Oliver Reitz
Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)
20.12.2024
von Christian Roch
Für viele Firmen in Deutschland war das Geschäftsjahr 2024 buchstäblich das letzte: Laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform gab es 22.400 Unternehmensinsolvenzen – rund ein Viertel mehr als im Vorjahr. Schätzungsweise 320.000 Arbeitsplätze gingen dadurch verloren. Auch in der Region Nordschwarzwald häuften sich die Krisenfälle. Der Stanzspezialist H2Stamping (vormals Härter) in Königsbach-Stein meldete Insolvenz in Eigenregie an, Entlassungen sind wahrscheinlich. Beim Technologieunternehmen Inovan in Birkenfeld müssen 140 der 400 Mitarbeitenden gehen. Die Pforzheimer STARK Druck GmbH + Co. KG, eine der größten Rollenoffset-Druckereien Europas, versucht, sich im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens zu sanieren, während der Betrieb weitergeführt wird.
„Wir müssen mit weiteren Insolvenzen rechnen, ebenso mit einer Zunahme von Kurzarbeit und Stellenabbau“ prophezeit Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald, gegenüber WirtschaftsKRAFT. Auch Martina Lehmann, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, sieht das Ende des Tunnels 2025 noch nicht erreicht: „Die angespannte konjunkturelle Situation bedroht die Existenz zahlreicher Unternehmen auch in unserer Region. Neben Auftragsmangel, hohen Energiekosten und internationalem Wettbewerbsdruck erhöhen angekündigte Stellenstreichungen großer Unternehmen wie VW, Bosch oder ZF die Unsicherheit am Arbeitsmarkt.“ Es sei darum wahrscheinlich, dass die Negativmeldungen auch in den kommenden Monaten anhielten.
Gefährdet sieht Arbeitsagentur-Chefin Lehmann insbesondere die Automobilzulieferer der Region. Sie bekämen die massiven Umbrüche der Branche immer stärker zu spüren: „Viele sind gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken. Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlen oft die Ressourcen, um den notwendigen Wandel zu bewältigen. Nach meiner Beobachtung steht auch der Maschinenbau mit Blick auf den internationalen Wettbewerb zunehmend unter Druck.“ Wirtschaftsförderer Protzer mutmaßt, dass vor allem Firmen, die lange Zeit nur für wenige Großkunden produziert haben, dabei überfordert sind, sich neu aufzustellen: „Zunehmender Umsatzrückgang bei schrumpfenden Märkten, nicht aktiv geführtes Neukundengeschäft und steigende Lohn- und Energiekosten gehören dort häufig zu den Herausforderungen.“
Das Gros der notleidenden Unternehmen verschwindet übrigens lautlos von der Bildfläche: Über 81 Prozent der Pleitefirmen in Deutschland haben laut Creditreform zehn oder weniger Mitarbeitende. Größere Firmen wie die genannten H2Stamping und Inovan sowie die von Entlassungen betroffenen Gemeinden erhalten mehr Aufmerksamkeit: Im Landratsamt Enzkreis und bei der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim bündelt man aktuell die Kräfte, um freigesetztes Personal schnell in Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahmen zu bringen. „Ich freue mich sehr, dass uns der Landkreis und die betroffenen Gemeinden zur Seite stehen, das ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg unserer Bemühungen“, betont Martina Lehmann. „Wir können mit sehr vielen Maßnahmen unterstützen und tun dies auch bereits. Dazu gehören spezifische Beratungsangebote, Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld sowie die Vermittlung und Transfermaßnahmen für betroffene Mitarbeitende. Mit diesen Angeboten können wir dazu beitragen, Beschäftigung zu sichern, Fachkräfte zu halten und die Auswirkungen wirtschaftlicher Schwierigkeiten abzumildern.“
Noch liegt die Zahl der Firmenpleiten unter den Rekordzahlen der Jahre 2009 und 2010 – der Hochzeit von Euro- und Finanzkrise. Eine gute Nachricht für Krisenbetriebe in der Region ist auch die beschlossene Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf maximal 24 Monate. Damit können auch bei längeren Durststrecken Entlassungen vermieden oder zumindest aufgeschoben werden. Insgesamt, findet Martina Lehmann, sei die regionale Wirtschaft darüber hinaus widerstandsfähiger, als es die trübe Stimmung vermuten lässt. „Positive Anzeichen sehe ich in den Bereichen Gesundheit und Pflege, Erziehung oder beispielsweise dem Bildungssektor. Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Handwerk gibt es nach wie vor gute Beschäftigungschancen.“ Wirtschaftsförderer Protzer sieht die Wirtschaftsregion ebenfalls gut aufgestellt, um gestärkt aus der Flaute zu gehen.
Viele Unternehmen verfügen über hervorragende Produkte und wettbewerbsfähige Prozesse, weitsichtig agierende Führungskräfte und engagierte Mitarbeitende. Wir sehen vielerorts einen modernen Maschinenpark und hohe Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Wenn sich die momentane Zurückhaltung bei Investitionsentscheidungen auflöst, können Chancen genutzt und Produktionen auch schnell wieder hochgefahren werden.
Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald
20.12.2024
„Die angespannte konjunkturelle Situation bedroht die Existenz zahlreicher Unternehmen auch in unserer Region. Neben Auftragsmangel, hohen Energiekosten und internationalem Wettbewerbsdruck erhöhen angekündigte Stellenstreichungen großer Unternehmen wie VW, Bosch oder ZF die Unsicherheit am Arbeitsmarkt.“
von Christian Roch
Für viele Firmen in Deutschland war das Geschäftsjahr 2024 buchstäblich das letzte: Laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform gab es 22.400 Unternehmensinsolvenzen – rund ein Viertel mehr als im Vorjahr. Schätzungsweise 320.000 Arbeitsplätze gingen dadurch verloren. Auch in der Region Nordschwarzwald häuften sich die Krisenfälle. Der Stanzspezialist H2Stamping (vormals Härter) in Königsbach-Stein meldete Insolvenz in Eigenregie an, Entlassungen sind wahrscheinlich. Beim Technologieunternehmen Inovan in Birkenfeld müssen 140 der 400 Mitarbeitenden gehen. Die Pforzheimer STARK Druck GmbH + Co. KG, eine der größten Rollenoffset-Druckereien Europas, versucht, sich im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens zu sanieren, während der Betrieb weitergeführt wird.
„Wir müssen mit weiteren Insolvenzen rechnen, ebenso mit einer Zunahme von Kurzarbeit und Stellenabbau“ prophezeit Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald, gegenüber WirtschaftsKRAFT. Auch Martina Lehmann, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, sieht das Ende des Tunnels 2025 noch nicht erreicht: „Die angespannte konjunkturelle Situation bedroht die Existenz zahlreicher Unternehmen auch in unserer Region. Neben Auftragsmangel, hohen Energiekosten und internationalem Wettbewerbsdruck erhöhen angekündigte Stellenstreichungen großer Unternehmen wie VW, Bosch oder ZF die Unsicherheit am Arbeitsmarkt.“ Es sei darum wahrscheinlich, dass die Negativmeldungen auch in den kommenden Monaten anhielten.
Gefährdet sieht Arbeitsagentur-Chefin Lehmann insbesondere die Automobilzulieferer der Region. Sie bekämen die massiven Umbrüche der Branche immer stärker zu spüren: „Viele sind gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken. Insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlen oft die Ressourcen, um den notwendigen Wandel zu bewältigen. Nach meiner Beobachtung steht auch der Maschinenbau mit Blick auf den internationalen Wettbewerb zunehmend unter Druck.“ Wirtschaftsförderer Protzer mutmaßt, dass vor allem Firmen, die lange Zeit nur für wenige Großkunden produziert haben, dabei überfordert sind, sich neu aufzustellen: „Zunehmender Umsatzrückgang bei schrumpfenden Märkten, nicht aktiv geführtes Neukundengeschäft und steigende Lohn- und Energiekosten gehören dort häufig zu den Herausforderungen.“
Das Gros der notleidenden Unternehmen verschwindet übrigens lautlos von der Bildfläche: Über 81 Prozent der Pleitefirmen in Deutschland haben laut Creditreform zehn oder weniger Mitarbeitende. Größere Firmen wie die genannten H2Stamping und Inovan sowie die von Entlassungen betroffenen Gemeinden erhalten mehr Aufmerksamkeit: Im Landratsamt Enzkreis und bei der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim bündelt man aktuell die Kräfte, um freigesetztes Personal schnell in Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahmen zu bringen. „Ich freue mich sehr, dass uns der Landkreis und die betroffenen Gemeinden zur Seite stehen, das ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg unserer Bemühungen“, betont Martina Lehmann. „Wir können mit sehr vielen Maßnahmen unterstützen und tun dies auch bereits. Dazu gehören spezifische Beratungsangebote, Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld sowie die Vermittlung und Transfermaßnahmen für betroffene Mitarbeitende. Mit diesen Angeboten können wir dazu beitragen, Beschäftigung zu sichern, Fachkräfte zu halten und die Auswirkungen wirtschaftlicher Schwierigkeiten abzumildern.“
Noch liegt die Zahl der Firmenpleiten unter den Rekordzahlen der Jahre 2009 und 2010 – der Hochzeit von Euro- und Finanzkrise. Eine gute Nachricht für Krisenbetriebe in der Region ist auch die beschlossene Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf maximal 24 Monate. Damit können auch bei längeren Durststrecken Entlassungen vermieden oder zumindest aufgeschoben werden. Insgesamt, findet Martina Lehmann, sei die regionale Wirtschaft darüber hinaus widerstandsfähiger, als es die trübe Stimmung vermuten lässt. „Positive Anzeichen sehe ich in den Bereichen Gesundheit und Pflege, Erziehung oder beispielsweise dem Bildungssektor. Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im Handwerk gibt es nach wie vor gute Beschäftigungschancen.“ Wirtschaftsförderer Protzer sieht die Wirtschaftsregion ebenfalls gut aufgestellt, um gestärkt aus der Flaute zu gehen.
Viele Unternehmen verfügen über hervorragende Produkte und wettbewerbsfähige Prozesse, weitsichtig agierende Führungskräfte und engagierte Mitarbeitende. Wir sehen vielerorts einen modernen Maschinenpark und hohe Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Wenn sich die momentane Zurückhaltung bei Investitionsentscheidungen auflöst, können Chancen genutzt und Produktionen auch schnell wieder hochgefahren werden.
Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald
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