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Das Zauberwort heißt Resilienz – gestärkt der Krise entkommen

Auf unerwartet negative Ereignisse souverän und konstruktiv reagieren, hohe Lernfähigkeit entwickeln, stets Lösungen finden, um überleben und wachsen zu können – das sind einige der Eigenschaften, die ein resilientes Unternehmen auszeichnen. Die Corona-Pandemie hat sich sehr unterschiedlich auf Branchen und Unternehmen ausgewirkt. Ein positives Beispiel, mit der Krise umzugehen, ist die Firma AP&S und ihrer Chefin Alexandra Laufer-Müller.
Hat aus der Erfahrung mit Krisen gelernt: Alexandra Laufer-Müller, geschäftsführende Gesellschafterin des Maschinenbauers AP&S und Mitglied im Wirtschaftsverband wvib Schwarzwald AG. ©DorisLöffler

Von Gerd Lache | 07.03.2021

Das Thema AR, Augmented Reality, ist seit der Corona-Krise noch viel stärker in unser Unternehmen implementiert.
Alexandra Laufer-Müller, geschäftsführende Gesellschafterin der AP&S International GmbH

Der Begriff Resilienz steht in der Wirtschaft  für die Fähigkeit, nicht an Widerständen zu zerbrechen, sondern sich als resistent zu erweisen. Gelegentlich gehört die Portion Glück des Tüchtigen dazu. Resilienz gilt als Prozess, in dem auf Herausforderungen und Veränderungen mit Anpassung reagiert wird. Wie mit gezieltem und frühzeitigem Resilienz-Management  schadlos Krisen bewältigt werden können, zeigt das Beispiel des Sondermaschinenhersteller AP&S International GmbH aus Donaueschingen. Geschäftsführende Gesellschafterin Alexandra Laufer-Müller berichtet über ihre Strategie.

Frau Laufer-Müller, ist die Krise im Maschinenbausektor der Corona-Pandemie geschuldet oder hat sie mit der schwächelnden Automobilindustrie zu tun?

Da will ich mich nicht eindeutig festlegen. Wir haben schon 2019 bemerkt, dass es mehr Kfz-Zulassungen gab, als neue Autos produziert wurden. Das bedeutete, dass Bestände abgebaut worden sind. Deshalb haben wir unsere Planungen für 2020 nach unten korrigiert. Soweit der Einfluss des Automobilbereichs. Ende des ersten Quartals 2020 hatten wir dann mehr als 50 Prozent Auftragsrückstand hinter dem bereits korrigierten Plan. Da ging es also los mit den Auswirkungen von Corona.

Und das war mit einschneidenden Maßnahmen verbunden?

Für uns hat sich die Situation schlagartig zum Guten gewendet. Bis Ende Juli hatten uns lediglich noch 15 Prozent zum Plan gefehlt. 2020 liegen wir geschätzt um mehr als 40 Prozent über der Jahresplanung und haben damit eines der auftragsstärksten Jahre unserer Firmengeschichte.

Wie erklärt sich das positive Abschneiden in einem so schwierigen Krisen-Umfeld?

Wir bauen Maschinen für die Halbleiterindustrie. Unsere Kunden sind zwar zu rund 40 Prozent Automotive-abhängig. Aber sie hängen glücklicherweise am Elektronik-Bereich des Automobils, das ist der Vorteil.

Sie profitieren von der E-Mobilität?

Genau. Aber es geht nicht ausschließlich um Autos. Es geht auch um die Schifffahrt und beispielsweise um den E-Bike-Hype im Zuge der Pandemie. E-Mobilität in ihrer ganzen Bandbreite ist für uns ein wichtiger Bereich. Hinzu kommt, dass wir Kunden haben, die das Thema 5G und den gesamten Bereich Netzwerkausrüstung bearbeiten. Corona hat die Digitalisierung beschleunigt. Dies alles hat uns zugespielt. Insgesamt war es somit eine extrem turbulente Entwicklung – einerseits im März nicht zu wissen, wo es hingeht und andererseits die positive Wende.

Wie groß war die Angst zu scheitern, als die Krise begann?

Angst vor der Krise hatte ich nicht. Das habe ich auch den Beschäftigten vermittelt. Wir hatten im März 2020 einen Kfw-Kredit beantragt. Als die Zusage kam, wusste ich, es geht weiter. Aber es wäre sicher schwieriger gewesen, wenn ich noch nie etwas Ähnliches erlebt hätte.

Sie haben also bereits Erfahrung im Umgang mit Krisen?

Ich habe 2008 die Finanzkrise miterlebt. Seinerzeit haben die Banken den Maschinenbau als riskantes Cluster eingestuft und finanzielle Linien für uns zurück gefahren.  Damals habe ich mir vorgenommen, nicht mehr in eine solche Situation zu kommen. Ich hatte zwar schon in den Jahren zuvor  finanzielle Puffer eingebaut. Aber das große Learning für die Bedeutung der Liquidität kam 2008. Diesen Sicherheitsfaktor haben wir im Unternehmen weiter ausgebaut.

Welche Bausteine braucht es aus ihren Erfahrungen von 2008 noch, um ein Unternehmen resilient aufzustellen?

