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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Jobsharing am Flughafen Stuttgart: Kai und Simon sind das Tandem 'Kaimon' und knacken Stereotypen

Jobsharing ist mehr als ein Buzzword. Wie zwei Männer im Tandem die Kommunikation am Stuttgarter Flughafen meistern und wie das Modell „Kaimon“ zu einem Vorbild für eine flexible Arbeitskultur wird, lesen Sie hier.
Kai Leitenberger und Simon Kirchgeßner teilen sich am Flughafen Stuttgart eine gemeinsame Stelle. Sie sind das Tandem Kaimon. Foto: Flughafen Stuttgart

06.11.2024

"Ich finde, dass es heute selbstverständlich sein sollte, dass Männer ebenfalls den Spagat zwischen Beruf und Familie schaffen müssen, und dies nicht nur das Thema der Frauen sein sollte."
Simon Kirchgeßner

von Tanja Meckler

Family, Karriere, Master – Eine Erfolgsgeschichte im Doppelpack

Content statt Cockpit

Der Flughafen Stuttgart ist ein lebendiger Mikrokosmos. Über 10.000 Menschen arbeiten auf dem Campus, davon rund 1.000 direkt für die Flughafen Stuttgart GmbH. Inmitten dieser Vielfalt, Kai Leitenberger und Simon Kirchgeßner das Kommunikationstandem.

„Seid ihr Piloten?“ Die Frage müssen sich Kai Leitenberger und Simon Kirchgeßner immer wieder anhören, wenn sie erzählen, dass sie am Flughafen arbeiten. Dabei kümmern sie sich nicht um den Flugverkehr, sondern um die gesamte Kommunikation des Stuttgarter Flughafens: von Social Media über Pressearbeit bis hin zu den Texten im Airport-Magazin. Das Besondere? Die Beiden teilen sich eine Stelle. Auf dem Campus des Flughafens arbeiten heute über 10 000 Menschen. Bei der Flughafenbetreiberin, der Flughafen Stuttgart GmbH, arbeiten rund 1.000 Personen. Sie sind in rund 100 verschiedenen Berufen tätig. Von Anlagenmechanikern über Bauingenieurinnen bis hin zu Jobs in der Gärtnerei: Ständig kommen neue Aufgabenbereiche hinzu. Diese Vielfalt bietet auch Chancen, wie das Beispiel von Simon Kirchgeßner und Kai Leitenberger zeigt. Die Belegschaft hat dem Tandem inzwischen den Spitznamen Kaimon gegeben.

Eltern, Studierende, Kollegen – und doch ein starkes Team

Für Simon Kirchgeßner war klar, dass er nach seiner Elternzeit in den Job zurückwollte – aber nicht gleich in Vollzeit. Auch ihm ist das Phänomen der „Tradwives“ auf Social Media aufgefallen, die sich klar in klassischen Rollen sehen. „Ich finde das keine gute Entwicklung“, meint er. Auch bei der Care-Arbeit bevorzugt er Jobsharing. Deshalb kümmerte er sich auch um die Eingewöhnung seiner Tochter in die Kita und diese lief zu Beginn eher zäh. „Als Mann in Elternzeit ist man auf dem Spielplatz oder in der Krabbelgruppe noch oft ein Exot“, erzählt er und berichtet von erstaunten Blicken und Fragen: „Was, so lange Elternzeit? Magst du deinen Job nicht? Irgendwie scheint sich das noch nicht so richtig durchgesetzt zu haben, dass man seinen Job gerne machen kann, und gleichzeitig engagierter Papa sein möchte.“ Als Kirchgeßner in Elternzeit gegangen ist, übernahm Kai Leitenberger die Stelle in Elternzeitvertretung zu 100% – hatte dann aber auch das Ziel einen Master berufsbegleitend zu absolvieren.

