Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
Von Gerd Lache | 15.08.2022
Startups gelten als flexibel, reaktionsschnell und risikobehaftet. Im Gegensatz dazu tun sich etablierte Unternehmen mit ihren teils starren Strukturen und überlieferten Prozessen gelegentlich schwer damit, schnell zukunftsweisende Antworten auf bevorstehende Marktveränderungen zu geben. Manche gründen deshalb Corporate Startups, also Firmen-Eigengewächse, die Produkt- oder Prozess-Innovationen beschleunigt entwickeln sollen. Andere kooperieren mit externen Inkubatoren und Acceleratoren, beteiligen sich an deren Wertschöpfungsmodellen oder übernehmen sie vollständig.
„Wer keine Zeit für eine Zusammenarbeit mit Start-ups hat, hat offenbar keine Zeit für die Zukunft seines Unternehmens“, urteilte Bitkom-Präsident Achim Berg schon vor längerer Zeit. Etablierten Unternehmen mangelt es Bitkom zufolge oft an Tech-Know-how und Erfahrungen im Einsatz innovativer Technologien wie Künstliche Intelligen (KI) oder Blockchain. Start-ups fehle es häufig an Auftraggebern und Marktzugang. „Dies wäre eine ideale Grundlage für Kooperationen, und dennoch kommen Mittelstand und Konzerne nur selten mit Start-ups zusammen“, bedauert der Digitalverband in seiner jüngsten Mitteilung.
Demnach kooperieren gerade einmal 24 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit Start-ups. So das Ergebnis einer Befragung von 604 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. 71 Prozent haben keine Start-up-Kooperation, 5 Prozent machten keine Angabe.
„Kaum ein Unternehmen wird in Zukunft noch ohne digitales Geschäftsmodell auskommen. Gerade für den Mittelstand ist die Zusammenarbeit mit Start-ups oft der beste Weg, Zugang zu neuen Technologien und digitalen Innovationen zu bekommen“, betont der Bitkom-Präsident und sagt: „Aktiv auf Gründerinnen und Gründer zuzugehen und den Austausch zu suchen, kann dem eigenen Unternehmen starke Wettbewerbsvorteile verschaffen.“
Den Beleg für die Aussage von Achim Berg liefert die international agierende Endress+Hauser-Gruppe mit Headquarter in Reinach (Schweiz) und unter anderem mit baden-württembergischen Standorten in Stuttgart und Gerlingen sowie Maulburg und Weil am Rhein.
Bei Endress+Hauser hat die Start-up-Kultur eine lange Tradition. „Unser Unternehmen ist selbst aus einem Start-up hervorgegangen“, sagt CEO Matthias Altendorf. Er steht seit 2014 an der Spitze des weltweit führenden Anbieters von Messgeräten, Dienstleistungen und Lösungen für die industrielle Verfahrenstechnik. 1953 gründeten in Lörrach der Schweizer Ingenieur Georg H. Endress und der Deutsche Ludwig Hauser einen Kleinbetrieb im Wohnzimmer.
Heute beschäftigt die Endress+Hauser Gruppe – die ihre familiengeprägte Firmen- und Führungsstruktur bewusst beibehalten hat – weltweit mehr als 15.000 Mitarbeitende und wies für 2021 einen Nettoumsatz von rund 2,9 Milliarden Euro aus. Die Eigenkapitalquote stieg um 2,1 Punkte auf 79,1 Prozent.
Bevorzugt Endress+Hauser das „hauseigene“ Corporate Start-up oder die externe Lösung? „Das ist von der Situation und vom Ziel abhängig“, erklärt Altendorf. Grundsätzlich gehe es um zwei Stoßrichtungen: Entweder man wolle Technologie und Knowhow ins Unternehmen holen oder man wolle sich Marktzugang verschaffen.
