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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Energie ist das Gold der Zukunft – Experte warnt bei Heizung vor Schnellschuss

Der Heizungsmarkt in Deutschland ist dynamisch in Bewegung. Themen sind Heizkostenentwicklung, Verfügbarkeit von Energie und Fachkräftemangel. Sie bewegen und verunsichern Verbraucher zunehmend. Diplom-Ingenieur Jörg Braun aus Baiersbronn im Nordschwarzwald geht auf drängende Fragen rund ums Heizen ein.
Nicht jede Immobilie ist für jede Heizungsart geeignet. Also lieber dreimal hinschauen, um unnötige Folgekosten zu vermeiden, rät Experte Jörg Braun. ©gb

15.08.2022

Politische Willenserklärungen und Förderanreize heizen die Diskussion um die Frage an,  welches Heizsystem das richtige ist. Diplom-Ingenieur Jörg Braun, Geschäftsführer der Gottfried Braun GmbH, ist fast täglich mit Anfragen in diese Richtung konfrontiert.

WirtschaftsKraft: Wie beurteilen Sie die momentane Situation am Heizungsmarkt?

Jörg Braun: Lassen Sie mich das so auf den Punkt bringen: Die Nachfrage ist gut, die Versorgung wegen der Lieferengpässe schwierig. Die Kostensituation aufgrund der explodierenden Energiepreise stimmt mich sehr bedenklich. Ich hoffe nicht, dass es für den einen oder anderen guten Betrieb wegen der fehlenden Versorgung trotz guter Nachfrage zu Turbulenzen kommt.

Können Sie aktuell alle Kundenanfragen bedienen?

Grundsätzlich wird in unserem Unternehmen jede Kundenanfrage beantwortet. Aufgrund der großen Nachfrage kann die Terminierung allerdings bis zu drei Monate dauern. Doch dann gehen wir sehr verbindlich und mit Nachdruck der Anfrage nach. Nach einem gemeinsamen Termin folgt die Projektierung, und wir erstellen ein Angebot. Sobald der Auftrag erteilt ist, übernehmen wir alle Formalitäten, auch bezüglich möglicher Förderungen.

Per Gesetz räumt der Bund den erneuerbaren Energien den Vorrang ein. Bis 2035 sollen diese auf 55 bis 60 Prozent ausgebaut werden. Wie beurteilen Sie diese ehrgeizigen Pläne?

Die sind ja eigentlich gar nicht so neu. Im Grunde genommen fordert die Politik das, was wir als Handwerksbetriebe schon lange leisten, nämlich CO2-Reduzierung, Energiekosten-Ersparnis und eine nachhaltige Entwicklung der Stromversorgung zu ermöglichen sowie dies schrittweise weiter auszubauen.

Wer sind eigentlich die aktuellen Marktverlierer?

Das sind eindeutig die herkömmlichen Öl- und Gasheizungen.

Gibt es dazu klimafreundliche Alternativen?

Da kommen neben den Biomasse-Öfen, wozu auch Pellets gehören, noch Fernwärme, Solarthermie, etwa als Hybrid, Brennstoffzellen, wobei hier derzeit die Gasversorgung ein Problem darstellt, und vor allem Wärmepumpen in Frage. Außer Öl- und Gasheizungen werden alle Wärmeerzeuger über BAFA oder KfW teilweise bis zu 35 Prozent gefördert.

Eine der klimafreundlichen Heizungs-Alternativen ist die Wärmepumpe. ©BHarms

Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte den Einbau von  klimafreundlichen Wärmepumpen beschleunigen. Von 2024 an sollen jährlich mindestens 500.000 Pumpen in Betrieb genommen werden. Wirkt sich diese politische Willensbekundung auf Ihr Unternehmen aus?

Wir haben ganz klar eine erhöhte Nachfrage nach Wärmepumpen. Aber zum Glück verfügen wir über langjährige Fachkompetenz in diesem Bereich. Allerdings ist die Wärmepumpe aus unterschiedlichen Gründen nicht immer sinnvoll und machbar. Die Effizienz von Wärmepumpen ist von vielen Faktoren abhängig.

Für Neubauten ist sie durchaus prädestiniert, aber bei Bestandsbauten muss man schon genauer hinschauen. Deshalb meine dringende Bitte an die Verbraucher: Bitte machen Sie keine Schnellschüsse. Die Tauglichkeit eines Objekts sollte zunächst einmal sehr genau analysiert werden. Also lieber dreimal hinschauen, um unnötige Folgekosten zu vermeiden.

Wie verteilen sich die unterschiedlichen Wärmeerzeuger auf die Auftragseingänge?

Über den Daumen gepeilt würde ich sagen, dass von 100 Projekten zehn Öl- und 20 Gasheizungen realisiert werden sowie 20 Wärmepumpen, oftmals in hybrider Kombination mit Photovoltaik und Stromspeicher.

Die andere Hälfte sind Biomasse-Heizungen, sprich: Pellets oder Hackschnitzel und Scheitholz. Das war jedenfalls der Stand zum Ende des vergangenen Jahres. Seit 2022 steigt jedoch der Wärmepumpen-Anteil unaufhörlich. Die Wärmepumpe wird Öl und Gas über kurz oder lang wohl ablösen, sodass wir in naher Zukunft ein ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Wärmepumpen und Biomasse-Anlagen haben werden.

Pellets- und Scheitholzkessel sind also zukunftsfähig?

Ja, unbedingt, zumal Biomasse-Kessel geringere Investitionskosten verursachen und klimaneutral sind. Allerdings müssen der Bedarf und die technischen Möglichkeiten sehr präzise analysiert werden. Daraus entwickeln wir ein Gesamtkonzept. Übrigens funktioniert auch der Biomasse-Kessel nicht unbedingt in jedem Haus.

Können Sie trotz der vielen Unsicherheiten eine klare Verbraucher-Empfehlung geben? Wie wird sich der Markt weiterentwickeln?

Auf jeden Fall halte ich, wie schon gesagt, nichts von Schnellschüssen. Eine generelle Orientierung können wir bezüglich des Markgeschehens, den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Wärmeerzeuger und den Kennziffern für eine zukunftsfähige Bedarfs- und Kostenermittlung aller Voraussicht nach im Herbst geben. Allerdings zeichnet sich jetzt schon ab: Energie ist das Gold der Zukunft.

(kw/gel)


Jörg Braun

…Jahrgang 1967, hat nach der Gesellenprüfung zum Zentralheizungs- und Lüftungsbauer an der Fachhochschule Offenburg in der Fachrichtung Versorgungstechnik als Diplom-Ingenieur (FH) abgeschlossen. Sein Schwerpunkt war Technische Gebäudeausrüstung.

Unter anderem war Braun Projektleiter im Steinbeis Transferzentrum für Energie- und Reinraumtechnik, Offenburg, sowie Projekt- und Abwicklungsingenieur bei LTG Stuttgart. An der Bundesfachschule für Heizung-, Lüftungs- und Sanitärtechnik in Karlsruhe hat er sich zum „Betriebswirt des Handwerks“ weitergebildet. Inzwischen ist er Geschäftsführer der Gottfried Braun GmbH in Baiersbronn, ein Unternehmen mit rund 90 Beschäftigten, das sein Vater 1958 gegründet hat. (gel)

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