Die gemeinsame Vorgesetzte Rebekka Knauß kam auf die Idee, die Aufgaben der Stelle aufzuteilen. „Die Stelle, deren Aufgaben sich Simon und Kai teilen, war nie offiziell als klassische Job-Sharing-Stelle ausgeschrieben – es lag aufgrund der Gegebenheiten nahe, dass sich Simon und Kai die Aufgaben teilen. Der Flughafen Stuttgart ist prinzipiell ein Unternehmen, bei dem Eltern keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie Familie und Beruf vereinbaren wollen. Und auch, als ich mit Kais Wunsch, Studium und Job zu vereinbaren, in die höheren Leitungsebenen und in die Personalabteilung gegangen bin, wurde das verstanden“, so Knauß.

Rebekka Knauß ist die Vorgesetzte von Simon Kirchgeßner und Kai Leitenberger. Sie kam auf die Idee einer geteilten Stelle. Foto: Flughafen Stuttgart

Horrorszenarien und warum sie sich nicht bewahrheiteten

Natürlich war das Modell nicht ganz ohne Herausforderungen. Beide machten sich Gedanken über ständige Übergaben und die Frage, wer wann für welches Projekt verantwortlich ist. Doch die anfänglichen Bedenken erwiesen sich schnell als unbegründet. Statt Konkurrenzdenken entstand eine Zusammenarbeit, die auf klarer Absprache und gegenseitigem Verständnis basiert. „Wir kannten uns davor gar nicht. Am Anfang haben wir kurz gebraucht, um ein gutes Setup zu finden. Was weniger an uns beiden lag, sondern eher an der Frage von anderen Kolleginnen und Kollegen: Wen schreibe ich jetzt zu was und wann an? Die Antwort ist: Beide. Und wir teilen es dann untereinander auf, je nach Lage. Und durch mein Studium an der Hochschule der Medien, wo viele Teamprojekte anstehen, arbeite ich gut und gerne im Team“, erzählt Kai Leitenberger

„Von der Arbeitsweise her sind Simon und Kai wie Tag und Nacht. Kai plant gerne im Voraus und ist unglaublich strukturiert. Er ist vorausschauend und vergisst nie etwas. Simon ist der intuitivere, der sich keine Sorgen macht, wenn einen Tag vor Deadline der Text noch nicht fertig ist. Beide sind unglaublich gut und produzieren hervorragende Ergebnisse, eben jeder auf seine Art. Mir war es wichtig, dass sie sich als Ergänzung und nicht als Konkurrenz sehen – und jeder die Eigenheiten des Anderen akzeptiert und als Vorteil begreift. Das hat zum Glück geklappt – mit kluger Verteilung der Aufgaben, aber insbesondere, weil die Beiden einfach ein tolles Mindset mitbringen. Offen, cool, verzeihend, selbstbewusst auf eine gute Art, super teamfähig. Ich wollte ‚Kaimon‘ nicht missen“, so Rebekka Knauß über ihre beiden Teammitglieder.

Der Arbeitsplatz von Kai und Simon, wenn sie Fotoshootings betreuen. Für dieses Motiv waren sie morgens um 05.00 Uhr vor dem Start der ersten Flugzeuge mit ihrem Fotograf auf dem Vorfeld unterwegs. Foto: Flughafen Stuttgart

Was anderen Unternehmen als Risiko für Konflikte erscheinen mag, entpuppte sich am Flughafen Stuttgart als fruchtbare Zusammenarbeit. „Wir können offen über alles reden. Und alle Beteiligten sind erwachsen-reflektiert. Außerdem ist uns Humor wichtig – und so kriegen wir eigentlich alle auch schwierigen Situationen gut gewuppt. Außerdem kann ich aus meiner eigenen Biographie heraus beide sehr gut verstehen. Ich war lange zwischen Wissenschaft und Journalismus – und habe als Working Mum von Zwillingen noch immer die Herausforderung Job – und Familie zu stemmen“, erzählt Rebekka Knauß.

Wie funktioniert die Arbeitsaufteilung konkret?