Ein Beispiel: In Berlin sei ein Unternehmen gegründet worden, das neue Wege im Online-Vertrieb erkunden sollte. „Da haben wir viel gelernt, insbesondere was das Schaffen von Kundennähe im virtuellen Raum betrifft“, sagt der CEO. Erkenntnisse und Erfahrungen seien in die Endress+Hauser-Website eingeflossen, die umfassende Shop-Funktionen biete. Noch bewegten sich die Online-Erlöse, gemessen am Gesamtumsatz, im niedrigen Prozentbereich. „Aber 2020, beschleunigt durch die Corona-Krise, hat sich das digitale Geschäft verdoppelt.“
Weiteres Start-up-Beispiel: An der Universität Freiburg hat Endress+Hauser das Sensor Automation Lab aufgebaut. Ein Team von Wissenschaftlern, Forschern und Entwicklern soll dort an innovativen Sensortechnologien arbeiten. Es gehe es darum, „nach Ideen und Technologien zu suchen, die unsere Kunden in ein paar Jahren benötigen könnten“.
Aufgrund einer strategischen Entscheidung, wonach das Unternehmen verstärkt in die Analyse von Materialien und Stoffeigenschaften einsteigen will, wurden zudem verschiedene Firmen erworben. „Darunter sind ebenfalls Start-ups, die gute Technologien entwickelt und zur Marktreife gebracht haben.“
In welcher Form unterstützt das Mutterhaus die jungen, agilen Töchter ? Die Finanzierung sei das eine, sagt der CEO. „Darüber hinaus können wir sie entlasten, indem wir bestimmte Funktionen unterstützen, sei es im Personalbereich oder mit der Buchhaltung.“ Was diesen Firmen mit ihren wegweisenden Technologien und Produkten oft helfe, sei die Unterstützung beim Marktzugang und der Industrialisierung.
Die jahrzehntelange Erfahrung von Endress+Hauser, insbesondere in der Produktentwicklung und im Fertigungsbereich, ist Altendorf zufolge ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Start-ups. „Da können wir sehr viel Wissen einbringen. Den jungen Firmen erspart das eine Menge an Lernschmerz.“
Unterdessen macht der CEO deutlich: „Ebenso wichtig wie die Technologie ist für uns die Firmenkultur eines Start-ups, sie muss zu Endress+Hauser passen.“ Für den Erfolg sei es entscheidend, dass „nicht zwei Welten aufeinander prallen“. Sonst gebe es spätestens dann Probleme, wenn solch ein Unternehmen integriert werden soll.
Von Gerd Lache | 15.08.2022
Startups gelten als flexibel, reaktionsschnell und risikobehaftet. Im Gegensatz dazu tun sich etablierte Unternehmen mit ihren teils starren Strukturen und überlieferten Prozessen gelegentlich schwer damit, schnell zukunftsweisende Antworten auf bevorstehende Marktveränderungen zu geben. Manche gründen deshalb Corporate Startups, also Firmen-Eigengewächse, die Produkt- oder Prozess-Innovationen beschleunigt entwickeln sollen. Andere kooperieren mit externen Inkubatoren und Acceleratoren, beteiligen sich an deren Wertschöpfungsmodellen oder übernehmen sie vollständig.
„Wer keine Zeit für eine Zusammenarbeit mit Start-ups hat, hat offenbar keine Zeit für die Zukunft seines Unternehmens“, urteilte Bitkom-Präsident Achim Berg schon vor längerer Zeit. Etablierten Unternehmen mangelt es Bitkom zufolge oft an Tech-Know-how und Erfahrungen im Einsatz innovativer Technologien wie Künstliche Intelligen (KI) oder Blockchain. Start-ups fehle es häufig an Auftraggebern und Marktzugang. „Dies wäre eine ideale Grundlage für Kooperationen, und dennoch kommen Mittelstand und Konzerne nur selten mit Start-ups zusammen“, bedauert der Digitalverband in seiner jüngsten Mitteilung.
Demnach kooperieren gerade einmal 24 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit Start-ups. So das Ergebnis einer Befragung von 604 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. 71 Prozent haben keine Start-up-Kooperation, 5 Prozent machten keine Angabe.
„Kaum ein Unternehmen wird in Zukunft noch ohne digitales Geschäftsmodell auskommen. Gerade für den Mittelstand ist die Zusammenarbeit mit Start-ups oft der beste Weg, Zugang zu neuen Technologien und digitalen Innovationen zu bekommen“, betont der Bitkom-Präsident und sagt: „Aktiv auf Gründerinnen und Gründer zuzugehen und den Austausch zu suchen, kann dem eigenen Unternehmen starke Wettbewerbsvorteile verschaffen.“
Den Beleg für die Aussage von Achim Berg liefert die international agierende Endress+Hauser-Gruppe mit Headquarter in Reinach (Schweiz) und unter anderem mit baden-württembergischen Standorten in Stuttgart und Gerlingen sowie Maulburg und Weil am Rhein.
