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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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„Queer Career“ oder Mobbingopfer? LSBTIQA+ Menschen haben es im Beruf oft schwer

Ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld, das auch queere Menschen einschließt: Dieses Ziel unterschreiben wohl die meisten Personalverantwortlichen sofort. Nur wo anfangen? Und mit welchen Problemen haben Betroffene im Arbeitsalltag zu kämpfen? Antidiskriminierungs-Expertin Johannah Illgner lieferte im Rahmen eines Online-Referats Einblicke.
Antidiskriminierungs-Expertin Johannah Illgner sieht Entwicklungsbedarf beim Thema diversitätsfreundliches Arbeitsumfeld. Fotos: Sabine Arndt

15.07.2024

von Christian Roch

„Queer at Work – LSBTIQ* in der Arbeitswelt“ lautete das Thema des Online-Vortrags, zu dem die Kontaktstelle Frau und Beruf der Stadt Mannheim im Rahmen ihrer „Digital Lunch“-Veranstaltungsreihe geladen hatte. Als Referentin konnte die Politikwissenschaftlerin und Ethnologin Johannah Illgner gewonnen werden. Illgner ist unter anderem Mitgründerin der Beratung „Queer Career
und Geschäftsführerin von Plan W, einer Agentur für strategische Beratung aus Heidelberg.

Queere Menschen leiden unter Ausgrenzung

Unter dem Oberbegriff „queer“ werden alle geschlechtlichen Identitäten zusammengefasst, die von der traditionellen „cis“ Norm (Mann oder Frau und heterosexuell) abweichen. Die Abkürzung LSBTIQA+ umfasst beispielsweise lesbische, schwule, bisexuelle, trans, inter, queere, asexuelle und weitere (+) Identitäten. Nun sollte man meinen, geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung seien Privatsache und würden im modernen Arbeitsleben keine Rolle spielen. Johannah Illgner präsentierte aber ganz andere Zahlen: „Zwar ist die Studienlage zu Genderthemen in der Arbeitswelt noch dünn. Was wir aber wissen, ist, dass zwei Drittel der Lesben und Schwulen und jeweils rund die Hälfte der bisexuellen und trans Personen bereits AGG-relevante Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz gemacht haben (AGG = Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).“ Diese Diskriminierungen reichten von Tuscheleien und unangemessenen Anmerkungen über Mobbing bis zu körperlicher Gewalt. Trans Personen beispielsweise würden am Arbeitsplatz oft mit ihrem früheren Geburtsnamen angesprochen („Deadnaming“). Auch würden viele gezwungen, weiter die Toilette für das abgelegte Geschlecht zu benutzen. Kein Wunder, dass sich laut einer Umfrage nur 30 Prozent der trans Personen von KollegInnen respektvoll behandelt fühlten.

Diversitätsfreundliches Umfeld ist Führungsaufgabe

Angesichts dieser Zahlen ist es verständlich, dass die Mehrzahl der queeren Menschen davor zurückschreckt, ihre Identität am Arbeitsplatz preiszugeben. Dabei bestünden aber je nach Branche und Beruf erhebliche Unterschiede. Johannah Illgner berichtete, dass in ihrer Beratungsstelle „Queer Career“ besonders viele LehrerInnen Rat suchten. Wie können nun Arbeitgeber Diversität in ihrer Organisation unterstützen, ohne einen Teil der Belegschaft zu überfordern? Illgner sieht Arbeitgeber in einem Dilemma: „Wird Diversität mit dem Hammer verordnet, fühlen sich viele Mitarbeitende brüskiert. Fehlt wiederum ein klares Bekenntnis zu Vielfalt, reagierten queere Menschen mit Unsicherheit und Rückzug.“

Mit gutem Beispiel führen

Johannah Illgner empfahl den Zuhörenden – viele davon selbst beruflich mit Gleichstellungsthemen betraut – in behutsamen Schritten vorzugehen. Am Anfang stehe das Bekenntnis der Leitungsebene zu Diversität und Toleranz. Danach müsse der Aufbau von Vielfaltskompetenzen und die Bereitstellung personeller, organisatorischer und finanzieller Ressourcen für Diversity-Management folgen. Auch Networking-Möglichkeiten könnten das Arbeitsumfeld für queere Personen verbessern, so Illgner. „Diversity Management ist eine Aufgabe, die in einen Regelkreis eingebunden sein muss: Bekenntnis – Verantwortlichkeiten – Analyse – Strategie – Maßnahmen – Evaluierung – Optimierung.“

Betroffene mit einbeziehen

Als Fazit ihres Vortrags empfahl Johannah Illgner: „Diversitätsfreundliche Unternehmenskultur muss von innen entwickelt werden, bevor sie nach außen deklariert wird.“ Eine Teilnehmerin betonte in der anschließenden Diskussion den Abstrahleffekt von diversitätsfreundlicher Unternehmensführung: Sie werde auch von anderen Personengruppen positiv wahrgenommen. Hierzu zählten vor allem Frauen, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund. Zum Abschluss hatte Illgner einen einfachen Tipp parat: „Fragen Sie die Betroffenen in Ihrer Organisation, was die wichtigen Themen sind und worauf man vielleicht erst einmal verzichten kann. Auf dieser Basis entwickeln Sie dann einen Stufenplan, der sich an Bedürfnissen und Ressourcen aller Beteiligten orientiert“.

Informationen und Anlaufstellen liefert die Broschüre „Queer at Work – LSBTIQ* in der Arbeitswelt“. Sie kann über das Sozialministerium Baden-Württemberg bezogen werden.

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