Eine weitere Erkenntnis war es, bei den Produkten und den Abnehmern breit aufgestellt zu sein, also möglichst keine zu große Abhängigkeit von einem Kunden entstehen zu lassen. Wir können heute vom Fraunhofer Institut bis hin zum Massenproduzenten alle bedienen. Wichtig ist es, sich auch einen Kundenkreis aufzubauen, der nicht oder nur gering von der Konjunktur abhängig ist. Im Übrigen muss ein Risiko-Management grundsätzlich immer für eventuelle Krisen abrufbar sein. Aber das Problem bei Corona  ist, dass es gleich zwei  Faktoren sind. Zum einen handelt es sich um  eine wirtschaftliche Krise. Zum anderen ist es eine Herausforderung im sozialen Bereich. Wenn die Beschäftigten im Homeoffice sind, dann ist es schwieriger, mit ihnen zu interagieren. Wir sind deshalb weitgehend von Heimarbeit abgerückt. Stattdessen wurden in allen verfügbaren Räumen im Unternehmen Arbeitsplätze nach Hygiene-Richtlinien eingerichtet.

Prozessingenieure von AP&S  untersuchen Nassprozessergebnisse am elektronischen Mikroskop. ©AP&S

Apropos Beschäftigte: Welche Bedeutung haben sie in der Resilienz-Strategie?

Es istunabdingbar, dass die Mitarbeiter flexibel sind und das Unternehmen damit agil auf Veränderungen reagieren kann. Dazu braucht es aber eine flache Hierarchie, weil andernfalls  Entscheidungen zu langsam umgesetzt werden.

In welcher Form lassen Sie die Mitarbeiter an Entscheidungen zur Krisenbewältigung teilhaben?

Um schnell reagieren zu können, haben wir von Woche zu Woche geschaut, wie unsere Maßnahmen wirken, wo wir an Stellschrauben drehen müssen, was gestoppt und was verändert werden muss. Die Mitarbeiter sind in erster Linie sofort von den Vorgesetzten informiert worden. Sofern es sich um besonders wichtige Vorgänge gehandelt hat, kam die Information direkt von mir. Die Kommunikation erfolgte einerseits per  E-Mail, andererseits gab es Online-Betriebsversammlungen, in denen ich auch erklärt habe, warum eine Maßnahme notwendig ist. Die Resonanz der Belegschaft über diesen direkten und schnellen Weg der Information war sehr gut. Daneben haben wir eine Corona-Hotline eingerichtet, auf der sich die Mitarbeiter informieren können. Diese Hotline betreue ich gemeinsam mit einer Mitarbeiterin. Es ist mir wichtig, nahe an den Menschen zu sein.

Gab es Corona-Fälle im Unternehmen?

Bis auf einen Corona-Infizierten keine. Das hat mir gezeigt, dass unsere schnell eingeleiteten Maßnahmen gewirkt haben. Wir haben sehr viel aufgeklärt. Wir haben Mundschutz eingeführt. Wir haben alle Räume markiert und festgelegt, wie viele Personen sich maximal in einem Raum aufhalten dürfen. Wir haben frühzeitig damit begonnen, die Leute zu sensibilisieren. Und wir haben sehr früh mit einem Arzt kooperiert, um Schnelltests durchführen zu können

Die Anwendungen von Augmented Reality (AR) haben bei AP&S seit der Corona-Pandemie deutlich zugelegt. ©AP&S

Haben Sie neue Erfahrungen aus der Krise gewonnen?

Ja, beispielsweise den Ausbau der Digitalisierung. Wir waren in diesem Bereich zwar schon gut aufgestellt, aber  Corona hat dem Thema noch einmal einen bedeutenden Schub gegeben. So konnte unser Aufbau-Team nicht zur Montage einer Maschine in  Malaysia einreisen, weil  dort ein Shutdown verordnet worden war. Wir haben deshalb für die Mitarbeiter vor Ort eine digitale Aufbau-Anleitung programmieren lassen, bei der über Augmented Reality, kurz AR, in einer Art Video jeder einzelne Schritt nachvollziehbar erläutert wird.  Das Thema AR ist seither viel stärker ins Unternehmen implementiert.

Erklärung der Redaktion:

Unter „Erweiterter Realität“ – im Englischen Augmented Reality (AR)  – versteht man das Zusammenspiel von digitalem und analogem Leben. Manchmal reicht die Kamera des Smartphones, aber meist findet die Anwendung über eine spezielle AR-Brille statt, in der dem User beispielsweise eine Aufbauanleitung direkt am Produkt optisch vermittelt werden kann.


ZUR PERSON

Die geschäftsführende Gesellschafterin Alexandra Laufer-Müller hat die AP&S International GmbH aus Donaueschingen-Aasen im Jahr 2003 gemeinsam mit einem Compagnon aus einem Management Buyout gegründet. Das Unternehmen mit heute 170 Beschäftigten ist auf den Sondermaschinenbau im Halbleiterbereich spezialisiert. Die Volkswirtin mit Informatik-Diplom und dreifache Mutter ist Mitglied im Maschinenbau-Beirat der wvib Schwarzwald AG.

https://ap-s.de/


Dieser Beitrag von Gerd Lache ist neben weiteren Interviews und Berichten im Jubiläums-Heft des Wirtschaftsverbandes wvib Schwarzwald AG anlässlich seines 75-jährigen Bestehens nachzulesen.

PDF-Download: http://media.badische-zeitung.de/adserver/2021/Beilage-Wirtschaft-01.pdf

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