„Wir haben gemeinsame Office-Tage, um uns abzustimmen, und den Rest machen wir asynchron und digital“, erzählt Kai Leitenberger. Gerade die asynchrone Kommunikation erfordert aber auch Vertrauen und gegenseitige Transparenz. Kai und Simon stellen sicher, dass der jeweils andere immer alle nötigen Infos hat und nicht das Gefühl entsteht, der eine würde nur die „spannenden“ Aufgaben übernehmen. „Keiner von uns betreibt Cherry Picking, sondern arbeitet auch eher halb-spannende Themen ohne zu Zögern ab.“, so Leitenberger. Simon Kirchgeßner ergänzt: „Wir sind beide recht uneitel. Es kommt schon mal vor, dass Kai gefragt wird, ob das Kind wieder gesund ist, und ich ein Lob kassiere, das Kai gebührt. Das lassen wir meist dann einfach so stehen – vermutlich funktioniert es deshalb auch so gut.“ Die Stunden, die sie gemeinsam für den Flughafen arbeiten, variieren projektabhängig; im Sommer waren es etwa 24 Stunden pro Woche für jeden.

Ein Modell mit Vorbildfunktion? Was Unternehmen von „Kaimon“ lernen können

Der Flughafen Stuttgart profitiert von der flexiblen Arbeitsweise und dem Engagement der beiden Kommunikationsprofis. „Identifikation mit dem Job hat wenig damit zu tun, wie viele Stunden man im Büro ist“, sagt Kai Leitenberger. Beide sehen ihren Job nicht isoliert, sondern nehmen berufliche und private Erfahrungen gleichermaßen als Chance, dazuzulernen. Kais Studienwissen ergänzt sich mit Simons familiärer Perspektive und bringt neue Ansätze in die Arbeit ein – ein Mix, der dem Unternehmen guttut.

„Ich habe auch während meines Bachelor-Studiums immer nebenher gearbeitet, damals für einen Abgeordneten im Deutschen Bundestag, war es also schon gewohnt, Job und Studium unter einen Hut zu bekommen. Und ich habe Kurse auch nach den Vorlesungsslots gewählt, zum Beispiel einige Blockseminare am Wochenende belegt, sodass ich unter der Woche einen Tag keine Kurse hatte, und so montags meinen Office-Tag am Airport beibehalten konnte. Jetzt habe ich alle Vorlesungen abgeschlossen und schreibe an meiner Masterarbeit. Was mir geholfen hat, war, im Privaten für ein bisschen Ausgleich zu sorgen, zum Beispiel mit gemeinsamen Stadionbesuchen beim VfB oder beim Fußball mit Freunden“, erzählt Kai.

„Jobsharing bringt frische Perspektiven“

Auch die Flughafen Stuttgart GmbH selbst profitiert von dieser Arbeitsaufteilung. Rebekka Knauß betont: „Wenn Unternehmen den Menschen die Chance geben, private Projekte nicht ausklammern zu müssen, profitieren beide Seiten. Ich selbst bin dem Flughafen sehr dankbar, dass ich auch in Teilzeit immer viel Verantwortung übernehmen durfte. Ich habe von meinen Führungskräften da viel Vertrauen bekommen, und das gebe ich weiter. Unsere Ergebnisse sind ganz sicher nicht schlechter. Im Gegenteil.“ Und Simon Kichgeßner fügt dazu:“: Versuchen wir es mal mit einer Rechnung: zwei Mal 100% Motivation verpackt in zwei Menschen, die jeweils andere Stärken einbringen. Wie viel Prozent Arbeitsleistung kommen da wohl heraus . Ich würde behaupten, dass ich bei gleicher Motivation wesentlich effizienter werden musste und ich kann mich auch ab und zu abstimmen, das hilft.“

Und wie lange soll das Modell noch laufen?

Auf diese Frage gibt es derzeit keine endgültige Antwort. Ein weiteres Kind ist bei Simon bereits unterwegs. Kai Leitenberger meint: „Außerdem vertrete ich zeitweise auch in der politischen Kommunikation, es ist also nichts in Stein gemeißelt. Aber rein von der Zusammenarbeit und der Vertrauensbasis, die wir uns gemeinsam aufgebaut haben, könnten wir es noch viele Jahre so weitermachen.“

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