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Oliver Reitz

Direktor des Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP)

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Digitaler Leerstand im Einzelhandel der Innenstädte

Deutsche Verbraucher*innen gewöhnen sich zunehmend daran, Bekleidung sowie Haushaltswaren und -geräte im Internet zu kaufen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Auswertung des ifo-N26-Wirtschaftsmonitors. WirtschaftsKraft hat Cima-Geschäftsführer Roland Wölfel gefragt, wie sich die Innenstädte und der Handel neu ausrichten müssen.
Die Innenstädte müssen sich neu aufstellen, um zukunftsfähig zu werden, sagt Cima-Geschäftsführer Roland Wölfel. ©Huimin

Von Gerd Lache | 17.05.2021

Die Forscher des ifo-Instituts verglichen Offline- und Onlinekäufe 2020/2021 zur Situation vor der Pandemie. Während der Öffnungen im Sommer 2020 war das Verhältnis Offline- zu Onlinehandel wieder nahezu auf Vorkrisenniveau. Doch seitdem zog der Onlinehandel fast stetig an und lag Anfang Dezember zum Weihnachtsgeschäft bei 250 Prozent des Vorkrisenniveaus bei Haushaltsgeräten, im Februar sogar bei 350 Prozent.

„Spätestens seit letztem Sommer beobachten wir massive Strukturverschiebungen hin zum Onlinegeschäft – auch jenseits der Lockdowns. Unsere Daten legen den Schluss nahe, dass die Krise das Sterben der Innenstädte befördert“, interpretiert Oliver Falck, Leiter des Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, das Ergebnis.

Seit Anfang Dezember liegen die stationären Einkäufe in den beiden untersuchten Produktgruppen, die man traditionell in den innerstädtischen Kaufhäusern und Geschäften erworben hat, unter dem Niveau des Vorjahres mit einem Tiefpunkt im Januar 2021.

 „In der zweiten Hälfte 2021 werden die Menschen diese aufgestaute Kaufkraft ausgeben. Der Handel muss sich etwas einfallen lassen, wenn er die Leute dann wieder in die Geschäfte locken will“, sagt Falck.

Die Beratungsgesellschaft cima ist nach eigenen Angaben „auf die Zukunft von Städten und Regionen fokussiert“. Ihre Stärke seien Kommunikation und Kooperation an der Schnittstelle von öffentlicher Hand, privater Wirtschaft und den aktiven Teilen der Stadtgesellschaft. Die 90 cima-Beschäftigten beraten an deutschen 10 Standorten. WirtschaftsKraft hat cima-Geschäftsführer Roland Wölfel nach der Zukunft der Städte und des Handels gefragt.

Herr Wölfel, was muss sich der Handel einfallen lassen, um die Konsumenten wieder in die stationären Läden zu locken?

Neben dem ohnehin notwendigen Erlebnis und der Freundlichkeit mit besonderen Serviceangeboten im Geschäft ist es wichtig, dass die Händler den Kundenkontakt und die Kunden-Kommunikation auch digital über soziale Medien intensiv und emotional professionell betreiben. Wir haben immer noch zu viel digitalen Leerstand.

Was wird nach Corona im Internet verbleiben?

Bekleidung wird sicherlich wieder verstärkt auch in den Geschäften gekauft werden Das analoge Einkaufserlebnis, das  Fühlen eines Stoffes und die obligatorische Anprobe sind sicherlich Elemente, die auch zukünftig ihre Anziehungskraft haben.

Bei Haushaltswaren ist das sicherlich nochmals differenzierter zu sehen. Aber auch hier spielen Inszenierungen – zum Beispiel durch Kochabende etc. –  eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Summe wird die Handelsfläche in den Innenstädten geringer werden. Hier müssen wir darauf achten, dass auch die Nachfolgenutzungen, zumindest in den zentralen Versorgungsbereichen,  kunden- und erlebnis-orientiert sind. 

Wie sieht die Zukunft der Innenstadt aus?

Die Innenstädte haben auch in der Vergangenheit eine hohe Resilienz und Anpassungsfähigkeit bewiesen. Es gilt nun, den geforderten Umbau der Innenstädte offensiv und mutig anzugehen. Eine Verschiebung vom reinen Konsum- zum Erlebnis- , Freizeit- und Lebensort ist durchaus positiv zu bewerten.

Im Cima-Monitor hatte sich schon in den vergangenen zehn Jahren abgezeichnet, dass Freizeiterlebnis, Tourismus und Shopping zunehmend in der Innenstadt gebündelt werden. Vor allem die junge Bevölkerung sucht beim Innenstadt-Besuch ein besonderes Erlebnis. Die reine Versorgung lässt sich übers Netz viel bequemer abwickeln.

Wir brauchen also Treffpunkte, Kommunikationsräume, auch konsumfreie Zonen, die einen abwechslungsreichen Aufenthalt in der Innenstadt ermöglichen.

Eine besondere Herausforderung stellt für die Innenstadt-Gestalter die Gleichzeitigkeit von drei Handlungsebenen dar. Zum einen müssen Corona-Sofort-Maßnahmen getroffen werden, der Übergang und der Restart müssen vorbereitet werden und gleichzeitig soll die Konzeption der Innenstadt für die nächsten 10 bis 15 Jahre entwickelt werden. Das ist eine besondere Herausforderung, der sich die gesamte Stadt-Gesellschaft stellen muss.

Mit der neuen Initiative www.unsere-stadtimpulse.de konnten wir dank Förderung des bayerischen Wirtschaftsministeriums  gemeinsam mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) , dem deutschen Städte- und Gemeinde-Bund, dem Deutschen Städtetag und der Bundesvereinigung City und Stadtmarketing Deutschland eine bisher nie da gewesene gemeinsame Plattform und Allianz zu erfolgreichen Innenstadt Lösungen schmieden.

Weitere Akteure aus den Bereichen Baukultur, Architektur Tourismus, Haus- und Grundbesitzer, Stadt-Entwickler etc. haben ihre Unterstützung dieser Initiative bereits angekündigt. Insofern haben wir die Chance, breite lokale, wie auch nationale Allianzen für Innenstädte zu schmieden und die Innenstädte in die nächste Epoche zu führen.

Von der reinen Shoppingmeile zu „unserer Mitte“ muss die Devise lauten. Mensch, Qualität und Nachhaltigkeit werden als neue Maßstäbe dienen. Neue Funktionen und eine bunte Mischung werden die Innenstädte bereichern. Nicht zurück zu alter, sondern zu neuer Stärke ist das Gebot der Stunde!

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