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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Pforzheimer Zeitung setzt Zeichen gegen Krieg - Wunsch nach Frieden könnte nicht aktueller sein

Der 23. Februar ist in der Geschichte Pforzheims ein schwarzer Tag. Große Teile der Innenstadt wurden durch einen Luftangriff zerstört, mehr als 17 000 Menschen kamen ums Leben. Aus diesem Grund leuchtete in der Nacht auf den 24. Februar 2022 eine besondere Friedensbotschaft auf dem Videoboard in der Innenstadt. Der Wunsch nach Frieden könnte aktueller gerade nicht sein.
Die Friedensbotschaft strahlt in die Nacht und könnte aktueller nicht sein. Foto: Claudius Erb, Pforzheimer Zeitung

von Tanja Meckler

Auch 77 Jahre nach dem Bombardement und der Zerstörung Pforzheims ist der 23. Februar gewiss kein normaler Tag in der Goldstadt. Zahlreiche Gedenkveranstaltungen und mehrere Demonstrationen versetzen die Stadt an diesem Tag in einen Ausnahmezustand. In diesem Jahr setzten die „Pforzheimer Zeitung“ und die Onlineplattform „PZ-news“ ein zusätzliches, unmissverständliches Zeichen: „Nie wieder Krieg“ leuchtete in verschiedenen Sprachen auf dem Videoboard in der Innenstadt am Leopoldplatz. Aktueller konnte dieser Appell nicht sein, denn neben der Erinnerung an den Untergang der Stadt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs verwies die leuchtende Mahnung auch an den Krieg in der Ukraine.

In einer Demokratie, in Freiheit, zu leben, ist keine Selbstverständlichkeit. Das wurde in Pforzheim am 23. Februar einmal mehr deutlich.

Fassungslos und voller Sorge blicken nun viele Menschen auf die Ukraine. Was viele befürchtet haben, ist tatsächlich eingetreten. Es herrscht Krieg. Zur aktuellen Situation in der Ukraine sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister von Baden-Württemberg Thomas Strobl:

Die Lage im Osten Europas ist so ernst wie nie zuvor. Wir erleben eine Lage, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa nicht hatten: Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Maske fallen lassen und einen feigen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf einen demokratischen Staat begonnen. In Europa müssen wir nun näher zusammenrücken und die Reihen zwischen den Staaten, in der EU, in der NATO eng geschlossen halten. Wir dürfen die Ukraine in keinem Fall für Europa aufgeben – die Ukraine muss weiterhin ein demokratischer Staat bleiben, der seine Zukunft souverän und eigenständig entscheiden kann.

Thomas Strobl, Innenminister Baden-Württemberg
Thomas Burger, Präsident des Wirtschaftsverbandes wvib Schwarzwald AG. ©wvib

Thomas Burger, Präsident des Wirtschaftsverbandes wvib Schwarzwald AG, äußerte sich am heutigen 24. Februar 2022 ganz deutlich zu den Wirtschaftssanktionen:

Der russische Einmarsch in die Ukraine muss schmerzhafte Konsequenzen für den Aggressor und die Separatisten haben. Wirkungsvolle Sanktionen gegen Russland sind ohne Alternative, wenn wir wieder an den Verhandlungstisch wollen. Strafmaßnahmen werden auch für uns einen wirtschaftlichen Preis haben, der uns nicht abschrecken sollte. Wie sehr Moskau beispielsweise als Reaktion am Gashahn dreht, ist noch nicht absehbar – es dürfte ein Stresstest für die Energieversorgung werden. Freiheit ist nicht nur unbezahlbar, sondern auch Voraussetzung für nachhaltige wirtschaftliche Prosperität.