Bei Endress+Hauser hat die Start-up-Kultur eine lange Tradition. „Unser Unternehmen ist selbst aus einem Start-up hervorgegangen“, sagt CEO Matthias Altendorf. Er steht seit 2014 an der Spitze des weltweit führenden Anbieters von Messgeräten, Dienstleistungen und Lösungen für die industrielle Verfahrenstechnik. 1953 gründeten in Lörrach der Schweizer Ingenieur Georg H. Endress und der Deutsche Ludwig Hauser einen Kleinbetrieb im Wohnzimmer.
Heute beschäftigt die Endress+Hauser Gruppe – die ihre familiengeprägte Firmen- und Führungsstruktur bewusst beibehalten hat – weltweit mehr als 15.000 Mitarbeitende und wies für 2021 einen Nettoumsatz von rund 2,9 Milliarden Euro aus. Die Eigenkapitalquote stieg um 2,1 Punkte auf 79,1 Prozent.
Bevorzugt Endress+Hauser das „hauseigene“ Corporate Start-up oder die externe Lösung? „Das ist von der Situation und vom Ziel abhängig“, erklärt Altendorf. Grundsätzlich gehe es um zwei Stoßrichtungen: Entweder man wolle Technologie und Knowhow ins Unternehmen holen oder man wolle sich Marktzugang verschaffen.
Ein Beispiel: In Berlin sei ein Unternehmen gegründet worden, das neue Wege im Online-Vertrieb erkunden sollte. „Da haben wir viel gelernt, insbesondere was das Schaffen von Kundennähe im virtuellen Raum betrifft“, sagt der CEO. Erkenntnisse und Erfahrungen seien in die Endress+Hauser-Website eingeflossen, die umfassende Shop-Funktionen biete. Noch bewegten sich die Online-Erlöse, gemessen am Gesamtumsatz, im niedrigen Prozentbereich. „Aber 2020, beschleunigt durch die Corona-Krise, hat sich das digitale Geschäft verdoppelt.“
Weiteres Start-up-Beispiel: An der Universität Freiburg hat Endress+Hauser das Sensor Automation Lab aufgebaut. Ein Team von Wissenschaftlern, Forschern und Entwicklern soll dort an innovativen Sensortechnologien arbeiten. Es gehe es darum, „nach Ideen und Technologien zu suchen, die unsere Kunden in ein paar Jahren benötigen könnten“.
Aufgrund einer strategischen Entscheidung, wonach das Unternehmen verstärkt in die Analyse von Materialien und Stoffeigenschaften einsteigen will, wurden zudem verschiedene Firmen erworben. „Darunter sind ebenfalls Start-ups, die gute Technologien entwickelt und zur Marktreife gebracht haben.“
In welcher Form unterstützt das Mutterhaus die jungen, agilen Töchter ? Die Finanzierung sei das eine, sagt der CEO. „Darüber hinaus können wir sie entlasten, indem wir bestimmte Funktionen unterstützen, sei es im Personalbereich oder mit der Buchhaltung.“ Was diesen Firmen mit ihren wegweisenden Technologien und Produkten oft helfe, sei die Unterstützung beim Marktzugang und der Industrialisierung.
Die jahrzehntelange Erfahrung von Endress+Hauser, insbesondere in der Produktentwicklung und im Fertigungsbereich, ist Altendorf zufolge ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Start-ups. „Da können wir sehr viel Wissen einbringen. Den jungen Firmen erspart das eine Menge an Lernschmerz.“
Unterdessen macht der CEO deutlich: „Ebenso wichtig wie die Technologie ist für uns die Firmenkultur eines Start-ups, sie muss zu Endress+Hauser passen.“ Für den Erfolg sei es entscheidend, dass „nicht zwei Welten aufeinander prallen“. Sonst gebe es spätestens dann Probleme, wenn solch ein Unternehmen integriert werden soll.
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