik lernen. „Es geht nicht darum, dass sich die Leute Wissen aneignen, sondern dass sie sich Fähigkeiten und Flexibilität aneignen.“ Wissen sei heutzutage im Internet abrufbar, meint der Pforz­heimer Digitalexperte. Wichtiger sei: Entscheidungen treffen können und Dinge in die Tat umsetzen.

Intelligenter Waren­korb namens „Predictive Basket“

Der Pforzheimer Experte für Künstliche Intelligenz (KI), Carsten Kraus, wurde als Vertreter von Omikron Data Quality und damit als eines von neun baden-württembergischen Unternehmen der Branche zum Digitalgipfel des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg nach Stuttgart eingeladen.

Dort stellte Kraus als Redner die jüngste Entwicklung seines
Unternehmens vor: eine KI-basierte Lösung namens „Predictive Basket“ (übersetzt „Vorhersagender Warenkorb“). Die Software ermöglicht es Online-Shoppern „auf revolutionäre Weise schneller und bequemer einzukaufen“, wie Kraus sagt. Die Funktions­weise beschreibt er grob umrissen so: Bei Kunden, die beispielsweise regelmäßig Lebensmittel für den täglichen Bedarf via Internet einkaufen, lernt „Predictive Basket“, an welchen Tagen bestimmte Waren geordert werden. 

Anhand dieser Routine stellt die Software eine individuelle Einkaufsliste zusammen, die der Nutzer nur bestätigen muss – und damit auch nichts vergessen kann. Ist etwa montags Schnitzeltag, kommt dies als Vorschlag auf die Einkaufsliste. Oder der Kunde wird erinnert, wenn er von seiner Standard-Bestellung abweicht. Selbst saisonale Schwankungen (Spargel- oder Erdbeer-Zeit) berücksichtigt die künstlich-intelligente Einkaufshilfe. Der österreichische Großhändler Kastner hat die Omikron-KI bereits im Einsatz. gel

Carsten Kraus © Berthold Steinhilber/laif

Carsten Kraus

ist Gründer und Geschäftsführer der Omikron Data Quality GmbH mit Sitz in Pforzheim. Seine erste große Innovation als Jugendlicher war eine Programmiersprache, die ihm Atari abkaufte und zusammen mit 700.000 Computern auslieferte. 1993 wurde die erste Data Quality Software zum Auffinden und Eliminieren von Dubletten ins Leben gerufen. Der Kern-Algorithmus FACT® basierte auf einem neu entwickelten mathematisch-linguistischen Ähnlichkeitsverfahren, das seiner Ansicht nach bekannten Fuzzy- oder Phonetik-Verfahren deutlich überlegen sei. Im Jahr 2001 hatte Kraus die Idee, mit linguistischen KI-Technologien aus der Dublettenprüfung eine kundenfreundlichere eCommerce-Produktsuche zu realisieren. Damit war die Marke FACT-Finder geboren.

Heute ist Omikron ein führendes deutsches Unternehmen im Bereich Datenqualität und mit FACT-Finder europäischer Marktführer für Suche und Navigation in Online-Shops. Kraus sagt: „Als inhabergeführtes Un-
ternehmen können wir uns schnell und flexibel am Markt bewegen. Gleichzeitig entwickeln wir mit unserer eigenen Forschung und Entwicklung herausragende Technologie und treiben so den State of the Art weiter voran. Global werden unsere Technologien von mehr als 2000 Unternehmen eingesetzt“. Zu den Referenzen gehören Namen wie MediaMarkt, Lidl, Fraunhofer, Siemens und Samsung sowie sowie 1&1 und Commerzbank.

Allein in den letzten drei Jahren hat Kraus mehrere Patente zu KI-Verfahren angemeldet. Er ist ein gefragter Redner auf Konferenzen und Tagungen. Zur derzeit rasanten Evolution, der Künstlichen Intelligenz, die mittelfristig die ganze Welt revolutionieren werde, ist sein Credo: „Europas Unternehmen müssen aufholen. Der Zeitpunkt ist – jetzt!“ gel

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