Thomas Burger, Präsident wvib Schwarzwald AG 

Auf Nachfrage von WirtschaftsKRAFT erhielt die Redaktion von der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut folgende Rückmeldung:

Ich beobachte die Lage in der Ukraine mit größter Sorge – und dies nicht nur als Wirtschaftsministerin. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und damit einen Krieg auf europäischem Boden sind unsere schlimmsten Befürchtungen nun wahrgeworden. Unsere Gedanken sind zunächst bei den betroffenen Menschen in der Region, die mit dem Verlust von Leben, Existenz und Heimat bedroht sind. Ich kann nur weiterhin appellieren und unterstütze alle erdenklichen Anstrengungen der Bundesregierung, die unternommen werden und zweifelsohne noch unternommen werden müssen, um zu einer Befriedung der derzeitigen Situation zu kommen. Wichtig ist nun, dass Europa nun näher zusammenrückt und den Schulterschluss mit den USA, der NATO und den G7 hält.

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, baden-württembergischen Wirtschaftsministerin

Die Wirtschaftsministerin sieht negative wirtschaftliche Auswirkungen des Krieges auch auf Baden-Württemberg zukommen. Das könne für einige Unternehmen einen schweren wirtschaftlichen Rückschlag bedeuten. Was genau die Zukunft bringe, sei noch nicht klar zu sehen, so Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.

Natürlich wirkt sich diese schwere Krise auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen aus. Betroffen sind insbesondere unsere stark exportorientierten Leitbranchen. Insgesamt dürfte sich das allerdings auf einem eher niedrigen Gesamtniveau bewegen. Gleichwohl können einzelne Unternehmen überproportional stark betroffen sein. Baden-Württembergs Wirtschaft ist international sehr diversifiziert aufgestellt. Dabei sind und bleiben die USA unser größter bilateraler Handelspartner. Perspektivisch könnte die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angestrebte Zusammenarbeit mit Russland bei Zukunftsthemen wie Wasserstoff und Gesundheit und zur Bewältigung globaler Herausforderungen im Klimaschutz auch für die baden-württembergische Wirtschaft durchaus Chancen eröffnen. Inwieweit diese aber in Zukunft auch genutzt werden können, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, baden-württembergischen Wirtschaftsministerin

Nur geringe Exportrate in die Ukraine

Ein Sprecher des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg erklärte gegenüber WirtschaftsKRAFT am Telefon, dass Russland und die Ukraine für die baden-württembergische Wirtschaft eher eine kleine Rolle spiele. Die Exporte seien relativ überschaubar. Die Exportrate in die Ukraine beliefe sich auf 0,3 Prozent und die nach Russland liege bei 1,7 Prozent. Allerdings gäbe es natürlich auch einzelne Unternehmen die engere wirtschaftliche Beziehungen pflegen und diese würden die Auswirkungen des aktuellen Krieges natürlich deutlich spüren.

IW: Gaspreis könnte Inflation anheizen

Mittelbare Auswirkungen könnten steigende Energiepreise sein und diese könnten sich auch gravierend auf die Inflationsrate auswirken. An dieser Stelle verwies der Sprecher auf eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).  Auch wenn die Bundesrepublik kurzfristig einen Stopp der Gaslieferungen überstehen könnte, würden die Preise für Gas in die Höhe schnellen, teilte das Institut in einer Pressemitteilung mit und weiter: Falls die Gaspreise stark steigen, drohe das Wirtschaftswachstum in Deutschland 2023 geringer auszufallen. Auch die Inflationsrate würde dann weiter in die Höhe schnellen – bis zu 6,1 Prozent seien realistisch, das zeigten neue Modellsimulationen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

„Wir untersuchen hier nur die möglichen Folgen eines höheren Gaspreises. Der Konflikt bringt schwindendes Vertrauen von Investoren, möglicherweise Handelssanktionen oder Produktionsausfälle mit sich“, sagt Studienautorin Galina Kolev. Ko-Autor Thomas Obst ergänzt: „Die wirtschaftlichen Folgen eines militärischen Konflikts sind kaum abzuschätzen. Die bedeutende Rolle von Energiesicherheit hin zur Klimaneutralität für die deutsche Wirtschaft steht vor einem Scheideweg.“ 

ebm-papst: Kleiner, aber interessanter Vertriebsmarkt

Di ebm‑papst Unternehmensgruppe hat ihre Zentrale in Mulfingen. Gegenüber WirtschaftsKRAFT äußerte sich ein Sprecher des Unternehmens folgendermaßen:

„Für uns ist die Ukraine ein kleiner, jedoch interessanter Vertriebsmarkt. Unsere Ventilatoren liefern wir insbesondere für die Bereiche der Kälte- und Klimatechnik z.B. für die Ausstattung von Supermärkten. Wir beschäftigen in unserer ukrainischen Vertriebsgesellschaft in Kiew neun Mitarbeitenden. Sieben davon arbeiten im Büro und zwei im Lager. Im klaren Fokus für uns stehen natürlich unsere Mitarbeitenden. Mit ihnen sind wir im engen Kontakt und verfolgen die Situation. Derzeit sind alle Mitarbeitenden zu Hause. Die Lage in Kiew sei bisher geordnet und die Menschen würden per Präsidentenansprache regelmäßig über die Medien informiert, so die Rückmeldung.“

Anlagenbauer Zeppelin: Auf Geschäfte in Osteuropa angewiesen

WirtschaftsKRAFT sprach auch mit dem Baumaschinen-Händler und Anlagenbauer Zeppelin mit Sitz in Friedrichshafen.

WirtschaftsKRAFT: Was würde es für Ihr Unternehmen bedeuten, wenn der Handel mit Russland zum Erliegen kommt?

Zeppelin Konzern: Der Zeppelin Konzern ist sowohl in Russland als auch in der Ukraine im Bereich des Anlagenbaus und als Vertriebs- und Servicepartner des US-amerikanischen Baumaschinenherstellers Caterpillar tätig. Darüber hinaus vertreibt der Konzern in der gesamten eurasischen Region auch Landwirtschaftsmaschinen und -produkte anderer Hersteller. Die Vertriebs- und Servicetätigkeit für die Caterpillar Produkte macht einen Großteil des Umsatzes des Unternehmens in dieser Region aus.

Der eurasische Raum, und damit auch Russland und die Ukraine, sind ein sehr wichtiger Markt für uns, vor allem was den Vertrieb und Service von Caterpillar Baumaschinen betrifft. Wir sind ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, in Osteuropa Geschäfte zu machen. Wir haben unsere Organisationen autark aufgebaut, d.h. mit lokalen Managern, die das Geschäft, die Mentalität, den Kunden und die politischen Zusammenhänge vor Ort verstehen. Wir wären stark betroffen, wenn wir auf den ukrainischen und russischen Märkten dieses Geschäft nicht mehr ausüben könnten. Eine Kompensation in anderen Märkten bzw. die Erschließung neuer Märkte ist nicht ohne weiteres möglich. Wir können nicht einfach sagen, wenn das Geschäft in Russland oder der Ukraine wegfällt, verkaufen wir morgen in China. Caterpillar vergibt seine Vertriebs- und Servicegebiete nach bestimmten Kriterien, man sich bewerben etc. Wenn wir Russland oder die Ukraine verlieren, haben wir keinen Ersatz. Deshalb ist diese Situation äußerst brisant für uns. Zeppelin ist aber durch Krisenpläne auf diese ernste Situation vorbereitet.

WirtschaftsKRAFT: Welche Wirtschaftssanktionen wären äußerst dramatisch?

Zepellin Konzern: Die bereits seit 2014 geltenden US-Sanktionen betreffen sowohl Branchen wie Banken und die Öl- und Gasindustrie, als auch Personen. Von diesen Sanktionen sind wir bereits jetzt in vielfältiger Weise betroffen. Wir können Firmen nicht beliefern, weil sie bestimmten Oligarchen oder Präsident Wladimir Putin nahestehenden Personen gehören. Wir haben russische Banken, über die wir nicht mehr finanzieren können. Es gibt jedoch meist westliche Banken, die das übernehmen können. Die Auswirkungen haben wir aber besonders 2015/16 gespürt. Damals ist das Geschäft in der Ukraine in der Folge der Krim-Annexion zusammengebrochen. Wir hatten nur noch 30 Millionen Euro Umsatz gemacht – ein Bruchteil von dem, was wir normalerweise erwirtschaften. Der Umsatz der gesamten osteuropäischen Geschäftseinheit hatte sich damals auf 300 Millionen Euro halbiert.

Die aktuelle Lage und weitere Sanktionen, zum Beispiel die Abtrennung Russlands vom Zahlungssystem SWIFT wird unserer Einschätzung nach zu einer weltweiten Wirtschaftskrise führen.

Bitkom: Ukraine wichtiger Entwicklungspartner der digitalen Wirtschaft

Zur militärischen Invasion der Ukraine durch Russland erklärt Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom: 

Nach einem digitalen Auftakt im Cyberraum mit monatelangen Angriffen auf kritische Infrastrukturen, Unternehmen und Verwaltungen der Ukraine ist nun das Unvorstellbare eingetreten: ein Krieg mitten in Europa, vor unserer Haustür. Bitkom und die digitale Wirtschaft verurteilen die russische Aggression aufs Schärfste. In einer Zeit, in der sich soziale Beziehungen immer stärker in der digitalen Welt entwickeln, in der Werte zunehmend im digitalen Raum entstehen und in der es um Brain statt um Bodenschätze geht, ist dieser brutale und menschenverachtende Feldzug noch sinnloser, als es Kriege ohnehin sind. Die Ukraine mit ihren vielen jungen Tech-Unternehmen und IT-Spezialistinnen und -Spezialisten ist ein wichtiger Entwicklungspartner der digitalen Wirtschaft in Deutschland. Die Digitalunternehmen werden das ihnen Mögliche tun, die Menschen, die nun aus der Ukraine zu uns kommen werden, bestmöglich in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in unserem Land zu integrieren.

Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom

Einbrüche im Tourismus im Südwesten?

Laut Berichten des SWR befürchtet die Stadt Baden-Baden aufgrund des Kriegs in der Ukraine große Einbrüche im Tourismus. Die Kurstadt gilt bei russischen Touristen als sehr beliebt. Auf Nachfrage von WirtschaftsKRAFT wollte sich Margret Mergen, Oberbürgermeisterin von Baden-Baden, zu den aktuellen Vorkommnissen nicht äußern.

Die Stadt  Baden-Baden ist verschwistert mit der Stadt Jalta auf der Halbinsel Krim (seit dem Jahr 2000) und Sotschi in Russland (seit 2012).

Amnesty International: Schreckliche Folgen für die Menschen

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine warnt die internationale Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, vor schrecklichen Folgen für die Menschen in der Ukraine und die Menschenrechte.

„Our worst fears have been realized. After weeks of escalation, a Russian invasion that is likely to lead to the most horrific consequences for human lives and human rights has begun,“ said Amnesty International’s Secretary General Agnès Callamard.

Mittwochabend, 23.Februar 2022: Das Brandenburger Tor wurde ab 18:45 Uhr bis 24:00 Uhr in den Farben der ukrainischen Nationalflagge beleuchtet.

©Senatskanzlei Berlin.

Der PZ-Spot „Nie wieder Krieg“

Die Pforzheimer Zeitung setzt mit der Botschaft „Nie wieder Krieg!“ auf ihrem Videoboard am Leopoldplatz ein unmissverständliches Zeichen. Foto: Claudius Erb, Pforzheimer Zeitung
Die Pforzheimer Zeitung setzt mit der Botschaft „Nie wieder Krieg!“ auf ihrem Videoboard am Leopoldplatz ein unmissverständliches Zeichen. Foto: Claudius Erb, Pforzheimer Zeitung

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